Moderner Klassiker

Test: Taylor 417e

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Andy Powers, mittlerweile Präsident und CEO von Taylor Guitars, und ebenfalls immer noch Chefentwickler, hatte bei der Vorstellung des neuartigen V-Class-Bracings vor einigen Jahren angekündigt, dass nach und nach alle Serien mit der neuen Deckenbeleistung ausgestattet werden. Er geht aber jetzt noch weiter und gibt jeder der vielen Modellreihen ein eigenes Gesicht. Zuletzt war die 400er-Serie an der Reihe, die er komplett umgekrempelt hat.

Die 400er-Serie beinhaltet traditionell Modelle, die sich besonders für die Bühne eignen. „Die 400er-Serie hat schon immer den musikalischen Alltagsnutzen und die Handwerkskunst repräsentiert, ohne dabei für den arbeitenden Musiker zu kostspielig zu sein. Aber jetzt es ist an der Zeit, der Gitarre mehr Aufmerksamkeit zu schenken“, sagt Andy Powers. „Dieses neue Format hebt den visuellen Charakter der Serie hervor, damit er besser zu ihrem bühnenwürdigen Sound passt.“

Anzeige

Das bedeutet: Gute Hölzer, gute Bespielbarkeit, aber weniger Verzierungen und schlichtere Optik. Die Serie umfasst jetzt genau drei Modelle, darunter die beiden Klassiker Grand Auditorium und Grand Concert, beide mit Cutaway. Hinzugekommen ist die Grand Pacific ohne Cutaway, eine Mischung aus Dreadnought und Jumbo mit runden Schultern.

Alle drei kommen mit integriertem Taylor-ES-Preamp-Pickup-System. Die auffälligste Gemeinsamkeit der drei Schwestern ist aber die neue Tobacco-Sunburst-Hochglanz-Lackierung der Decke. Kombiniert mit weißem Binding ein Hingucker, vor allem auf der Bühne. Die 400er-Serie wurde schon immer mit Fichtendecke sowie Palisander-Zargen und -Boden gebaut. Auch der Verkaufspreis der drei Modelle ist identisch. Zum Test haben wir den Neuling der Serie, die 417e, eine Grand Pacific erhalten.

SPRUCE & ROSEWOOD

Für einen ausgewogenen Klangcharakter greift Taylor bei der 417e auf die absoluten Klassiker unter den Tonhölzern zurück. Dabei produziert der massive Korpus aus indischem Palisander volle Bässe und ausgeprägte Mitten, während die massive Decke aus fein gemaserter Sitka-Fichte brillante Höhen hinzufügt. Es handelt sich bei diesen Holzarten um zwei der beliebtesten Sorten im Gitarrenbau, denn an ihrem vielseitigen Sound erfreuen sich sowohl Singer-Songwriter und Country-Musiker als auch Vertreter rockiger Genres.

GRAND PACIFIC

In Anlehnung an die klassische Dreadnought-Westerngitarre entwickelte Taylor die Grand-Pacific-Bauform. Wie ihr Vorbild verfügt diese ebenfalls über einen voluminösen Korpus, ist jedoch etwas bauchiger und runder, was neben einer hohen Durchsetzungsstärke deutliche Auswirkungen auf den Sound der Gitarre hat. So erzeugt die Grand Pacific einen ausgesprochen runden, warmen Ton mit erstaunlich kräftigen, aber definierten Bässen. Für ein hohes Klangvolumen sorgen außerdem die vollmassive Bauweise sowie das V-Class-Bracing. Daraus erfolgt ein langanhaltender Ton, der sich in allen Lagen eindrucksvoll entfaltet.

FEATURES

Die Kern-Features der 417e sind ihre lange 648-mm-Mensur, der große Body und ihr angenehm kräftiger, griffiger Hals. Sie ist geschmackvoll dekoriert mit einer Schallloch-Rosette aus Agoya-Muschel (japanisches Perlmutt) sowie neuen Griffbrett-Einlagen aus italienischem Acryl, deren Design von klassischen Schnörkeln aus der Schreiner- und Architekturkunst inspiriert ist.

Rosette aus Agoya-Muschel, Faux-Tortoiseshell-Schlagbrett (Bild: Dieter Stork)

Der Hals mit seinem verstellbaren Stahlstab ist über die von Taylor patentierte, leimfreie und wartungsfreundliche Halsverbindung mit dem Korpus verbunden, die es einem Fachmann leicht macht, binnen Minuten eine Anpassung des Halswinkels vorzunehmen. Es werden leichte, gekapselte und vernickelte Taylor-Mechaniken verwendet. Der Sattel aus schwarzem Graphit und die kompensierte Stegeinlage aus Micarta sind Standard, der Steg ist wie das Griffbrett aus Ebenholz, das aus dem von Taylor betreuten Holzwerk in Westafrika stammt.

Ebenholzgriffbrett mit den neuen „Finial“-Einlagen (Bild: Dieter Stork)

Die 417e ist mit dem Taylor Expression System 2 ausgestattet und wird mit dem Taylor-Deluxe-Hardshell-Koffer im „Western Floral“-Vinyl-Design geliefert. Die Anschlussbuchse und das Batteriefach mit 9-VoltBlock sind in einer ovalen Einheit am Korpusende untergebracht, ein zweiter Gurthalteknopf ist am Hals montiert. Die Gitarre kommt mit einem Medium-Saitensatz (.013-.056) in der beschichten Version von D’Addario (Coated Phosphor Bronze).

BESPIELBARKEIT

Beim ersten Spielen habe ich zunächst gar nicht gemerkt, dass dieses Modell mit Medium-Saiten bespannt war. Die Saitenlage ist für Westerngitarrenverhältnisse extrem flach, ohne auch nur einen Hauch von Scheppern – fast wie ein gut eingestellte E-Gitarre. Ich habe Andy Powers einmal gefragt, warum Taylor-Gitarren so eine gute Saitenlage haben und so bemerkenswert gut intonieren. Er sagte, es hänge immer von den verwendeten Hölzern ab, und der Genauigkeit der Produktion. Wenn er wisse, dass ein Modell stabil ist, lasse er die bestmögliche Saitenlage errechnen. Seit er die V-Class-Verstrebung eingeführt hat, brauche es keine Kompensation des Sattels mehr.

Bei älteren Taylor-Gitarren wurde der Sattel einige wenige Millimeter Richtung Steg vorschoben. Durch den exakt gekerbten Sattel und die flache Saitenlage sei dies nicht mehr nötig. Angenehmer Nebeneffekt: Man kann dickere Saiten verwenden und hat eine bessere Stimmstabilität. Auch für die Bühne, wo man logischerweise oftmals kräftiger „reinlangt“, ist das ein großer Vorteil. Interessante Nebeninfo: Viele Vorkriegs-Martin-Gitarren werden gerne auch mit 13er-Saiten bestückt, weil sie damit wuchtiger und satter klingen.

KLANGCHARAKTER

Die Grand Pacific der 400er-Serie begeistert mit einem druckvollen Sound, vielen Bässen, klaren Höhen und ausgewogenen Mitten: perfekt fürs Strumming, aber auch Fingerpicking ist kein Problem, da die Gitarre sehr dynamisch anspricht. Die bewährte Kombi aus Sitka-Fichte und Palisander erzeugt einen klassisch anmutenden Sound, der vertraut wirkt, aber dennoch anders ist.

Er hat nicht den HiFi-Charakter alter Taylor- Modelle, aber auch nicht eine manchmal übertriebene Basslastigkeit anderer Dreadnoughts. Ich habe früher oft im Studio gearbeitet, und die meisten Dreadnoughts hatten so viele Bässe, wenn sie mit Mikro abgenommen wurden, dass ich häufig das Schallloch mit einem Stück Papier verkleinert habe, um das Dröhnen zu unterdrücken. Hier kein Problem: das Mikro geschickt eingerichtet (auf Griffbrettende und/oder hinter den Steg), und man hat einen ausgewogenen, satten und doch brillanten Ton.

Oder man verwendet das integrierte Pickup-System, das selbst für Aufnahmen einen sehr brauchbaren Klang liefert. Auf der Bühne gibt es für das System, das in Lautstärke, Bässen und Höhen geregelt werden kann, keine Alternative. Einfach gut. Und laut ist die Gitarre, was Singer-Songwriter erfreuen dürfte.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Taylor 400er-Serie hat ein sinnvolles Update erhalten: Die drei wichtigsten Taylor-Modelle erstrahlen in neuer Vintage-Optik und erleichtern die Wahl – denn diese Gitarren eignen sich gleichermaßen für die Bühne, fürs Studio und zu Hause. Hochwertig verarbeitet, mit den wichtigsten Features ausgestattet, aber in vielen Details angenehm schlicht und einfach gehalten, findet man hier alles so vor, wie man es braucht! Einfach klasse. Das erste Grand-Pacific-Modell in der Serie ist auch klanglich eine echte Bereicherung. Schade, dass die Gitarre wieder zu Taylor zurück muss.

PLUS

● Optik und Verarbeitung
● V-Class-Bracing
● sehr ausgewogener, fetter Sound
● Ansprache & Dynamik
● Bespielbarkeit
● Intonation

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2023)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.