Brandnew toy

Test: Charlesville GA-RW-E

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(Bild: Dieter Stork)

Ist doch immer interessant, wenn ein neuer Name die Acoustic-Szene bereichert. Wer oder was ist Charlesville?

Eine beschauliche Kleinstadt in den Südstaaten der USA? Ganz kalt. Ein Luthier aus Süd- Afrika? Falsch. Noch ein hübsch benanntes über- flüssiges Billig-Label aus Fernost. No way. Obwohl diese Gitarren tatsächlich aus China kommen. Und zwar aus der hochmodernen Fabrikation von Mastermind Charles Chen, dessen Vorname hier die Steilvorlage für das Label Charlesville gibt.

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Dieser Mr. Chen ist kein unbeschriebenes Blatt – er hat mit namhaften Luthiers zusammengearbeitet (z.B. Jean Larriveé) und zeichnet u.a. auch für höchst beliebte Instrumente wie Leho Ukulelen verantwortlich. Das Portfolio des Herstellers umfasst Dreadnought- und Grand Auditorium-Modelle. Letzteres Format liegt uns hier zum Test vor.

(Bild: Dieter Stork)

SAUBERE ARBEIT

Nach dem Auspacken stelle ich fest: die Charlesville hat irgendwas „Besonderes“ – ohne sofort definieren zu können, was es denn ist. Das Design ist einfach gelungen. Die gesamte Gitarre ist ganz dünn mattversiegelt, bei Zargen und Boden aus laminiertem Palisander wirkt das offenporige Finish sehr edel … ich hätte hier glatt auf Massivholz getippt.

Das haben wir dann aber bei der Decke aus handselektierter Alpenfichte. Die Korpuskanten sind mit schwarzem Binding eingefasst, was durch feine weiße Zierstreifen hervorgehoben wird. Ein schönes Detail ist auch die Schalllochumrandung im Herringbone-Stil (Fischgräten-Muster). Komplettiert wird die Decke durch das Tortoise-Schlagbrett und den Palisandersteg.

Er ist ganz klassisch geformt und mit sechs Pins zur Fixierung der Saiten und einer kompensierten Stegeinlage aus Kunststoff versehen. Ein Blick ins Korpusinnere (soweit das Schallloch es erlaubt) zeigt, wie überaus akkurat hier gearbeitet wurde. Die Leisten des scalloped Bracings und die Riemchen entlang der Zargenränder sind blitzsauber verleimt.

Der Hals aus Okoume ist am 14. Bund per Dovetail Neck Joint an den Korpus angesetzt. Das Techwood-Griffbrett (verdichtete Schichten aus Pappel; in Farbe und Härte dem Palisander ähnlich) ist mit 20 tadellos eingesetzten und polierten Bünden versehen und zeigt rautenförmige Pearl-Einlagen zur Orientierung. Sehr schick.

Eine Besonderheit stellt die Griffbrettbreite am Sattel dar, die mit 44,5 mm über dem üblichen Wert bei Steelstrings liegt. Oberhalb des Sattels ist die klassischschlicht geformte Kopfplatte angeschäftet, die mit standardmäßigen geschlossenen Mechaniken bestückt ist und des Weiteren noch den geschwungenen Firmennamen als Pearl-Inlay zu bieten hat.

(Bild: Dieter Stork)

Elektronik ist auch an Deck: Das tausendfach bewährte Fishman Presys II System ist sicher eine gute Wahl. Das Cockpit auf der Zarge bietet Zugriff auf Volume, Bass und Treble. Der Phase-Taster kann bei Feedbacks hilfreich sein – ein Stimmgerät ist auch vorhanden, es mutet praktischerweise das Signal, während man stimmt. Zu guter Letzt gibt es noch ein Warnlämpchen für sinkende Batterie-Power. Der 9-Volt-Block ist hinten auf der Zarge zusammen mit dem Klinke-Output platziert.

Hoher Standard: Fishman Presys II (Bild: Dieter Stork)

KOMFORT GEHT VOR

Mal ein Plädoyer vorab: Es müsste einfach noch viel mehr Vielfalt bei der Breite von Griffbrettern geben. Sehr vielen Spielern sind 52 mm bei einer Konzertgitarre zu breit, und vielleicht fast ebenso vielen Playern sind 42,5 mm bei einer Westerngitarre zu schmal. Es gibt einige Alternativen, aber ich behaupte: zu wenig.

Da ist mit der Charlesville nun ein schönes Angebot am Start und ich kann schonmal spoilern, dass die linke Spielhand sich pudelwohl fühlt, auf dem Griffbrett der Grand Auditorium. Das Greifen geht ganz entspannt vonstatten, die Gitarre liegt ausgewogen auf dem Schoß, die Eingewöhnungsphase ist entsprechend kurz.

(Bild: Dieter Stork)

Das Klangbild der Charlesville erweist sich als hell und klar, spritzig und angriffslustig. Es gibt den genau richtigen Schub aus den Bässen, gute trockene Durchsetzung aus den Mitten und eben dieses glasklare Top-End in den Höhen. Es wird schnell klar, dass diese Gitarre für Fingerstyle wie gemacht ist.

Der Spielkomfort und der frische Sound begünstigen diese Spieltechnik, auch und gerade wenn man mit den Fingerkuppen zupft. Beim Einsatz von Fingernägeln oder Picks wird das Klangergebnis natürlich noch prägnanter. Eine Gitarre mit so viel Licht im Ton macht aber auch das Strumming interessant, denn sie übersetzt den Einsatz verschieden starker Plektren und den Anschlag des Spielers besonders deutlich.

Über Acoustic-Amp (via Piezo-Pickup) gespielt, relativieren sich die Klangeigenschaften etwas, können aber per Klangregelung ganz gut angepasst werden. Es sei allerdings erwähnt, dass die Einstellungen von Bass- und Treble-Regler sehr schlecht ablesbar sind. Zumindest rasten die kleinen Knöpfchen mittig leicht ein, was etwas Orientierung gibt. Was immer wichtig ist: Das Fishman-System verstärkt die Saiten ausgewogen und gleich laut – damit lässt sich, auch bei professionellen Ansprüchen, bestens arbeiten.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Man kann sich fragen: Braucht die Welt wirklich noch einen Gitarren-Hersteller? Oder man schaut sich einfach unvoreingenommen diese Gitarre an und stellt fest, dass die Charlesville GA-RW-E einiges zu bieten hat. Für sehr moderate € 459 (UVP) bekommt man akkurate Verarbeitung, schönes Design, tolle Spielbarkeit und kristallklaren Sound. Das Schlusswort kann also nur lauten … Herzlich willkommen, Charlesville Guitars!

 

 

 

 

 

 

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2024)

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