September 2014. Bob Taylor lud ein zu einem einwöchigen Besuch an der Westküste der USA, der den Rahmen einer normalen Werksbesichtigung bei Weitem sprengte: Der Taylor Guitars Forest to Factory Trip – die Woche begann im kühlen Norden des Staates Washington und endete 1300 Meilen weiter südlich im heißen Tecate, Mexico.
Anzeige
Die Fülle an Informationen und Eindrücken, die man aus dieser Woche mitnehmen konnte war enorm. Hier und jetzt soll es erst mal um eine spezielle Thematik gehen, die Bob Taylor ganz besonders in den Focus stellen wollte, und in die fast alle seine Ausführungen immer wieder mündeten: Nachhaltigkeit, Schutz von Tropenholz, Umweltschutz. Der Ausgangspunkt all seiner Überlegungen ist interessant, und verlangt auch einem alten Skeptiker (wie z.B. dem Autor dieser Zeilen) einen gewissen Respekt ab. Er sagt nämlich auf sehr selbstbewusste Weise, dass er seit 40 Jahren Gitarren baue, niemandem mehr beweisen muss, dass er das kann, und mit seiner Firma eine äußerst erfolgreiche Rolle auf dem Acoustic-Weltmarkt spiele. Nun sei es höchste Zeit, den Gitarrenbau positiv zu verändern. Produktionsweisen, Umgang mit Ressourcen, Hölzern und Menschen – alles muss auf den Prüfstand. Und dann ist man auch schon mitten im Thema: Eine unstrittige Tatsache ist, dass seit Jahrzehnten mehr Tropenholz abgebaut wird, als nachwachsen kann.
Das wird unausweichlich dazu führen, dass diese Hölzer früher oder später aufgebraucht sind. Anhand einer Computer-Animation zeigt Bob Taylor, mit welch horrender Geschwindigkeit sich die gerodeten Flächen z.B. in Honduras (hier bezieht er Mahagoni) vergrößern, weil dort der Gedanke der Nachhaltigkeit eben leider keine große Rolle spielt. ähnlich liegen die Dinge z.B. auch in Kamerun. Bei Taylor Guitars versucht man mit zwei Strategien, diese negativen Trends zu stoppen, oder wenigstens zu verlangsamen: Zum einen tritt man in den genannten Ländern eben nicht einfach nur als aggressiver Einkäufer auf, der die besten Stämme zum niedrigsten Preis ergattert und dann wieder weg ist. Taylor verfolgt hier eine Langzeit- Strategie und baut Kooperationen auf, wo sich die Einheimischen in einer dauerhaften Zusammenarbeit mit Taylor eine langfristige Existenzgrundlage schaffen können – und dass bei nachhaltigem Abbau von Hölzern. Taylor nimmt es dabei in Honduras zum Beispiel in Kauf, Maschinen, Sägen, Baustoffe u.v.m. in extrem abgelegene Gegenden zu bringen, weitab befahrbarer Straßen. Dafür hat der Gitarrenhersteller langfristig Aussicht auf fair gehandeltes, nachhaltig abgebautes Honduras-Mahagoni.
SORGENKIND EBENHOLZ
Ebenholz ist ein gutes Beispiel dafür, in welch prekärer Situation eigentlich alle Hölzer sind, die wir heute noch als selbstverständlichen Bestandteil unserer Akustik-Gitarre empfinden. Mir war jedenfalls nicht klar, dass es noch exakt ein Land auf der Erde gibt, wo man Ebenholz legal beziehen kann: Kamerun. Dies vor Augen, trat 2011 Bob Taylor dort auf den Plan, kaufte das Sägewerk Crelicam, schaffte Geräte und LKWs an, gründete mit einem langjährigen Geschäftspartner aus Spanien eine Firma vor Ort und beschäftigt dort mittlerweile 75 Arbeitskräfte.
Er brachte sich nach und nach in eine Position, die es möglich macht, etwas zu ändern. Und das nicht nur für Taylor Guitars, sondern für den Großteil der Gitarren- und Geigenhersteller weltweit – er hat nämlich mittlerweile 75% des Ebenholzabbaus in Kamerun unter seiner Verantwortung. Das erste was er vor Ort erkennen musste, war die bittere Tatsache, dass die Arbeiter zehn Bäume fällen, um einen zu finden der perfekt schwarzes Ebenholz hergibt, so wie der Kunde das als Griffbrett auf seiner Gitarre vorfinden möchte.
Die anderen neun Bäume, mit farbigen Einschlüssen, bleiben liegen und verrotten. Diese „BWare“ würde nur einen Bruchteil dessen einbringen, was ein A-Grade-Stamm abwirft. Das rechnet sich dann nicht, denn das Holz muss ja nicht nur gefällt und in Teile zersägt werden, es muss über Strecken von fünf bis acht Kilometern von Arbeitern auf der Schulter aus dem Wald getragen werden, bis eine Straße erreicht ist.
Die Entscheidung die Bob Taylor dann trifft ist einfach, aber extrem wirkungsvoll – er zahlt den Holzfällern für B-Grade den gleichen Preis wie für A-Grade Ebenholz. Nun hat der Weltmarkt ein vielfaches an Ebony zur Verfügung, er muss sich eben nur mit Farbvariationen im Holz abfinden. Ich muss sagen, ich fand die mehr oder weniger stark gezeichneten Griffbrett-Rohlinge, die ich in der Taylor-Fabrik sah, nicht nur irgendwie akzeptabel, sondern sehr attraktiv – jedes Griffbrett ein Unikat. Bob Taylor hat durch diesen Schachzug jedenfalls den Handel mit, und die Sicht auf Ebenholz maßgeblich verändert. Im Januar 2014 wurde sein Engagement in Kamerun von höchster Stelle gewürdigt. Er erhielt in Washington D.C. im Rahmen einer offiziellen Zeremonie aus den Händen von US-Außenminister John Kerry den „Award for Corporate Excellence“. Kerry in seiner Ansprache: „Bob and Taylor Guitars have fundamentally changed the entire ebony trade.“
DIE ALTERNATIVE: MAPLE
Eine zweite, ganz andere Strategie zur Schonung von Tropenholz ist die, weniger davon zu verwenden. Und damit sind wir wieder am Anfang des Taylor Forest to Factory Trips, eine Autostunde nördlich von Seattle, in Concrete, WA. am Fuße des Mt. Baker. Hier bei Pacific Rim Tonewoods, einem Sägewerk, das auf Tonhölzer spezialisiert ist, werden die Weichen für die Zukunft von Taylor Guitars gestellt. Steve McMinn, der Gründer und Mastermind von PRT und Bob Taylor arbeiten seit Jahrzehnten eng und vertrauensvoll zusammen. Indiz gefällig?
An einer großen Sägeanlage lerne ich einen Mann kennen, der seit 15 Jahren praktisch jede Decke gesägt hat, die auf einer Taylor Gitarre verbaut wird und wurde. McMinn und Taylor haben jedenfalls einen Plan: Sie wollen mehr heimische Hölzer verbauen und haben sich in den Kopf gesetzt, Ahorn als Korpusholz für Steelstrings populärer zu machen und am Markt zu etablieren. Die Vorurteile gegen Maple sind ihrer Meinung nach genau so hartnäckig wie falsch. Das sehr helle Holz sei unansehnlich, produziere zu viele Höhen, klinge harsch – so die vorherrschende Meinung. [Das dies nicht so ist, belegt der Test der nagelneuen Taylor 616ce auf Seite 108 wohl eindrucksvoll.] Die Leute von Pacific Rim Tonewoods bringen mich dort hin, wo Gitarrenbau anfängt – in den Wald. Diese alten Hasen können tatsächlich einem Ahornbaum der noch steht schon ansehen, ob er für Tonhölzer in Frage kommt, womöglich attraktiv geriegelt ist, das richtige Alter hat usw. Ist ein geeigneter Stamm dann im Sägewerk, wird schon beim zerteilen und aufspalten darauf geachtet, ein Maximum an Zargen, Böden und Hälsen aus dem vorhandenen Material zu holen. Wo ist die schönste Riegelung für bookmatched Böden? Ist der Stamm eventuell vertwistet? Ein verantwortungsvoller Job, der viel Erfahrung fordert, und schlecht ausgeführt Geld und Holz verschwenden würde. In den Gesprächen kommt dann aber auch schnell wieder der Realist in Bob Taylor zum Vorschein. Er weiß, dass wenn plötzlich alle Acoustic-Player Maple-Gitarren haben wollten, er diese Nachfrage nicht würde decken können. Die Ahorn-Bestände geben das nicht her.
Aber andererseits wird das höchstwahrscheinlich auch nicht passieren, und so schiebt man hier und heute Entwicklungen an, von denen – Zitat Bob Taylor – „möglicherweise Gitarrenbauer profitieren, die noch gar nicht geboren wurden“. Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Simon Fraser (SFU), die damit experimentieren, besonders geeignete Ahornbäume zu clonen. Das Wort „clonen“ ist nicht sonderlich positiv besetzt, aber abseits von Nahrungsmitteln und Lebewesen sicherlich eine interessante Möglichkeit. Eine extrem langwierige Angelegenheit allerdings, wie man sich vorstellen kann. Und alles in allem ein Vorgehen, dass nur sehr wenig mit den Geschäftszahlen der nächsten paar Jahre zu tun hat. So ein weitsichtiges Denken würde ich mir von dem einen oder anderen Politiker wünschen …
Was die Strategien von Taylor Guitars betrifft, würde ich sagen: die Mischung macht’s! In einem Moment geht es noch um hoch gesteckte Ziele mit einer Laufzeit von Jahrzehnten, im nächsten Moment zeigt mir ein Mitarbeiter von PRT, wie aus Sägemehl Heizbriketts gepresst werden, oder wie aus den anfallenden Deckenholz-Resten beim Aussägen der Schalllöcher Untersetzer mit Taylor-Branding entstehen, um auch wirklich gar nichts zu verschwenden, was noch irgendwie von Nutzen sein kann. Große Ideen fangen eben im Kleinen an. Was den Taylor Guitars Forest to Factory Trip angeht, stand dann mit einem Inlandsflug von Seattle nach San Diego dessen praktische Umsetzung an. Weitere Berichte über das Mutterhaus in El Cajon, Kalifornien und das zweite Werk in Tecate, Mexico werden folgen.
Als Vertreter der neuen Generation Taylor-Gitarren hatten wir die Taylor 616ce im Test – eine Gitarre die auf beeindruckende Art und Weise zeigt, dass es für einen guten Ton nicht immer bedrohte Tropenhölzer sein müssen.
Kommentare zu diesem Artikel
Pingbacks