Die etwas rätselhafte Überschrift bezieht sich auf die Geburtsjahre der beiden Vorbild-Modelle von Martin: Deren D-45 gibt es seit 1933, die D-41 „erst“ seit 1969.
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Aber wir wollen hier nicht über Martin reden (außer im Extra unten) sondern über Sigma, das 1970 eingeführte Günstig-Label der Kultfirma aus dem Keystone State, welches nach allerlei Umwegen und Wendungen unlängst vom umtriebigen deutschen Vertrieb AMI erworben und wiederbelebt wurde. Und das sich sofort bester Akzeptanz und eines formidablen Blitzstarts auf dem deutschen Markt erfreuen durfte und darf.
Konstruktion von Sigma DR-41 und DR-45
Die Instrumente werden nach genauesten Vorgaben in China gefertigt, und so muss man, auch bei den hier vorliegenden Dreadnoughts, schon zweimal hingucken, um diese Gitarren als Nicht-Martins zu erkennen. Sie entstammen der Standard-Serie, wo die DR-45 das Top-Modell ist.
Die Spezifikationen der beiden Steelstrings sind weitestgehend identisch und bieten schon aufgrund der großen Nähe zum Original natürlich wenig Überraschungen. Man kann dem Hersteller aber jetzt schon mal eines attestieren: Er spart nicht am falschen Ende, um die günstigen Preise zu ermöglichen. Überall wo es drauf ankommt, wurde auf Qualität gesetzt.
Also, die Decken sind aus massiver Sitka-Fichte gefertigt, Zargen und zweiteiliger Boden aus Indischem Palisander. Die Hälse sind aus Mahagoni, der 41er matt-, der 45er hochglanzlackiert. Die Griffbretter aus Palisander sind mit je 20 zierlichen Bundstäbchen bestückt, das Fretboard des Top-Modells reicht übrigens nicht so dicht bis ans Schallloch heran wie das der 41 – der Platz wird für die Abalone-Umrandung gebraucht. Apropos Umrandung: Beide Sigmas haben weißes Binding um Decke, Boden, Griffbrett und Kopfplatte – darüber hinaus sind dann noch, getreu den Vorbildern und in besonderem Maße bei der DR-45, einige Kilometer Abalone-Streifen verlegt. Wow, das schmückt! Auch das Griffbrett steht da nicht zurück und präsentiert sich mit großen Mother-of-Pearl-Einlagen zwischen Bund 1 und 17.
Thema Qualität: Die Saiten ruhen auf Stegeinlage und Sattel aus Knochen, auf der klassisch geschnittenen Kopfplatte warten dann güldene, geschlossene Stimmmechaniken von Grover auf ihren Einsatz.
Verarbeitung, Lackierung, Abrichtung, Werkseinstellung – soweit alles prima, nur die Bundstäbchen der 45 sind schlecht poliert und kratzig. Kann man aber aus der Welt schaffen.
Sigma DR-41 und DR-45 in der Praxis
Ist manchmal komisch; die 45 gefiel mir spontan nicht so besonders. Harte Höhen, wenig Holz im Klang, die andere mochte ich sofort. Nach ein paar Tagen des Rumklimperns auf beiden Sigmas kam die teurere immer besser aus dem Quark. Auch ein dickeres Plektrum half dabei, den Sound angenehmer zu formen. Manche Gitarre sind direkt nach dem Auspacken einfach noch nicht voll da – da läuft man als Tester Gefahr, ungerecht zu sein.
Wie auch immer, die entscheidende Frage für jemanden der sich eine Sigma kauft ist doch: Bekomme ich denn zu dem günstigen Kurs trotzdem eine ordentliche Kelle Martin-Spirit mitgeliefert? Klare Antwort: Ja, aber hallo. Die Sigmas haben diese Solid-as-a-rock-Anmutung, fühlen sich an und klingen wie eine Martin. Dass die beiden hier nicht jede Charakter-Nuance und sämtliche klangliche Tiefe und Auflösung der zigfach teureren und womöglich noch alten und eingespielten Originale bieten können, sollte dabei einleuchten.
Aber die Basis ist aller Ehren wert. Die 45 haut Bässe raus wie ein Steinway, ist laut und muskulös, dynamisch, breit und strahlkräftig in den Akkorden und unnachgiebig stringent im Solo. Jeder noch so ruppige Input wird einem 1:1 wieder um die Ohren gehauen. Unerschütterlich, die Klampfe. All das hat die 41 auch, nur jeweils einen Hauch weniger. Klingt etwas versöhnlicher, trockener. Auch sehr gut – reine Geschmackssache.
Ich möchte hier mal nicht die Plattitüde von dem griffigen Mattlack-Hals strapazieren. Ich finde, der knackig hochglanzlackierte Hals der DR-45 fühlt sich auch sehr gut an, spielt man sofort gerne drauf. Die Saitenlagen sind werkseitig gut eingestellt, wer da noch mal nachjustieren will, kann im Schallloch per Inbus an den Halsstab ran.
In diesem Kapitel kann es nur um eines gehen: das Preis/Leistungsverhältnis. Das ist nämlich beeindruckend, erstaunlich, im Grunde unglaublich. Die Sigmas haben reichlich Martin-Gene im Erbgut, klingen (fast) so, spielen sich so, fühlen sich so an wie die wegweisenden Modelle aus dem ehemaligen Mutterhaus. Einfach nur empfehlenswert.
Extra: Martin D-45 und D-41
1933 wurde der Country-Star Gene Autry bei C.F. Martin & Co. vorstellig. Er wollte eine so reichlich verzierte und schmuckvolle Steelstring haben wie sein Idol Jimmie Rodgers, nur größer sollte sie sein. So groß wie diese imposanten Dreadnoughts von denen er gehört hatte. Nun, er bekam seine Traumgitarre – Halsansatz noch am 12. Bund, der Name ins Griffbrett eingesetzt und mit Abalone nicht gegeizt. Fünf Jahre später ging das Modell als D-45 in Serie, eine Erfolgs-Story nahm ihren Lauf. In den 60er-Jahren explodierten die Absatzzahlen, der Folk-Boom war auf vollen Touren. Um die Lücke zwischen der relativ schlichten D-35 und der super-fancy D-45 zu schließen, bringt Martin 1969 die D-41 heraus, die vom Verzierungsaufwand auch etwas zu bieten hat, aber doch deutlich günstiger angeboten werden kann. Die ersten einunddreißig Exemplare wurden noch aus Rio-Palisander gefertigt, dann schwenkte man auf Indian Rosewood um.
Übersicht
Fabrikat: Sigma
Modell: DR-41/DR-45
Typ: Dreadnought Steelstring
Herkunftsland: China
Mechaniken: Grover, vergoldet, Die Cast
Hals: Mahagoni
Sattel: Knochen
Griffbrett: Palisander, MOP-Inlays
Radius: 16″
Halsform: C-Profil
Halsbreite: Sattel 42,5 mm; XII. 54 mm
Halsdicke: I. 21 mm; V. 22,5 mm; X. 23,8 mm
Bünde: 20
Mensur: 645 mm
Korpus: Indischer Palisander
Decke: Sitka-Fichte, massiv
Oberflächen: Korpus Hochglanz, Hals DR-41 Satin, DR-45 Hochglanz