Dem großen japanischen Hersteller ist keine Marktlücke zu klein, um sie nicht mit einem Instrument zu versorgen. Dass ein Global-Player wie Ibanez so entschlossen jede nur erdenkliche Kleinst-Zielgruppe bedient – ohne Aussicht auf massenhaften Absatz – muss hier einfach mal ausdrücklich gelobt werden. Ob Piccolo-, Tenor- oder Bariton-Gitarre, ob 4, 6, 7, 8 oder 12 Saiten – Ibanez hat’s. Und jetzt eben auch dieses schräge Teil: die Multi-Scale-Acoustic-Gitarre AELFF10.
Konstruktion
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Ihr Korpus kommt ja noch vergleichsweise normal daher. Der AEL-Body ist der größte im Programm und hier aus Palisander für Boden und Zargen, und aus Fichte für die Decke gemacht. Einfaches schwarzes Binding verbindet die Elemente. Ein tief geschnittenes venezianisches (also rundliches) Cutaway prägt die Korpus-Silhouette. Noch viel prägender ist aber z. B. der Steg, und da sind wir beim Thema: Wie man das vielleicht schon mal bei Bässen gesehen hat, hat hier jede Saite eine andere Mensur – beginnend mit 635 mm für die hohe E-Saite (etwa wie bei einer Parlor) steigert sich das bis zu satten 680 mm bei der tiefen E-Saite.
Twang! Damit zurück zum Steg, der natürlich ebenfalls entsprechend ausgerichtet sein muss und so zu seiner sehr speziellen Form kommt. Und das Thema setzt sich fort mit den gefächert eingesetzten 21 Bünden im Palisandergriffbrett und endet beim windschiefen, gleichwohl sauber gefeilten Knochensattel. Die (fast) normale Kopfplatte punktet mit MarkenTunern von Grover, die versetzt angebracht sind, um die Abstände zwischen Sattelkerbe und Wickelachse anzugleichen. Zur Elektrifizierung dient ein Ibanez-AEQ-SP2-Preamp mit Fishman-Sonicore-Pickup – bewährte Technik.
Praxis
Ich platze gleich damit heraus: diese eigenwillig aussehende Ibanez spielt sich erschreckend normal! Das flache C-Profil des Halses liegt gut in der Hand und so lange man nicht auf das Griffbrett schaut, ist alles (fast) wie immer. Aber natürlich hat die Fächerbundierung ihre Auswirkungen: Auf der Kontra-Seite steht ein etwas schwierig zu greifender F-Barré- Akkord und die Tatsache, dass man das Spiel mit dem Bottleneck ziemlich vergessen kann. Aber ansonsten wird auf der Pro-Seite gepunktet, da man auf kurzer Mensur bequem – und dank des tiefen Cutaway ungehindert bis zur höchsten Lage – solieren kann, und andererseits auf den Longscale-Bass-Saiten eine unglaubliche Tightness, also Straffheit im Ton, zur Verfügung hat. Das verführt natürlich sogleich zum offen- und/oder runterstimmen.
Ich kurbele auf Open-D runter und habe immer noch einen knackigen Saitenzug, wo ich beherzt die tiefe E- (jetzt D) Saite anschlagen kann, ohne dass der Ton in die Knie geht. Jetzt noch einen Ganzton runter auf Open-C: Da ist immer noch genug Tension für einen entschlossenen Anschlag – und ein satter Tenor kommt zu Gehör. Da vergisst man auch fast, dass die Ibanez aus gesperrten Hölzern gebaut ist, was man bei Normal-Tuning, wo der Klang doch ein wenig eindimensional ist, schon noch bemerken konnte. Das relativiert sich dann aber wieder über PA gespielt: Tadelloser, ausgewogener E-Acoustic-Sound, der dank XLR-Out auch gleich ohne Umwege ans Mischpult geliefert werden kann.
Resümee
Sieht bekloppt aus, funktioniert aber richtig gut! Und beschert uns straffe Bässe und flotte Soli zugleich. Neugierig? Dann los zum Antesten!