Die kleine Schwester der Elvis-Hagstrom

Pawn Shop: Hagstrom Viking I

Anzeige
Hagstrom Viking I
(Bild: Kellner)

Die Legendenbildung in der Geschichte der E-Gitarre treibt mitunter erstaunliche Blüten. Eine davon ist die Story des King of Rock’n’Roll, Elvis Presley, und „seiner“ Hagstrom Viking.

Im Jahre 1968 war Elvis schwer mit seinem Comeback beschäftigt und in dessen Zuge fanden Dreharbeiten für das NBC-Special ‚Elvis‘ statt. Der Produzent der Show, Bones Howe, kam auf die Idee, dass Elvis während der mitgefilmten Liveperformances eine Gitarre „spielen“ sollte. Er fragte die für die Show gebuchten Studiogitarristen, ob jemand etwas „Flashiges“ dabei hätte, das man Elvis umhängen könnte.

Anzeige

Al Casey, einer der angeheuerten Gitarristen, hatte eine neue schwedische Viking II im Kofferraum, die wenig später in die Hände des King gelangte. Er spielte sie bei den Opening- und Abschluss-Szenen der Show sowie einem Live-Konzert am 29. Juni 1968. Wobei wir nicht genau wissen, was Elvis angesichts der Armada von illustren Backing-Gitarristen tatsächlich spielte. Egal, die Legende von der Elvis-Hagstrom war geboren.

Hagstrom Viking I
(Bild: Kellner)

Es heißt, von dieser Viking II sollen nur 1.350 Stück hergestellt worden sein. Das macht es etwas schwierig, eine aufzutreiben. Stattdessen ist mir die kleine Schwester, eine Viking I, in die Hände gefallen. Die ist bis auf wenige Details identisch mit der Berühmtheit – andere Farbe, Dot-Inlays statt Blockeinlagen und silberne statt goldene Hardware – ansonsten ganz die Elvis-Gitarre.

Die Firma Hagstrom/Hagström (es existieren beide Schreibweisen) startete als Importeur von Akkordeons in den 1920er-Jahren, 1932 wurde in Älvalden ein eigenes Werk gegründet. Mit dem Bau von E-Gitarren begannen die Schweden 1958, also etwa zur selben Zeit, als auch überall sonst in Europa damit gestartet wurde. Wie bei vielen anderen war ein Merkmal der frühen schwedischen E-Gitarren ein Bezug mit glitzerndem Perloid. Nach und nach stellte Hagstrom die auch heute wieder aufgelegten Modelle wie die Swede oder eben die Viking vor. 1983 war, aufgrund der Preiskonkurrenz aus Asien, erst mal Schluss – erneut ähnlich wie auch überall sonst in Europa. Erst 2004 wurde das Label wiederbelebt, das sich heute wieder wachsender Beliebtheit erfreut.

Hagstrom Viking I
ES-Style Korpus – komplett hohl (Bild: Kellner)

Die Viking I gab es seit 1965, es war die erste Hollowbody der Schweden. Sie wurde bis 1979 gebaut (und seit einigen Jahren in Neuauflagen wieder). Das vorliegende Modell ist komplett hohl, ähnelt also eher einer ES-330 als einer ES-335, von der sichtlich die Korpus-Form entlehnt ist. Ob der Body aus Ahorn, Fichte oder Birke ist, kann ich nicht nachvollziehen, alle drei Materialien wurden verwendet. Vom typischen, schön geschwungenen Saitenhalter laufen die Drähte über eine kleine Brücke.

Hagstrom Viking I
Zwei silbrig twangende Singlecoils (Bild: Kellner)

Zwei wunderbar silbrig-twangende, wenn auch bereits etwas mikrophonische Singlecoils zaubern herrliche Vintage-Töne aus diesem Instrument. Dem Cowboy in mir will da das Grinsen gar nicht mehr vergehen, zumal der superschlanke Birkenhals mit (damals schon) Resinator-Griffbrett auch ganz nach meinem Geschmack ist. Mit nur 3,9 cm Sattelbreite ist er nichts für Wurstfinger! Die Bünde sind – typisch für die Ära – eher niedrig und begünstigen moderne Spieltechniken nicht unbedingt, aber die hat der Genießer einer alten Viking vermutlich auch nicht im Sinn.

Hagstrom Viking I
F-Style Kopfplatte mit Saitenniederhalter und superschlankem Sattel (Bild: Kellner)

Unsere Wikingerin hat übrigens noch die alte, sehr stark an die Modelle der Firma mit dem großen F erinnernde Kopfplatte, die Hagstrom sich ab 1972 verkneifen musste. Die originalen Van-Ghent-Mechaniken laufen butterweich und benötigen wirklich keinen Ersatz, ab den 70ern wurden aber Schaller-Mechaniken verbaut – zu dieser Zeit hatten die Vikings auch bereits Humbucker.

Hagstrom Viking I
Butterweiche original Van Ghent-Mechaniken (Bild: Kellner)

Die Verarbeitung der Gitarre ist so gut, dass ich einige Zeit überlegt habe, ob sie sich wirklich als Pawnshop-Probandin eignet. Über den Preis der mittlerweile recht selten gewordenen historischen Hagstrom-Modelle würden echte Vintage-Koryphäen nur lachen, für alte europäische E-Gitarren liegt er aber bereits relativ hoch. So um die 700 bis deutlich über 1.000 Euro muss man aus der Tasche schälen, wenn einem eine über den Weg läuft. Ob Elvis schuld ist? Laut Hal Baine, damals Schlagzeuger der Backing-Band, liebte der King die Viking trotz der nur kurzen Affäre sehr. Was sein Management aber nicht daran hinderte, den Schweden die Werbung mit Bildern von Elvis‘ legendärem Auftritt mit der Schwedin deutlich zu untersagen…

[3923]

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2018)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.