Hört man sich durch ,Villains‘ – das aktuelle Album der US-Alternative-Rocker Queens Of The Stone Age – ahnt man kaum, mit welcher Wucht Gitarrist Josh Homme 1992 die Rockwelt erschütterte. Anklänge an diese Zeit finden sich etwa im hypnotischen wie psychedelischen Intro von ,Feet Don’t Fail Me‘. Legt man heute das zweite Album der Band Kyuss aus Palm Desert/Kalifornien auf, wird man geradezu überrollt von der ersten Nummer Thumb‘. Und es kommen sofort Attribute wie fett, gewaltig oder monströs in den Sinn. Ein ultra-deeper vor sich hindräuender Bass-Ton wird von einem bluesigen Riff überlagert. Ein knackiges Fill und Drummer Brant Bjork walzt im Shuffle nach vorne.
Irgendwann wechselt die Gitarre in die tiefen Lagen und schiebt mit dem Bass von unten die raue Stimme von John Garcia an, der mit langgezogenen Ausbrüchen an Kurt Cobain erinnert. Dann folgen dramatische Wechsel in monotone Halftime-Parts mit anarchischen Gitarren-Bends, über die sich eine zweite Solo-Spur legt. Die Band zieht noch mal an, ein orgiastischer Schluss, ein Geräusch, als würde jemand die Bandmaschine vorspulen, und es geht direkt weiter mit dem schnellen ,Green Machine‘. Klingt irgendwie nach Motörhead – nur alles eben tiefer und noch schmutziger.
Anzeige
Mit einem langsamen Riff inklusive mäanderndem Modulations-Effekt, sparsamen Drums-Betonungen und gezogenen Tönen vom Bass geht es in Richtung Black Sabbath. Aber auch hier ist der Sound einfach zu gewaltig, als das eine Verwechslung stattfinden könnte. Dieses Instrumental heißt ,Molten Universe‘, also „geschmolzenes Universum“. Und diese Musik ruft vor dem inneren Auge Bilder von kollidierenden Planeten, Monden und Asteroiden hervor, die sich allesamt in einer riesigen Supernova auflösen und endlos ineinander verschmelzen. Öh, oder so ähnlich, hallo aufwachen …
Zu den weiteren Höhepunkten des Albums zählen das düstere ,Capsized‘ mit dezenten Anklängen an Danzig, das schnelle punkrockige ,Mondo Generator oder ,Apothecaries Weight‘ mit seinem 70er-Jam-Rock-Vibe. Ganz ruhig beginnt hingegen das experimentelle ,Freedom Run‘ mit seinen verspielten Delay-Sounds und Gesang-Loops, bevor sich alles sich zu einem über siebenminütigen harten und eigensinnig groovenden Klangabenteuer aufschwingt. Und da ist das fette ,Caterpillar March‘ – wieder so ein Riff, das beim Hören automatisch die Haare wachsen und den Kopf mitschwingen lässt.
Essentiell für den Sound von Kyuss ist das berüchtigte C-Tuning. Ob Homme tatsächlich alle Saiten zwei Ganztöne nach unten gestimmt hat, darf bezweifelt werden. Denn die daraus resultierende lasche Spannung dürfte wohl selbst bei dickeren Saitenstärken nur schwerlich eine Kontrolle über die Intonation gewähren. Wahrscheinlicher ist wohl, dass es sich um eine Dropped-C-Stimmung handelt, wie Homme 2001 im G&B-Interview erzählte – letztlich ein Dropped-D-Tuning, das noch einmal um einen Ganzton nach unten verlagert wird – also von DADGBE zu CGCFAD. Damals gab Homme die Saitenstärken von .012 bis .056. an.
Der zweite Bassist Scott Reeder, der erst nach der Veröffentlichung des Albums zu Kyuss stieß, bemerkte zu dem Thema einmal: „Als ich das erste Mal mit der Band spielte, dachte ich nur: Was ist denn mit denen los? Es gab kein Stimmgerät, Josh stimmte einfach nach Gehör. Ich bestand darauf, mal eins zu besorgen. Wir sahen, dass das Tuning so um C herum lag, und darauf einigten wir uns dann auch.“
Gesicherte Erkenntnisse über das Equipment von Josh Homme zu Kyuss-Zeiten existieren nur lückenhaft. Zumal er in Interviews allzu gerne Fake-News über die von ihm verwendeten Instrumente streute, um seine Sound-Geheimnisse nicht preiszugeben. Fest steht jedenfalls, dass er eine Ovation Ultra GP benutzte, bei der es sich um eine günstige Les-Paul-Variante handelte. Soweit bekannt, setzte Homme stets den Hals-Humbucker ein. In Live-Videos sieht man ihn u. a. mit Marshall-Verstärkern, die über Ampeg-8x10er oder Marshall-4x12er-Boxen betrieben werden. Zudem benutzte er später auch ein B.K. Butler Tube Works RT-2100-ES Topteil. Ansonsten hört man auf dem Album ein WahWah.
Auch über das Equipment von Nick Oliveri ist wenig bekannt. Wahrscheinlich hat er in jener Zeit einen Rickenbacker-Bass und Ampeg-Röhrenverstärker mit 8x10er-Boxen gespielt. Übrigens: Im offiziellen Videoclip zu ,Green Machine‘ sieht man schon Linkshänder Scott Reeder mit identischem Setup. Hier stehen die Musiker in der Wüste vor ihren riesigen Boxen und rocken ab. Sicherlich sind diese Bilder auch eine Anspielung auf die legendären „Generatorpartys“ aus der Frühphase der Band, die mitten in der Wüste stattfanden und bei denen der benötigte Strom von Gasgeneratoren erzeugt wurde. Frontmann Garcia bemerkte einmal zum Thema: „Diese Partys haben in unserer Entwicklung eine große Rolle gespielt. Denn wir kommen alle aus der gleichen Gegend, wir haben alle den gleichen Hintergrund, die Ruhe, die Wüste, die Generatorpartys, die Berge, die Schluchten. Und diese Herkunft macht einen großen Teil von Kyuss aus.“
Und all dies ist auf ,Blues For The Red Sun‘ spürbar. Das Album schlug eine Brücke von Black Sabbath zum Grungerock von Soundgarden und noch weiter bis zum noch kraftvolleren Stonerrock der 90er – ein Name, der auf die bewusstseinserweiternden Drogen der Szene anspielte, was die ein oder anderen Nonsense-Texte von Garcia erklärt.
1995 lösten sich Kyuss auf, für Josh Homme ging der Weg bekanntermaßen weiter mit Queens Of The Stone Age, die auf ihrem gleichnamigen Knaller-Debüt zwar hart rockten, aber dennoch wie die gezähmte Variante von Kyuss klangen. Und damit sind wir wieder beim Anfang der Geschichte: ,Villains‘ ist ein spannendes Album, das Einflüsse von David Bowie bis Iggy Pop zeigt und mit vielen abgefahrenen Takten, Breaks und Gitarrenmelodien überrascht. Es reflektiert die stetige Weiterentwicklung von Josh Homme und QOTSA, die auf ihre Art für die aktuelle Rock-Szene nach wie vor ein Impulsgeber sind. Der Nachhall wird allerdings sicher nicht so groß sein wie der ,Blues For The Red Sun‘-Urknall vor 25 Jahren. [2916]