Da das Interesse an diesem Thema anhält, werden wir in nächster Zeit einen näheren Blick auf besonders seltene Vintage-Verstärker werfen. Mich erreichen dazu eine Menge Mails mit Fragen zu Verstärkern, von denen man kaum Informationen im Netz findet. Meist sind es Erbstücke, Dachbodenfunde oder Flohmarkt-Käufe. Kaum zu glauben, welche Geschichten einem da zu den Verstärkern erzählt werden.
Anzeige
Nehmen wir mal 1948 als Geburtsstunde der Gitarrenverstärker an, so jährt sich dieses Datum nächstes Jahr zum siebzigsten Mal. Diese Zeit ist voller Erfolgsgeschichten, Experimente und Trends, die auch im Nachhinein reichlich Spaß machen können. Manche Marken und Modelle sind ziemlich aus der Mode gekommen. Aber umso verlockender ist für Sammler und Spieler gleichermaßen die Auseinandersetzung mit seltenen Stücken.
Den Anfang macht diesen Monat ein Verstärker, der sicherlich zu den seltensten Exemplaren zählt, die ich je in meinem Musikzimmer hatte. Es handelt sich um einen 150-Watt-Verstärker der Marke Park – ein Bolide der ganz besonderen Sorte. Park-Verstärker wurden von 1965 bis 1982 von Marshall gebaut. Park war der Mädchenname der Ehefrau von Johnny Jones, einem gut befreundeten Händler von Jim Marshall, der seit dem Vertriebs-Deal mit Rose Morris keine Marshall-Amps mehr direkt aus der Fabrik erhalten durfte. Über den Vertriebsumweg mit Rose Morris wären die Amps doppelt so teuer geworden wie vorher.
Also entschied sich Jim Marshall, für bestimmte treue Kunden eigene Amps unter anderem Namen zu fertigen, die außerhalb des neuen Vertriebs verkauft werden konnten. Neben Park verwendete Marshall noch Namen wie „Kitchen-Marshall“, „Narb“, „CMI“ oder „Big M“. Da diese Amps nicht weltweit vertrieben wurden, sondern nur über ganz wenige ausgesuchte britische Händler, sind sie natürlich wahnsinnig selten.
Park-Amps waren zunächst technisch reinrassige Kopien der Originale von Marshall, wurden aber äußerlich anders gestaltet. So etwa der Park 45 von 1965, der einfach ein Pendant zum erfolgreichen Marshall JTM45 war. Die Leistung dieses Amps wurde bald auf 50 Watt mit zwei EL34 erhöht, später sogar auf 75 Watt mit zwei KT88. Dieser Amp war vor allem für Keyboarder entwickelt worden. Er sollte in erster Linie clean und laut arbeiten, wofür die Treiberstufe ein wenig modifiziert wurde.
Der Park150 war zunächst nur als P.A.-Verstärker mit acht Eingängen konstruiert worden. Riesige Trafos und vier KT88 bei 675 Volt Anodenspannung gaben diesem Boliden sogar satte 200 Watt Leistung. Nachdem Gitarristen wie Ritchie Blackmore oder Jimmy Page ihre Plexis ebenfalls auf 200 Watt erweitern ließen, wurden diese Amps auch als Lead-Version für Gitarristen oder Bassisten mit vier Eingängen angeboten. Vermutlich gibt es von diesen Boliden nur eine Handvoll weltweit. Umso erstaunter war ich über den außerordentlich guten Zustand dieses Verstärkers, der mir von einem Sammler aus der Schweiz zur Verfügung gestellt wurde. Wie schon erwähnt, steht ein Park-Amp einem Marshall in keiner Weise nach. Sie sind fantastisch verarbeitet und bieten meist die gleiche Schaltung wie ihre engen Verwandten.
Der Park 150 stammt aus dem Jahr 1970 und gleicht in der Vorstufe einem Marshall Plexi wie ein Ei dem anderen. Die stromhungrigen KT88 verlangten jedoch größere Trafos und kleinere Modifikationen im Phasendreher. Die Anodenwiderstände wurden von 100k/82K auf 47k/47k verringert. Unser Proband ist bis auf die letzte Schraube im Originalzustand. Neben Kohleschichtwiderständen wurden vorwiegend die so begehrten Mustard-Mullard-Kondensatoren sowie Daly-Elkos verbaut. The Best of the Best!
In der Vorstufe stecken vier Brimar/Mullard ECC83 und in der Endstufe vier originale GEC KT88, von denen drei jedoch leider defekt waren. Der Amp musste gereinigt, einige Masseverbindungen neu verlötet und leider alle Röhren getauscht werden. Im Inneren musste ich etwas Flugrost entfernen und die Endstufe neu einmessen. Einige Potis kratzten, aber sonst war dieser Brit-Amp noch völlig intakt.
Nach der Restaurierung konnte der Park wieder mit seinem unfassbar klaren Ton auftrumpfen. Vor sehr vielen Jahren konnte ich mal einen Marshall Major 200 aus der selben Bauzeit testen. Das war schon ein ganz besonderes Erlebnis in Puncto Headroom und Lautstärke. Der Park 150 sollte meinen nur aus der Erinnerung vorhandenen Eindruck nochmals verstärken. Dieser Amp lässt den Boden buchstäblich beben. Man fragt sich bei jedem Akkord, ob man den Amp mehr spürt oder hört.
Die KT88 liefern einen sagenhaft klaren und fetten Ton. Das erinnert in unteren Lautstärkebereichen schon sehr an die KT66, gerät aber bei aufgedrehtem Volume nicht so basslastig aus den Fugen, sondern bleibt stets stabil und liefert den begehrten klaren Mitten-Honk. Da ich nur eine 4×12- Box mit 100 Watt besitze, muss ich beim Test natürlich etwas aufpassen. Schon bei Lautstärke 4 bis 5 hat man den Eindruck, dass die Box jeden Moment platzten könnte. Hier ist Fullstack-Ausstattung mit zwei 4×12-Cabinets Pflicht!
Insgesamt klingt dieser Amp wesentlich fetter und stabiler als ein herkömmlicher 100-Watt-Plexi aus dieser Zeit. Man denkt an die Live-Aufnahmen von Led Zeppelin, Deep Purple oder den Rolling Stones aus dieser Ära. Aufgrund der ungemein schweren Trafos wurde der Tragegriff asymmetrisch auf der Oberseite befestigt. Nur so kann man dieses 40-Kilo-Monster noch einigermaßen in der Balance halten. Für Gitarristen ist diese Macht-Ansage heute eigentlich schon viel zu viel des Guten. Kaum ein Spieler wird die Möglichkeiten dieses Amps auf irgendeiner noch so großen Bühne voll und ganz auskosten können.
Dafür ist der Amp jedoch eine fantastische Option für den Rockbassisten, der sich nach diesen schweren Jack-Bruce- oder Roger-Waters-Tönen sehnt. Das beherrscht der Park scheinbar spielend, ganz im Stil des ja noch stärkeren Ampeg SVT. Es gibt aber von Park hin und wieder verlockende Alternativen wie den Park 45 oder den Bluesbreaker 50 mit KT66 oder EL34. Diese Amps sind auf dem Gebrauchtmarkt trotz ihrer Seltenheit wesentlich preisgünstiger als ihre Vorbilder von Marshall. Das Marshall-Schild allein scheint hier den Preisunterschied zu machen. Dabei handelt es sich um die exakt gleiche Schaltung und Bauteilauswahl.