Exzesse sind nichts für Pussys. Die Anfangszeit des Rock war voll davon. Voll von Exzessen, nicht Pussys. Exzesse hinter und auf der Bühne. Die Zeit explodierte. Manche Helden haben das nicht überlebt. Wie Jimi Hendrix, der Neal Preston passenderweise die erste geniale Elektrogitarrendröhnung verpasste. 1968 in Boston machte der 16jährige Preston sein erstes Foto auf einem großen Konzert ausgerechnet vom Gitarrengott. Es existiert noch eine gewisse Distanz. Die wird der Fotograf Preston später verlieren. Und das ist gut so.
Keiner kam den ganz Großen so nah. Auch nicht dem Schweiß. Er fotografiert Dokumente des Rock’n’Roll. Belege mit Körperflüssigkeiten, die kein Photoshop mögen. Der Rücken von Pete Townsend ist durchgeschwitzt. Jimmy Page von Led Zeppelin gießt sich den Bourbon gleich aus der Flasche hinter die Binde. Sid Vicious wird die Sex Pistols gleich verlassen. Und Madonna besteht noch aus Fleisch und Blut. Neal Prestons Fotos sind Dokumente aus dem Zeitalter vor der totalen Inszenierung.
Kaum ein Fotobuch ist ehrlicher als Exhilarated and Exhausted, denn nach dem Rausch kommt die totale Erschöpfung und die lässt Preston ganz und gar nicht aus. Aber es gibt Zufälligkeiten, die festgehalten und nicht ausgeklammert werden, Unfälle wie Frank Sinatras Hand auf Dean Martins Arsch (von hinten) und Begegnungen: wie mit Andy Warhol in der Garderobe von Queen.
Exhilarated and Exhausted ist eine große Erzählung. Es gibt keinen Film, der den Göttern so nahe kommt, wie das Neal Preston mit seinen Fotos gelang und gelingt. Die Siebziger waren die große Zeit des Rock. Übrigens ganz abseits von Woodstockromantik und Altamontbrutalität. Das war natürlich alles lange vor den Regimentern von PR-Agenten, Rechtsanwälten und der vollständigen Durchindustrialisierung der Musik. Jede Zeit hat die Helden, die sie verdient. Heute haben wir durchgeplante Musikdienstleister. Wir haben James Blunt und Ed Sheeran. Damals hatten wir Bob Dylan und Robert Plant. Gut, dass man mit Neal Preston in der Zeit reisen kann.