Josh Smith: Ich hatte nur eines im Kopf: Gigs, Gigs, Gigs
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
Anzeige
Obwohl in Europa noch nicht übermäßig bekannt, gehört der Amerikaner Josh Smith zu den aufregendsten neuen Gitarristen im Blues- und Jazz-Bereich. Der 37-Jährige mit der famosen Fingertechnik ist einer der gefragtesten Musiker der Studioszene von Los Angeles.
Als großer B.B.-King-Fan und persönlicher Freund von Session-Crack Michael Landau ergatterte Smith diverse lukrative Studiojobs, tourte zudem mit Sheryl Crow und hat unter eigenem Namen bereits mehrere Blues-Scheiben veröffentlicht. Wir trafen den freundlichen Musiker bei einem Workshop im ,Guitar Point‘ in Maintal bei Frankfurt und befragten ihn zu einigen wichtigen Eckpfeilern seiner bisherigen Laufbahn.
Anzeige
Josh, in deinem Fall kann man wirklich davon sprechen, dass du bereits nahezu dein gesamtes Leben Gitarre spielst, oder?
Josh Smith: Richtig. Ich bin 37 und spiele seit 34 Jahren. Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass mein dritter Geburtstag nicht richtig gefeiert werden konnte, da meine Mutter gerade mit meiner jüngeren Schwester hochschwanger war. Drei Tage später wurde meine Schwester geboren und auf dem Weg vom Kreißsaal zurück nach Hause brachte mir mein Vater eine kleine Kindergitarre mit. Ich weiß nicht, weshalb er damals auf diese Idee kam, aber ich liebte das Ding von der ersten Sekunde an. Die ersten drei Jahre schrammelte ich noch etwas unbeholfen auf der Gitarre herum, dann jedoch bat ich meine Eltern darum, Unterricht nehmen zu dürfen. Mein Vater besorgte mir einen jungen Typen, der Jazzgitarre lehrte. Ich fand‘s großartig.
Du sollst schon im Alter von zwölf Jahren regelmäßig auf der Bühne gestanden haben.
Josh Smith: Das stimmt. Ich konnte bereits ziemlich früh einigermaßen passabel spielen und wollte unbedingt Konzerte geben. Damals war Heavy Metal total angesagt, aber das war nicht mein Ding. Ich stand auf die Musik, die meine Eltern zu Hause auf Schallplatten hatten, also Rock’n‘Roll, Blues und Jazz. Mein Dad liebte die Rolling Stones, die Allman Brothers und Led Zeppelin. Meine Mum mochte vor allem Motown, also Otis Redding, Wilson Picket und so weiter. Eines Tages entdeckte ich B.B. King und war restlos begeistert. Meine Altersgenossen standen auf Metal, aber ich wollte unbedingt Blues spielen und so bald wie möglich auftreten. Deshalb erkundigte sich mein Vater unten in den Docks, in welchen Kneipen Blues-Jams stattfinden. Er trug mich in eine Liste für Jamsessions ein und begleitete mich, wenn ich dort – gerade einmal zwölfjährig – die Zuschauer begeisterte. So etwas hatten sie noch nie gesehen: ein kleines Kind, das mehr als nur leidlich Gitarre spielen konnte. Von dem Moment an, als ich den ersten Applaus bekam, stand für mich fest, dass ich nie mehr etwas anderes machen wollte.
Deine Eltern müssen von dieser Entscheidung hellauf begeistert gewesen sein…
Josh Smith: Ich weiß, was du damit sagen willst. Aber sie haben mich wirklich in allem unterstützt, was ich wollte. Sorgen machten sich eher meine Großeltern, die lieber gesehen hätten, dass ich das College besuche. Aber wenn, dann wäre für mich sowieso nur ein Musik-College in Frage gekommen, denn für mich stand fest, dass ich Berufsmusiker werden wollte. Ich gab ja bereits jeden Monat Konzerte, als ich noch zur Highschool ging. Und später, immer noch Schüler, absolvierte ich in den Ferien sogar komplette Tourneen. Ich wäre sicherlich auch am College aufgenommen worden, denn ich brachte sehr gute Schulnoten nach Hause. Doch ich hatte nur eines im Kopf: Gigs, Gigs, Gigs. Deswegen habe ich genau das gemacht.
Welches waren deine lehrreichsten Jahre?
Josh Smith: Ich würde sagen die Zeit zwischen meinem 13. und 23. Lebensjahr. Die Dinge, die man auf der Bühne, im Konzert lernt, bringen einen viel schneller voran, als stundenlanges Üben im Proberaum. Erst wenn man Konzerte gibt, mit einer Band auf der Bühne steht, entwickelt man sich als Musiker wirklich weiter. Ich spürte, wie ich jeden Monat Fortschritte machte. Ich spielte mit Musikern, die deutlich älter als ich waren. Ich war gerade 13, meine Kollegen dagegen waren zwischen 40 und 45. Sie waren zwar nicht übermäßig streng zu mir, aber sie korrigierten meine Fehler und forderten mich, noch besser zu spielen. Der Schlagzeuger sagte: „Hey, Josh, dein Timing lässt zu wünschen übrig. Achte darauf, wie ich spiele, und orientiere dich daran.“ Sie förderten mich, aber sie forderten mich auch. Das brachte mich natürlich enorm weiter, sodass sich meine technischen Fähigkeiten rasant entwickelten.
Wo siehst du deine größten Stärken als Gitarrist, in welcher Hinsicht besteht deiner Meinung nach noch Entwicklungsbedarf?
Josh Smith: Ich denke, dass ich gut improvisieren kann. Außerdem arbeite ich sehr hart an meinem Phrasing und an meinem eigenen Ton. Ich denke, dass man mittlerweile meinen eigenen Stil erkennen kann, egal wie anspruchsvoll oder technisch aufwendig der jeweilige Part auch sein mag. Mein Ziel ist es immer, dass man mein Gefühl spüren kann und dass ich Dinge so spiele, als hätte sie B.B. King gespielt. Ich möchte, dass sich das Publikum bei meinen Songs genauso fühlt wie ich, wenn ich Albert oder B.B. King höre. Und ich denke, dass mir dies gelingt und mein Spiel immer auch echte Gefühle vermittelt.
Meine Schwächen? Nun, ich denke, dass ich mich auf der Akustik-Gitarre noch deutlich verbessern und auch wirklich simple Akkorde noch überzeugender spielen könnte. Ich habe das zwar seit Langem nicht gemacht, aber ich möchte auch einfache Cowboysongs auf der Akustik-Gitarre mit einem eigenen Ausdruck spielen können. Außerdem würde ich gerne meine Notenkenntnisse verbessern.
Du hast mal Notenlesen gelernt?
Josh Smith: Oh ja. Ich habe es mir für meinen eigenen Unterricht angeeignet, außerdem bekam ich durch den Musikkurs an der Highschool wichtige Lektionen in Musiktheorie vermittelt. Insofern kann ich einigermaßen Noten lesen und schreiben. Aber wie gesagt: Ich würde es gerne noch besser können.
Ist es für deinen Job als Profimusiker wichtig, perfekt Noten lesen und schreiben zu können?
Josh Smith: Eigentlich nur sehr selten. Als ich nach Los Angeles ging, um dort als Musiker zu arbeiten, war ich überrascht, wie wenig man über Musiktheorie wissen musste. Meistens sind es Soundtracks für Kinofilme oder Fernsehserien, für die man Noten lesen können muss. Die Musik für diese Soundtracks stammt dann häufig von Pianisten. Sie wollen, dass man exakt das spielt, was sie sich ausgedacht haben, selbst wenn es eigentlich fürs Klavier geschrieben wurde. Das kann dann schon mal sehr speziell und tricky sein. Aber für die meisten Studiojobs braucht man nur gute Akkordkenntnisse, und mitunter nicht einmal die.
Sind Studiojobs heute der finanziell wichtigste Teil deines Musikerdaseins?
Josh Smith: Studiojobs machen mittlerweile etwa die Hälfte meiner Tätigkeit aus. Sechs Monate im Jahr kümmere ich mich um meine eigene Musik, nehme CDs auf und bin auf Tour. Die übrigen sechs Monate bleibe ich in Los Angeles und verrichte Studiojobs. Erfreulicherweise schlägt das Pendel jedes Jahr ein klein wenig stärker in Richtung meiner eigenen Musik aus. Als ich vor 15 Jahre nach Los Angeles ging, dachte ich, dass sich damit meine eigene Karriere weitestgehend erledigen und ich überwiegend Studiojobs machen würde. Am Anfang stimmte das auch, ich arbeitete im Studio und spielte Gigs mit anderen Künstlern. Aber von Jahr zu Jahr wird der Anteil meiner eigenen Karriere immer größer.
Du sollst seit Kurzem sogar ein eigenes Studio haben.
Josh Smith: Stimmt, ich habe es in den zurückliegenden zwei Jahren gebaut. Es ist direkt hinter meinem Haus, im Garten. Deshalb kann ich auch Jobs annehmen, bei denen mir andere Künstler ihre Files einfach per E-Mail zuschicken und ich die entsprechenden Parts dann zu Hause einspiele. Außerdem bekomme ich von Firmen neues Equipment zugeschickt, teste es und drehe Videos dazu. Auch dafür werde ich bezahlt. Insofern bin ich zurzeit in der glücklichen Situation, entweder auf eigene Rechnung zu touren oder aber zu Hause in meinem eigenen Studio zu arbeiten.
Vom Frühstückstisch direkt zur Arbeit …
Josh Smith: Exakt, genauso läuft es in der Tat bei mir ab. Ich stehe auf, frühstücke und gehe dann durch den Garten in mein Studio, um dort zu arbeiten. Seitdem das Studio fertig ist, habe ich zwei komplette, neue Alben aufgenommen, die nur darauf warten, veröffentlicht zu werden. Denn jetzt bin ich jederzeit dazu in der Lage, das zu machen, wonach mir der Sinn steht.
Lernst du aus deinen Studiojobs, aus den Soundtracks und Werbe-Jingles, auf denen du spielst, etwas für deine eigene Musik?
Josh Smith: Und ob! Ich habe schon vor vielen Jahren festgestellt, dass wirklich alles dabei hilft, meine eigene Musik zu verbessern. Selbst wenn es Studiojobs sind, die mir nur wenig Spaß machen oder deren Musik ich nicht mag, irgendetwas lernt man immer, und sei es nur ein neuer cooler Sound oder ein neues Effektpedal. Sogar dann, wenn mir der Song nicht gefällt, lerne ich. Ein Beispiel: Der Produzent möchte einen anderen Sound von mir, er sagt: „Dreh den EQ heller, klarer, dünner.“ Ich denke: Klingt doch schauerlich! Aber am Ende, wenn ich das finale Resultat zu hören bekomme, muss ich feststellen: Der Produzent hatte Recht. Im Zusammenhang macht der von ihm geforderte Sound wirklich Sinn. Man lernt von allem, wenn man nicht mit einer negativen Haltung an die Aufgabe herangeht.
Besonders berühmt geworden ist dein Mitwirken am Soundtrack zur US-Serie ,Chicago Hope‘. Werden solche Jobs eigentlich gut bezahlt?
Josh Smith: Ich kann mich nicht beklagen. Natürlich hängt so etwas immer vom Gesamtbudget und vom Produzenten ab, aber im Vergleich zu Tourneen, die ich gemacht habe, wie etwa mit Sheryl Crow, bekommt man seinen Aufwand mehr als nur angemessen entlohnt.
Inwieweit fördert dein eigenes Studio deine Entwicklung zum eigenen, unverkennbaren Stil?
Josh Smith: Das Studio hat daran einen riesengroßen Anteil, denn ich kann alles ausprobieren, ohne dass mir die Uhr und damit die Studiomiete im Nacken sitzt. Außerdem ist es ungemein entlastend, dass ich niemandem auf den Wecker falle, egal wie oft ich eine Passage spiele oder einen Part übe. Es ist kein Engineer da, der mit der Stirn runzelt oder ständig auf die Uhr schaut. Zeit ist einfach ein unbezahlbarer Bonus, wenn man seinen eigenen Stil verfeinern will.
Außerdem kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit in mein Studio gehen und etwas ausprobieren, egal ob es zwei Uhr nachts oder sieben Uhr am Morgen ist. Weder mein Sohn noch meine Frau werden dadurch gestört, ein echter Vorteil, an den ich überhaupt nicht gedacht hatte, als ich das Studio plante. Früher, wenn ich im Haus gespielt habe, kam mitunter mein Sohn rein und schimpfte: „Daddy, bitte, mach es leiser oder spiel etwas anderes, ich kann es nicht mehr hören.“ Man kennt das: Irgendeiner fühlt sich immer gestört. Früher waren es die Eltern und Geschwister, später die Freundin oder Frau, dann die eigenen Kinder. Jetzt ist alles anders, jetzt bekommt niemand mit, ob ich überhaupt spiele.
Außer deinem Engineer, wenn du deine eigenen Alben aufnimmst.
Josh Smith: Stimmt, der muss es ertragen (lacht). Bei den letzten vier oder fünf Scheiben wollte ich unbedingt jemanden dabei haben, der mich engineered. Er hilft dabei, bei meinen Ideen die Spreu vom Weizen zu trennen. Er hat viel Erfahrung, ich kann ihm also blind vertrauen, was mir beim Spielen sehr hilft. Ich mag generell, wenn ich Input von anderen Bandmitgliedern bekomme. Jeder darf Vorschläge machen und wird darin von mir bestärkt. Letztendlich sind es aber natürlich meine Scheiben und ich habe immer das letzte Wort.
Danke Josh, für das nette Interview, und alles Gute für deine kommenden Projekte!
equipment
Gitarren :
Chapin Guitars T-Bird
RealGuitars Les Paul
Rutters Guitars Strat
Josh Williams Guitars Mockingbird