Muddy Waters war wohl der prominenteste Spieler von Guilds T-Bird-Modell. Fotos aus den 60er-Jahren zeigen ihn oft mit dieser auffälligen Gitarre. Was hat uns das schräge asymmetrische 60s-Design heute noch zu sagen?
Das originale Modell T-Bird wurde von Guild lediglich zwischen 1964 und 1968 produziert und erst 2016 wieder ins Leben gerufen. Neben dem vorgestellten Modell S-200 (alternativ auch in der Farbe Black zu haben) gibt es aktuell auch noch weitere Versionen mit Stop Tailpiece und sogar mit P-90 Pickups, die jeweils über eine einfachere Schaltung verfügen.
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retro & modern
Das Reissue-Modell ist in fast jeder Hinsicht recht nah am historischen Original ausgerichtet, lediglich auf den „Kickstand“, eine am Boden eingelassene und als Gitarrenständer rauszukickende Metallleiste, konnte man verzichten. Für den ungewöhnlich gestalteten, gut 3,8 cm dicken Korpus der T-Bird kam aus drei Teilen gefügtes Mahagoni zum Einsatz. Großzügig gesetzte Korpuskonturen runden die Randbereiche der ansonsten planen Korpusplatte an den wesentlichen Stellen weich ab.
Der in Höhe des 18. Bundes eingeleimte Hals mit Vintage-C-Shape besteht ebenfalls aus Mahagoni, dem ein gebundenes Palisandergriffbrett aufgesetzt wurde. 22 Jumbobünde zeigen saubere Verarbeitung; Blockeinlagen markieren die Lagen. Den zackig gestalteten Kopf ziert neben dem Guild-Firmenlogo ein schillernder Vogel mit ausgebreiteten Flügeln, der Thunderbird, als MOP-Einlage auf schwarzer Front. Grover-Open-Gear-Mechaniken ergänzen das stimmige Bild.
Vom Sattel aus Knochen laufen die Saiten mit 628 mm Mensurlänge hinüber zum Hagstrom Vintage Tremar, ein Vibrato-System mit einstellbarer Feder. Zur Elektrik: Die LB-1 Little Bucker mit den kleinen Polschrauben sind Guilds Versionen des Mini-Humbuckers. Die zweispuligen Pickups verfügen über Alnico-5- Magnete und sind auf das vierschichtige Pickguard geschraubt, welches auch die umfangreiche Schalt- und Regelmimik beherbergt. Geschaltet wird über Mode Switches, wovon Mode 1 den Hals-Pickup allein und Mode 2 den Steg-Pickup und die Kombination von Hals- und Steg-Pickup schaltet. Die Vorwahl für die zweite Schaltposition trifft man über die Mode-2-Switches weiter vorn auf dem Schlagbrett.
Neben dem On/Off-Switch für einen Low-Cut-Tone-Capacitor werden die Pickups über zwei weitere Schieberegler einzeln aktiviert oder ausgeschaltet. Mittels unterschiedlicher Potiknöpfe lassen sich Volume und Tone für Mode 1 und Mode 2 in guter Übersicht getrennt regeln. Die Gitarre aus koreanischer Produktion ist klaglos gut verarbeitet und wird in einem Deluxe Gigbag geliefert.
eigenständige klangfarblichkeit
Die S-200 T-Bird spielt sich ihrer etwas skurrilen Erscheinung zum Trotz uneingeschränkt komfortabel. Einen Unterschied zu den meisten anderen Gitarren macht der hinten etwas hoch herausgeführte Korpusbereich der Armauflage, der die Anschlagshand in Standardhaltung etwas vor dem Steg-Pickup positioniert. Zum Vergleich: bei der Strat kommen wir über oder etwas hinter dem Hals-Pickup in Stellung. Das will noch nicht viel heißen, aber die Anschlagsposition ist schon ein wesentlicher Punkt in der Tonerzeugung. Das akustische Klangambiente ist von einer leicht metallischen Tonfarbe gekennzeichnet, ansonsten alles da, keineswegs dominant im Bass, eine kleine Nase in den Mitten, klingelnde Höhen, insgesamt recht laut und in guter Auflösung der Stimmen. Da ist man gespannt, was die Little-Bucker-Pickups daraus machen werden.
Also, rein in den Amp und zunächst einmal die Schaltlogik erkundet, die dann doch nur ungewohnt, aber keineswegs kompliziert ist. Der Hals-Pickup allein ist einfach geschaltet: Schieberegler auf Mode 1 und los geht es. Über den Little Bucker vermittelt sich ein für die Position recht helles, aber harmonisch geschlossenes Klangbild. Die Bässe bilden ein schlankes Fundament für die klar gegliederten Akkorde, welche mit sauber separierten Stimmen auftreten. Das bewährt sich natürlich im Clean-Modus des Amps, hat aber auch Vorzüge im Overdrive.
Die Darstellung in Zerre profitiert von der schlanken Basstonentfaltung mit eher kernigen Mitten und durchwegs runden Höhen, was von kompakten Powerchords, bis hin zu irgendwie entfetteten, aber doch fest artikulierenden Lead Lines zu einem eigenen Ausdruck findet. Das hat mit dem volltönenden Les-Paul-Sound natürlich nicht viel gemein, aber hier wollen wir auch unbedingt die tonale Eigenständigkeit loben.
Der Tone-Regler der Schaltebene Mode 1 erweist sich allerdings als funktional schwach, er nimmt schon bei leichter Zurücknahme dem Ton zu viel an Vitalität. Den Mode-1-Schieber nach unten gestellt aktiviert Mode 2 und damit das zugehörige Schaltfeld vorn, welches drei Funktionen beinhaltet: Low-Cut Tone Capacitor ON/OFF, Neck Pickup ON/OFF, Bridge Pickup ON/OFF. Den Steg-Pickup solo kann man sich in den Mode 2 Switches also zurechtlegen. Voraussetzung ist natürlich, den Hals-Pickup mit dem mittleren Switch auszuschalten, sonst haben wir die Kombination beider Pickups anliegen. Klingt jetzt komplizierter als es in der Praxis ist.
Der LB-1 am Steg wurde im Gegensatz zur gängigen Praxis auf weniger Widerstand, dafür aber mit etwas dickerem Draht gewickelt. Er fällt dennoch beim Umschalten in der Lautstärke etwas ab, aber selbstredend liefert er gerade deshalb sehr aufgeräumte, sauber aufgelöste Akkorde mit tendenziell knochigem Bass, aber bemerkenswert dichten Höhen. Das ist so speziell wie gut und lässt bei klar eingestelltem Verstärker originär tönende Sounds von eigenem Charme ins Leben.
In Zerrpositionen ist die Klarheit bemerkenswert, mit der das Wechselspiel zwischen dem knochentrockenen Bass und einem sehr kompakt und griffig aufleuchtenden Höhen-Top quittiert wird. Das ist so auch nicht alle Tage zu hören. Natürlich sind ebenfalls gut definierte, drückend schlanke Lead-Sounds mit perkussiv herausgestellter Anschlagskontur kein Problem.
Überhaupt ist die Klangauslegung des Steg-Pickups schlicht zu loben, da er auf seine Art selbstbewusst anders klingt. Im Zusammenklang der Pickups (Mode 2 beide Schalter oben) dominiert der Hals-Pickup zwar den Sound, aber der Kollege am Steg gibt doch etwas mehr Kehle und Perlglanz in den transparenten Kombi-Klang – als Sound-Variante jedenfalls in allen Betriebsarten fraglos bestens brauchbar!
Mit dem weißen Switch ganz vorn kann man dann noch den Low-Cut-Tone-Capacitor schalten, was zu einem ausgedünnteren Sound führt, der an Singlecoil erinnert, aber „hum free“, also nebengeräuscharm bleibt. Das tönt bestens über den Little Bucker am Hals gehört, wird allerdings beim LB-1 am Steg nun etwas sehr spirrig, nennen wir es positiv twangy, wenngleich dieser scharfe Biss für ein bestimmtes Klangempfinden eben auch wieder genau richtig sein kann.
Zusätzlicher Vorteil der Schaltung: Bei ausgeschalteten Pickups in Mode 2 lässt sich Mode 1 auch als Kill Switch nutzen. Das Vintage Tremar System nutzt eine Stahlfeder für den Vibratoeffekt. Der aufsteckbare Arm ist mit einer Schraube variabel zu fixieren und verlangt nach einem breiten Schraubenzieher, bzw. festem Anzug, um den Hebel verlässlich zu fixieren. Mit dem System ist es leider schwer die Stimmung zu halten.
Ursache ist wohl der vom Sattel weg verschieden schräge Verlauf der Saiten zu den Wickelzylindern der Mechaniken. Dieser mehr oder weniger starke Knick erzeugt Reibung und erlaubt vor allem den mittleren Saiten nicht, sauber in ihre Ausgangsposition zurückzufinden. Sicherlich ist die Funktion mit einer Nachbearbeitung der Sattelkerben und dem Auftrag von Öl oder Silikonpaste zu verbessern.
alternativen
Die an Skurrilitäten reiche Geschichte der E-Gitarre hat eine ganze Menge an unvergleichlichen Designs zu bieten und bei einem solch wunderlichen Vogel wie dem T-Bird nach Alternativen zu suchen, erscheint irgendwie sinnlos. Als formal nicht allzu weit weg von der T-Bird könnte man wohl das Firebird-Modell von Gibson nennen oder von Gretsch die ebenfalls recht vogelige Billy-Bo, welche sogar auch noch den Beinamen Thunderbird trägt. Wer auf Switches steht, dem fällt natürlich auch die Fender Jaguar ein, aber ist es nicht müßig, solche Vergleiche anzustellen? Lassen wir diese wunderbaren ‚one of a kind‘-Designs doch einfach für sich selbst stehen.
resümee
Verdienstvolles Reissue: das T-Bird-Modell gehört zu den originellen Gitarren-Designs der 60er-Jahre und wurde von Guild ganz zu Recht wieder aufgelegt. Schön ist aber nicht nur die originalgetreue optische Reproduktion, sondern auch das dabei nicht vernachlässigte Augenmerk für eine starke Funktionalität, was die Spieleigenschaften und die Betonung der durchaus eigenständigen Klangfarblichkeit angeht. Der Hals spielt sich toll, selbst der hohe Tonbereich ist bestens erschlossen und das schnell begriffene Switching-System bietet Zugriff auf ein optimal nutzbares, weit gespreiztes Klangrepertoire.
Lediglich das Tremar Vibratosystem machte Probleme, zumindest bei dieser Ausführung ließ es einfach keine verlässliche Stimmstabilität zu. Aber keine Frage: in der Wiederauferstehung der T-Bird begrüßen wir auf jeden Fall ein sauber gebautes und formal, aber auch klanglich originäres Design, das viel Leistung für seinen günstigen Preis bietet und damit unbedingt unsere Aufmerksamkeit verdient. Check it out! [2730]