Gipfeltreffen

Test: St. Helens Summit & Cardinal Summit (Schwarz Custom)

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Gerhard Schwarz gehört zur jungen Garde deutscher Gitarrenbauer und konnte bereits mit exquisiten Arbeiten auf sich aufmerksam machen. Seine Leidenschaft gilt der Optimierung klassischer Gitarren-Designs, die er mit handwerklicher Finesse und definitiven Materialien aus der Ebene der Fabrikgitarre auf das ultimative Niveau handgebauter Custom-Instrumente zu heben sucht.

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Die vorliegenden Modelle St. Helens und Cardinal können als repräsentativ für die Arbeit von Gerhard Schwarz gelten, der in Neumarkt in der Oberpfalz residiert. Die Neudefinition der E-Gitarre ist seine Sache eher nicht, wohl aber die Erschließung des vollen Potentials, das in klassischen Gitarren-Designs angelegt ist. Schlichtweg ikonischer Klang wurde damit in erstaunlicher Güte definiert, bleibende Tonprägung etabliert. Serielle Produktion ist aber grundsätzlich zeitlichen, materiellen, auch handwerklichen Limitierungen unterworfen – der passionierte Luthier dagegen kann sich mit vorausgesetzt guten analytischen Fähigkeiten und mit kunstfertiger Verfeinerung der stimmigen Grundlagen viel eher dem Ideal nähern.

beste komponenten -sensibles handwerk

Um auf Augenhöhe mit den berühmten alten Modellversionen Les Paul und ES335 von Gibson operieren zu können, an
die Gerhard seine Variationen unübersehbar anlehnt, ist die Beschaffung authentischer Materialien von grundlegender Bedeutung. Honduras-Mahagoni aus nachhaltiger Forstwirtschaft wird aus Guatemala importiert, Rio-Palisander stammt aus zertifizierten Altbeständen (60er-Jahre), ja selbst das Ahornfurnier der Cardinal (American Hardmaple mit Zwischenfurnier aus Pappel) entspricht von seiner Stärke her den alten Modellen (Standard ist dünner) und wird von Gerhard selbst hergestellt. Auf Basis dieser bewährten Werkstoffe entstehen in der Schwarz Custom-Werkstatt Gitarren von hinreißendem Vintage-Charme, die eine Widmung für das Detail erfahren, welche bei Serieninstrumenten schlicht nicht zu erwarten ist. Natürlich wurden beide Gitarren ganz traditionell mit Knochenleim erstellt und auch in Sachen Optik suchen unsere Probanden nicht ganz unerwartet den Schulterschluss mit den in Würde gealterten Klassikern der 50er-Jahre. Die Details:

Für den Korpus der St. Helens mit einer Plattenstärke von insgesamt rund 5 cm am Halsansatz wurde Honduras-Mahagoni mit einer gewölbten Decke aus Ahorn (Michigan Maple) kombiniert. Die Lackierung in klassischer Goldtop-Manier geschah unter Verwendung von echtem Bronze-Pulver, ein geschmackvoll dezentes Aging sorgt für den optisch authentischen Charakter. Der Hals aus dem vorgenannten ausgesuchten Swietenia-Mahagoni wurde mit einem Griffbrett aus Rio-Palisander kombiniert, welches mit einer perfekt verarbeiteten Bundierung (Wagner 9662 – entspricht etwa Dunlop 6105) und Crown Inlays aufwartet. Die Bundschlitze werden im Übrigen bei Schwarz immer gefräst, die einzelnen Bünde mit Knochenleim fixiert. Die an das Gibson-Modell angelehnte, aber formal leicht veränderte Kopfplatte ist mit stimmigen Vintage-Style Tunern von Gotoh ausgerüstet. Die Bindings von Decke und Griffbrett (deutsches Fabrikat) sind farblich an die alten Instrumente der goldenen Ära angepasst. Am Korpus laufen die Saiten über die klassische TOM-Bridge (ABM 2500-re) und werden von einem leichten Alu-Tailpiece gehalten.

Schwarz St.Helens Cardinal
Rio-Palisandergriffbretter – natürlich mit Cites-Dokument (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Die SB52 Soapbar-Pickups mit Kappen aus CAB (Cellulose Acetat) kommen von Andreas Kloppmann, Schaltung und Kontrolle ansonsten wie gewohnt, es wurden alte Bumble Bees verbaut. Ein cremefarbenes Pickguard komplettiert den klassischen Look.

Der in Form gepresste Korpus der Cardinalaus selbst hergestelltem Ahorn-Laminat entspricht dem alten Format mit den etwas größeren Ohren. Die Korpusmitte füllt ein durchgehender Sustainblock aus leichtem amerikanischem Ahorn, das Futter zwischen gewölbter Decke und Block aus feinjähriger Fichte wurde sorgfältig formschlüssig eingeleimt. Cremefarbene Bindings schließen Zargen, Griffbrett und f-Löcher ein.

Der Swietenia-Hals mit Griffbrett aus Rio-Palisander zeigt Parallelogram Inlays. Die gab es so bei der 335 natürlich nicht, klassisch zur Thinline gehörig bleiben sie dennoch. Der mittelstarke, tendenziell hohe Bunddraht (9662), wiederum perfekt eingesetzt und abgeglichen, stammt wie schon zuvor von Wagner. Die mit 17° abgewinkelte Kopfplatte ist mit traditionell anmutenden SD 90 Tunern von Gotoh ausgestattet. Der Sattel aus Knochen, sauber bearbeitet, klar! Die Bridge mit Patina kommt auch bei diesem Modell von ABM.

Schwarz St.Helens Cardinal
Nah am Original: die Schwarz Custom-Kopfplatten (Bild: Dieter Stork)

Die Elektrik der Cardinal umfasst ein in leicht patinierte Kappen montiertes HB59 Set mit Alnico-3-Magneten von Andreas Kloppmann, dabei handelt es sich um PAF-Replika-Humbucker. Geschaltet und verwaltet wird natürlich nach traditioneller Art (Technik: Switchcraft Switch, gematchte Pots, Old Stock Sprague Bumble Bees).

Bleibt noch das 5-ply Vintage Style Pickguard zu erwähnen.

tradition und optimierung

Das Problem ist natürlich wieder einmal, zwei doch recht unterschiedlich konstruierte Instrumente in einem zusammenfassenden Bogen zu beschreiben. Nicht ganz Äpfel und Birnen, aber doch mindestens Boskop und Renette. Nun gut: versuchen wir’s halt!

Die St. Helens liegt mit knapp 4 kg im grünen Bereich, was das Gewicht von Les Paul-Typen angeht. Das rundliche 50s Halsprofil spielt sich dank der tollen Bundierung großartig und mit den ersten Akkorden wissen wir auch schon, dass wir uns in der definitiven High-End-Kategorie bewegen. Stramm und geschlossen im Akkordbild, ungemein vital im Ausdruck und mit einem Timbre gesegnet, das scheints Anleihen bei der goldenen Decke macht, marschieren wir in Sachen Tonverhalten und Schwingintensität ganz nach oben durch, lassen Heerscharen gemeiner Les Pauls und deren Epigonen weit hinter uns, quasi „Sitting on Top of the Hill“. Die Auslegung dieser St. Helens entspricht dem mitt-50er LP-Stil und die SB52 Soapbar-Pickups von Kloppmann setzen das erwartete Klangbild mit farbstarkem Charakter in Szene.

Clean: Recht laut, breit aufgelöst und mit schöner Separation der Stimmen erscheinen Akkorde in allen Schaltstufen. Knackige Basstonentfaltung, prägnante Mitten und tendenziell weiche, wohl gerundete Höhen bestimmen den Ausdruck. Damit lassen sich harmonisch stimmige Akkorde und luftig perlende Linien plastisch ins Bild setzen.

Overdrive: In der Zerrabteilung sind erfreulich differenzierte, dynamisch bestens steuerbare Sounds zu erzielen. Bei Bedarf mit machtvollem Growl und wunderbar knurrigem Charme über den Hals-Pickup, oder auch als durchsetzungsfähiges Brett über den Kollegen am Steg. Was nun nicht heißen soll, dass im Bereich der Zwischentöne, der delikaten Differenzierung nicht auch Gold zu schöpfen wäre. Im Gegenteil: die besten Ergebnisse habe ich mit leicht zurückgenommenen Reglern erzielt, wunderbar lassen sich auch in der Mittelstellung die Farben mischen. Einfach famos ist die Möglichkeit, den Ton in Zerre mit dem Plektrum zu gestalten, ihm Farbe, weichen Ausdruck oder auch kernigen Aufriss zu geben.

Grundsätzlich ist die klare Kontur in der Tontextur zu loben, welche von einem inneren Draht geprägt wird, den samtige Obertonfarben umspielen. Jetzt aber mal nicht zu poetisch werden, denn mit der St. Helens ist über diese Pickups auch ordentlich Rumor zu machen: prägnant, durchsetzungsstark, straight into the face. Sehr schön kommen dann auch wieder die Sounds aus der nur leicht angezerrten Crunch-Abteilung. Ein leicht knurriger, von Holz getränkter Ton prägt dabei in allen Positionen den Charakter. Kurz: die St. Helens bietet einen ausgesprochen charaktervollen Ton von authentischem Vintage Charme.

Mit der Cardinal haben wir dann ein angenehm leichtgewichtiges Thinline-Modell am Gurt (ca. 3,3 kg). Das spiegelt sich sofort auch in einem luftig perkussiven Ton, der gutwillig, laut und schnell vom Griffbrett springt. Eine Resonanz- und Reflexstärke, die sofort gefangen nimmt erscheint hier kombiniert mit einem silbrig hell aufleuchtenden Glockenton, der seinesgleichen sucht. Strahlende Akkorde, stimmlich höchst harmonisch aufgelöst, treffen auf Einzelnoten und Linien, die von markantem Attack konturiert starke Farbe und ausgeprägten Charakter aufweisen. Was schon akustisch so vital rüberkommt, zeigt dann elektrisch erst recht große Potenz.

Schwarz St.Helens Cardinal
Klangstarke Kloppmann-Pickups (Bild: Dieter Stork)

Mit ihren Kloppmann-Pickups setzt die Cardinal tendenziell klassische PAF-Sounds in Szene, die in dieser Qualität nicht leicht zu haben sind. Seidig rund in den Höhen, markant in den Mitten und mit fester Artikulation im bestens definierten Bassbereich rollen Akkorde aus den Speakern. Die perkussiv akzentuierte und schnelle Umsetzung jeder musikalischen Aktion mit leicht holziger Unternote ist schon bei klar eingestelltem Verstärker ein Gedicht, baut sich im Overdrive dann aber zu geradezu wollüstigem Genuss aus. Extrem feinfühlig lassen sich Noten delikat artikulieren, dynamisch in ihrem Ausdruck und ihrer Tonfarbe gestalten – großartig! Aber auch im Genre Classic Rock etwa ist mit federnden Powerchords und kraftvoll perlenden Linien über den Steg-Pickup einfach Tonkultur par excellence zu erzielen. Wie gesagt: der klassische Ton ist hier Thema.

Das führt uns zu einer kleinen kalkulierten Einschränkung: Die Kloppmann-Pickups klingen groß, sind aber nicht unbedingt die richtige Wahl für metallische Spielweisen. So willig und balsamierend sich diese ihnen eigene ungemein seidige Struktur und brillante Klangauflösung dem Spieler in vielerlei Hinsicht auch öffnet, in offensiveren High-Gain-Positionen, vor allem aber mit vorgeschalteten Pedalen neigen sie dann doch zum Pfeifen. Andreas Kloppmann hat auf das Wachsen dieser PUs verzichtet, um ihnen auch noch das letzte Quäntchen an offenen Höhen und klangfarblicher Delikatesse abzugewinnen, aber das ist dann eben nichts mehr für den Extrembereich. Löblich, klanglich so explizit zu sein. Wer das harte Brett fährt, sollte einfach in Wachs getauchte Humbucker verwenden.

Vergessen wir am Ende nicht das großartige Spielgefühl, vermittelt durch diesen ebenfalls kraftvoll rundlich gestalteten Hals. Ein idealtypischer Zuschnitt mit perfekt gemachter Bundierung, der famose Handhabung mit Ton bildender Substanz in Verbindung zu bringen vermag.

Schwarz St.Helens Cardinal
Klangstarke Kloppmann-Pickups (Bild: Dieter Stork)

resümee

Erstaunlich, wie alten, bewährten Konzepten durch handwerkliche Verfeinerung immer wieder noch solch ein Potential abzugewinnen ist. Gerhard Schwarz ist ein Meister der Vervollkommnung, der Optimierung. Nimmt man seine Instrumente in die Hand, blitzt der Gedanke auf: ach, so kann das klingen, so ist das eigentlich gemeint! Will sagen, er versteht es, Sounds derart auf den Punkt zu ziehen, dass sie uns eine innerlich gehegte Ahnung erfüllen, oder, nur Wenigen bekannt, die Annäherung an jene seltenen Originale schaffen, die das Ideal des E-Gitarren-Sounds in den 50er-Jahren bleibend geprägt haben.

Gerhards Kunstfertigkeit wird nicht zuletzt dadurch offenbar, dass beide Instrumente – ihrer unterschiedlichen Konstruktion zum Trotz – gleichermaßen diese immense Strahlkraft und Farbintensität aufweisen. Keine Alchemie, mit deren Hilfe hier das blanke Gold des historisch geprägten idealen E-Gitarren-Sounds gefunden wurde, sondern analytischer Sachverstand und handwerkliche Finesse, welche solch exzellente Ergebnisse zeitigen. Die richtigen Ingredienzien, wie klangförderliche Hardware und die starken Pickups von Andreas Kloppmann sorgen für die Umsetzung in den authentischen Ton und die allgemein starke Performance dieser fabelhaften klassischen E-Gitarren. Wir sind beeindruckt!

Schwarz St.Helens Cardinal

Schwarz St.Helens Cardinal

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(erschienen in Gitarre & Bass 11/2017)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Was soll an diesen Schwarz Gitarren so toll sein? Eine Standard Gibson tuts auch; verfeinert mit einem Knochensattel, Push Pull Potis für Humbucker / Singlecoil / Out of phase, und wenn die Bünde angespielt sind , einer Edelstahl Bundierung: Das ist die ultimative Gitarre! Der Rest kommt aus den Fingern, nicht aus exotischen Hölzern und Esoterik!

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    1. Lieber Uwe – bei unseren Tests versuchen wir weitestgehend auf Esoterik zu verzichten 😉 Stattdessen geben wir unseren erfahrenen Testern das Instrument in die Hand. Wenn das Instrument überzeugt – wie es hier der Fall ist – wird dies schriftlich festgehalten. Natürlich ist der subjektive Aspekt aus einem solchen Test nicht ganz wegzukriegen. Vielleicht hast du ja mal selbst die Gelegenheit eine Schwarz-Gitarre anzuspielen und eventuelle Unterschiede zum Gibson-Klang festzustellen. Beste Grüße aus der Redaktion!

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      1. Lieber Uwe,
        ich kenne beide Schwarz Gitarren, die getestet wurden und bei Resident Guitars in Mannheim anspielbar waren. Beides sind wirklich außergewöhnliche Instrumente. Ich kann bestätigen, dass Andreas Kloppmann die Pickups exakt auf den Charakter der Instrumente abgestimmt hat und die Verarbeitung der Gitarren von Gerhard Schwarz hervorragend ist. Der Testbericht spiegelt dies sehr gut wider, meine ich. Andreas Kloppmann und Gerhard Schwarz sind eher nicht als Esoterik- Mojo Freaks in der Szene bekannt. Esoterik brauchen die nicht. Stattdessen studieren und analysieren beide die originalen Vorbilder aus den Fifties akribisch genau und schaffen es, die Feinheiten herauszuarbeiten und klanglich die richtigen Akzente für das jeweilige Instrument zu betonen. Natürlich bestimmen die Finger den Hauptanteil des Sounds, aber gut abgelagerte Hölzer und perfekt verarbeitete Komponenten tun ihren Teil zur Resonanz und Tontrennung des Instruments dazu. Den Unterschied zwischen “gut” und “grandios” realisiert man aber erst, wenn man lang genug geübt und die “richtigen Finger” für den eigenen Ton entwickelt hat. Das ist wie mit einem Rotwein: Wenn Du jung bist, schmecken alle gleich. Erst nach einigen Jahren des Ausprobierens (und vielen Flaschen) entfalten sich die feinen Unterschiede auf der Zunge und man erschmeckt das Außergewöhnliche.
        Ich finde es toll, dass die deutsche Instrumentenbaukunst hier mal richtig ihr Können gezeigt hat und die amerikanischen Vorbilder noch optimieren konnte. Hochachtung! Gerne mehr Berichte aus der aufstrebenden deutschen Gitarrenbauszene!

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  2. Genau, Eugen. Ich finde es gar nicht schlecht,daß sich so mancher Gitarrenbauer, hier zu Lande, sich was einfallen lässt und den Großen auch mal zeigt wie der Humbucker klingen kann.

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  3. Ich bin Besitzer einer St. Helens Summit (hier mit Amber Humbucher PU´S) und kann nur sagen, dass es einige Zeit gedauert hat bis ich wirklich verstanden habe, was immer das Gerede um den “alten Ton” bedeutet! Diese Gitarre fordert meine Fähigkeiten und transportiert wie kein anderes meiner Instrumente, meine Gefühlslage, zum Ohr!
    Sie kann über die Verwendung der Regler einen so weiten Bogen, zwischen Paula & Tele, spannen, echt verrückt! Bin mit jedem neuen Tag wieder glücklich so ein wundervolles Stück Paula zu besitzen!

    Danke Herr Schwarz

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    1. Vielen Dank, das freut mich sehr zu lesen. Weiterhin viel Spaß mit dem Instrument.

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    2. Lieber Norbert, ich möchte dir gerne beipflichten. Ich hatte mehrfach die Gelegenheit Gitarren von Schwarz spielen zu dürfen. Das sind exzellente Instrumente, die auf höchsten Niveau hergestellt werden. Leider bin ich noch nicht in den Besitz eines Instrumentes. Vielleicht sollte ich eine meiner CCs verkaufen….;)

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