Reportage aus Markneukirchen

GuitCon: Das weltweite Spitzentreffer der Gear-YouTuber

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GuitCon Filmklappe

So ganz genau wussten wir nicht, was uns in den Hallen von Framus & Warwick in Markneukirchen erwarten würde, als man uns zu der dort stattfindenden GuitCon eingeladen hatte. Eine weitere Gear-Messe? Ein YouTuber-Event? Eine reine Promo-Aktion? Die Wahrheit lag, mal wieder, irgendwo dazwischen. Und dann auch irgendwie nicht.

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Die Reise in das an der tschechischen Grenze gelegene Markneukirchen, wo Framus & Warwick eine der modernsten Instrumentenfabriken errichtet hat, ist bereits ein Abenteuer für sich. Während man durch die kleinen Ortschaften fährt, deutet nichts auf das eigentliche Ziel hin. Bis man dann eine kleine Abbiegung in das Industriegebiet nimmt. Obwohl das Unternehmen bereits seit 1995 an diesem Standort verweilt, macht das weitläufige Areal einen nagelneuen Eindruck – die beiden Veranstaltungsräume wurden 2007 (Concert Hall) bzw. 2014 (die kleinere Music Hall) errichtet.

Da die Fahrt aus Köln sich ziemlich gezogen hat, sind wir erst am späten Mittag vor Ort. Menschenmassen oder Wegweiser zur GuitCon gibt es nicht. Nach einigem Hin und Her findet man sich dann doch in der Concert Hall ein. Vorbei an geplünderten Snack-Büffets und leeren Kaffeemaschinen, betritt man den schönen Saal, der auf den ersten Blick an eine normale Gitarren-Messe erinnert. 16 Aussteller haben sich hier eingefunden, ihre Stände aufgebaut und die Instrumente präsentiert. Nur – Besucher gibt es keine. Stattdessen tummeln sich rund 50 Personen in dem riesigen Raum und hetzen scheinbar planlos durch die Gegend. Und erst langsam wird uns klar, was hier eigentlich geschieht. Doch der Reihe nach.

Wer hats erfunden?

Die Idee zur GuitCon kommt maßgeblich von dem deutschen YouTuber Henning Pauly, besser bekannt als EytschPi42. Mit knapp 55.000 Abonnenten zählt er hierzulande mit seinem englischsprachigen Kanal zu einem der größten Vertreter seiner Zunft, wenn es um Musikinstrumente geht. „Es ist die Anti-Messe“, erklärt uns Henning im Interview vor Ort. „Messen sind für uns YouTuber aufgrund der schlechten Licht- und Lautstärkebedingungen ziemlich ungeeignet, um gute Inhalte aufzunehmen. Es fehlt auch einfach die Zeit, Beziehungen aufzubauen. Die Menschen wissen eine Woche später nicht mehr, wer ich war. Auch wenn ich ihnen meine Karte in die Hand gedrückt habe. Für neues Gear und den Business-Aspekt halte ich Veranstaltungen wie die NAMM, die Messe Frankfurt oder den Guitar Summit weiterhin für sehr wichtig – damit wir uns da nicht falsch verstehen. Für YouTuber sind sie bisher aber einfach nicht besonders ideal.“ Dass die GuitCon auf fünf Tage ausgelegt ist, habe auch seine Gründe, so der Veranstalter. Hier würden aus Firmenchefs Kumpels, für die man gerne mal einen Gefallen täte. Aber auch für die YouTuber untereinander sei die Zeit extrem wichtig, um sich mal richtig kennenzulernen. „Wir lernen voreinander und wachsen als Community zusammen.“ In gewisser Weise sei die GuitCon ein Gegenentwurf zum Warwick Bass-Camp, bei dem sich die entsprechenden Musiker eher untereinander treffen, ohne großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit zu legen. „Jeder der hier ist, macht Instagram, SnapChat, Twitter – all die neumodischen Sachen, die die Kinder von heute machen. Und genau darum geht es hier. Wir arbeiten ausschließlich nach außen“, erläutert Henning weiter. Wichtig sei es auch, dass man den Unternehmen hier die Chance anbiete, den anwesenden YouTubern ein Instrument vorzusetzen, welches sie sonst vielleicht niemals in die Hand bekommen würden.

Was geschieht hier eigentlich genau?

Bevor wir EytschPi42 vor das Mikrofon gezerrt haben, hieß es erstmal – Orientierung finden. Zum Glück lief uns da die junge YouTuberin Jennifer James über den Weg, die uns einen GuitCon Crashkurs verpasste. „Das coole hier ist, dass sich die YouTuber und die Brands unmittelbar begegnen. Wenn Interesse an einem ausgestellten Produkt besteht, kann man sich einfach für einen der vier Video-Räume eintragen und dort seine Idee umsetzen. So kommt diese kleine Szene direkt mit den Herstellern aber auch untereinander ins Gespräch.“ Und tatsächlich – bei unserem kleinen Rundgang sehen wir in einem der Videoräume Bon Jovis Leadgitarristen Phil X zusammen mit dem YouTuber Robert Baker mit sichtlichem Spaß an der Sache abrocken. „Tief in uns allen sind wir Nerds“, erzählt uns der gut gelaunte Flitzefinger später. „Und das ist genau das was wir hier machen – Gitarren-Nerds, die zusammen abhängen. Ich selbst promote hier mein eigenes Framus-Modell [Titelbild der diesjährigen G&B-März-Ausgabe, Anm. d. Redaktion]. Es wird viel gequatscht und nach dem Abendessen auch ausführlich gejamt.“ Nach anfänglichem Zögern scheinen die Beteiligten zueinander gefunden zu haben. Der an einer Wand hängende ‚Stundenplan‘, bei dem man Slots für die Video-Räume belegen kann, ist Mittwochabend bereits bis Freitag prall gefüllt. Die Video-Themen kommen oftmals spontan vor Ort zustande. Glenn Flicker, den man von seinen unterhaltsam-wütenden Videos mit einer augenzwinkernden Abneigung gegenüber Bassisten kennt, erklärt uns später bei einem ‚Woißbeer‘: „Man sieht ein interessantes Instrument und spricht darüber. Hier haben wir zusätzlich die Möglichkeiten die Entwickler mit in das Video zu holen und sie ihr Produkt dort erklären zu lassen – das ist schon ziemlich praktisch.“ Diese besagten Entwickler vor Ort sind übrigens Namen wie Robert Keeley von Keeley Electronics oder Tore Lynggaard Mogensen von TC Electronics.

Bei diesen Gästen ist es also kein Wunder, dass man sich nach dem Ende der täglichen Drehzeit zusammen in die kleinere Music Hall begibt, um sich nach dem gemeinsamen Abendessen per Livestream über Gitarrenpedale auszutauschen. Das Ganze geschieht in einer sehr lockeren und entspannten Atmosphäre, bei der auch mal heißere Eisen angepackt werden. So wird über die Behauptung diskutiert, ob Effektpedale überhaupt noch innovativ sein können, oder was die Vor- und Nachteile von Analog gegenüber Digital und umgekehrt sind. Anschließend wird die Bühne für Live-Musik geräumt, bei der Phil X nochmals deutlich zeigt, was für ein unverschämt guter und grundentspannter Gitarrist er ist. Mit wechselnden Mitmusikern jamt er sich spielend und singend durch den bierlastigen Abend.

Und was sagen die Aussteller?

Am nächsten Morgen sind die Meisten jedoch wieder pünktlich vor Ort, um einen neuen Tag voller Drehs einzuläuten. Wir nutzten diese Gelegenheit, um auch mal die angereisten Firmen zu Wort kommen zu lassen. Diese mussten nämlich einiges investieren, um präsent sein zu dürfen. Und das ohne Garantie, dass ihre Produkte es auch in die Videos der YouTuber schaffen. Eingefunden hat sich ein vielfältiger Mix aus großen Namen á la Ibanez, Hughes & Kettner oder Paul Reed Smith und kleineren Ausstellern wie Macmull Custom Guitars aus Israel und Universum Guitars aus der Ukraine. „Henning ist ein guter Freund und hat uns persönlich eingeladen – so fing das an“, erzählt der Macmull-Abgesandte. „Hier schwirren so viele YouTuber durch die Gegend – jeder von ihnen kann sich unsere Gitarre schnappen uns sie ausprobieren. Normalerweise hätten wir sie jedem einzelnen schicken müssen, was einfach unmöglich ist. Das Internet ist heutzutage einfach wichtig für das Marketing. Die Tage, an denen man einen Gitarrenhelden gesehen hat und in den Laden gerannt ist, um sich sein Modell zu kaufen, sind vorbei. Andererseits sind professionelle Print-Magazine nach wie vor unglaublich wichtig für Unternehmen wie das Unsere, da unsere Kunden in der Regel etwas älter sind und sich nicht für YouTuber interessieren.“

Musikhaus Thomann hat eine kleine Auswahl an Harley Benton Modellen im niedrigen Preisbereich mitgebracht, damit auch dieser Marktbereich abgedeckt wird. „Es entstehen wirklich coole Kooperationen zwischen den YouTubern, Hennings Idee scheint also aufzugehen. Sie kommen vorbei und schauen sich die Sachen an oder man kommt bei einem Kaffee ins Gespräch und daraus ergibt sich dann was“, so Simeon Esken von Thomann. Eine Alternative für herkömmliche Messen sei das Ganze aber nicht. „Das nicht, jedoch eine gute Ergänzung. Diese ‚Hands-On‘-Erfahrung für den Endkunden fehlt sonst oftmals.“

Auch die Ukrainer von Universum Guitars wurden von Henning eingeladen und sich gleich mit dem Auto auf den langen Weg nach Markneukirchen gemacht. Als junges Unternehmen seien YouTuber besonders wichtig, um Bekanntheit zu erlangen. Auf die Frage, wie viele Videos sie bereits gedreht haben, zeigt man sich jedoch etwas zerknirscht. „Nicht so viele von denen zeigen Interesse. Sie stürzen sich auf bekannte Produkte, was ich für einen Fehler halte. Einzigartige Instrumente sollten für die Leute da draußen doch eigentlich interessanter sein.“

Welche Rolle YouTube für die Musikindustrie der Zukunft also spielen wird, muss sich erst noch zeigen. Fest steht, dass interessante und experimentierfreudige Vorstöße wie die GuitCon von den meisten Beteiligten positiv aufgenommen und bewertet werden. Die dort entstandenen Beiträge haben zur Zeit eine Reichweite von rund einer halben Million Views erzeugt. Und damit drücken wir die Daumen für das nächste Jahr: 2018 GuitCon, 8 bis 12 Oktober.

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