Während Sting mit seinem aktuellen Album den Pop wiederentdeckt, bleibt Ex-Kollege Summers seinem Weg treu. Mit ‚Triboluminescene‘ stellt er ein Instrumentalwerk vor, dessen Stücke oft so kryptisch klingen wie ihre Überschrift. Ausdruck eines komplexen Musikers und eigenwilligen Charakters.
Zwischen den Polen Jazz, Avantgarde, und Weltmusik changieren Summers Stücke, klanglich spannend, konzeptionell anspruchsvoll, mitunter auch schwer verdaulich. Neun neue Nummern mit zum Teil epischer Länge entstanden in den vergangenen zwölf Monaten in seinem Studio in Los Angeles, im Alleingang eingespielt und produziert. Sprechen wir mit ihm darüber.
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Interview
Andy, das Album wirkt wie ein Konzeptwerk. Womit hast du dich zuletzt beschäftigt?
Andy Summers: Das Album ist das Resultat meiner immerwährenden Auseinandersetzung mit Musik. Ich habe nie konkrete Vorstellungen, aber letztlich ist alles ein Resultat vieler Jahre. Ich bediene mich aus vielen Quellen, versuche neues Territorium zu erforschen. Ich versuche, nach mir zu klingen und ausgetretene Pfade zu meiden. Meine eigene Musik ist nicht kommerziell, nicht allgemein zugänglich und lässt sich nicht in Schubladen stecken. Das ist mein Weg. Und die elektrische Gitarre ist mein Werkzeug um neue Sounds, Strukturen und Klänge zu finden, die andere noch nicht gefunden haben.
Entwickelt ein Sound eine Song-Idee, oder verlangt eine Idee einen bestimmten Sound?
Andy Summers: Es funktioniert beides für mich. Aktuell habe ich zunächst nach exotischen, seltsamen und ungewöhnlichen Sounds gesucht, die ich mit verrückten Kombinationen von Effektgeräten produziere. Ich bin gerade sehr Schall-affin.
Was für Effekte hast du benutzt?
Andy Summers: Aktuell mag ich das Rotobone Boost/Fuzz von Paul Trombetta Design, auch das TC Electronic Dark Matter Distortion habe ich viel benutzt. Dann das MWFX Judder, ein unglaublich vielseitiges Modulationseffektgerät und das Catalinbread Belle Epoch Delay. Sogar mein Roland VG-99- System habe ich mal wieder rausgeholt, das hat ein paar Sounds an Bord, die ich wirklich mag. Also wie immer: Eine Million Effektgeräte, und die stöpsle ich wild zusammen.
Wie sieht es mit Amps aus?
Andy Summers: Wenn ich Amps benutzt habe, dann einen von den drei: 1959er Fender Pro Reverb, Carr Mercury Amp für bestimmte verzerrte Sounds und meinen alten Mesa/Boogie Mark II-C für Clean-Sounds. Doch meist habe ich den Fractal AX8 Amp/FX-Modeler benutzt. Der ist so gut und komfortabel, dass er die Arbeit unheimlich erleichtert. Dass das natürlich eine Form von Bequemlichkeit ist, weiß ich. Aber die Sounds sind inzwischen wirklich gut, das muss man neidvoll anerkennen. Da sitzt du vor der Kiste und denkst: Oh Mann, ein Vox AC30 von 1969! Warum nicht mal wieder der? Und dann ist halt alles da! Und dann exportierst du das Signal ohne Rauschen direkt ins Pro Tools. Klar, es gibt Leute die noch immer davon besessen sind, Amps und Boxen zu kombinieren, zu mikrofonieren und abzuhören. Aber mein Streben gilt der Musik. Nicht dem Equipment.
Welche Gitarren kamen zum Einsatz? Du hast ja eine stattliche Kollektion: eine 1961er Fiesta Red Stratocaster, eine 1958er ES-335, eine 1963er ES- 175, eine 1957er Les Paul Goldtop …
Andy Summers: Ich habe da keine Not, ich weiß! (schmunzelt) Seit einiger Zeit spiele ich aber nur noch meine Fiesta Red Stratocaster, die mir die Jungs von Fender 2007 gebaut haben. Die klingt klasse und ist unglaublich einfach bespielbar. Das ist mein Arbeitstier. Wenn ich mal einen fetteren Sound brauchte, nahm ich meine Gibson Les Paul.
Das Titelstück klingt wie komplett über einen Backing-Track improvisiert. Du hast dich mal wieder recht intensiv mit Jim Hall und Wes Montgomery auseinandergesetzt.
Andy Summers: Das ist ein langes Solo, fast acht Minuten. Ich hab drüber nachgedacht es zu editieren, hab‘s dann aber nicht übers Herz gebracht. Warum auch? Es zeigt tolles Spiel und hohe Musikalität. Ich habe Phrasierungen gespielt, die die meisten Leute nicht verstehen werden, aber das ist eine andere Geschichte. Ich hab versucht, ein Stück auszuarbeiten, das auf der traditionellen balinesischen Gamelan-Musik basiert, die ich wundervoll finde. Der Ethno-Groove der dieses Stück vorantreibt ist sehr stark. Darüber zu improvisieren hat unglaublichen Spaß gemacht. Das Solo ist ein Take.
Früher hast du sehr dicke Pleks gespielt, (2 mm Dunlop), heute zupfst du mit den Fingern …
Andy Summers: Nun, nimm mal das Solo von ,Triboluminesence‘: Das ist durchgängig mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger gezupft. Ich bin mittlerweile recht flott unterwegs. So sind die Finger direkt im Kontakt mit den Saiten, das fühlt sich für mich einfach besser an. Ich habe mich intensiv mit klassischer Musik auseinandergesetzt und lange nur Techniken für die Zupfhand geübt. Die rechte Hand ist alles. Die linke nichts.
Vor genau 40 Jahren, im Januar 1977, gründeten Sting, Stewart Copeland und dein Vorgänger Henry Padovani The Police. Hast du einen Gedanken daran verschwendet?
Andy Summers: Nicht wirklich. Nun, ich erinnere mich immerhin dran.
Ist für dich ein neues Police-Album denkbar? Du sagtest mal sinngemäß: „Wenn sie nett zu mir sind und mir genug Geld zahlen, würde ich darüber nachdenken.“
Andy Summers: Das habe ich gesagt, stimmt. Diese Frage ist naiv und trotzdem wird sie mir immer wieder gestellt. Denkt doch mal nach: Es geht um Geld, Politik, Macht, eine komplexe Historie – das ist kompliziert! Die Leute da draußen denken, nur weil wir am Anfang unserer Karriere ein paar Hits hatten, müssten wir sie den Rest unseres Lebens spielen. Das ist lächerlich! Musiker verändern sich, werden erwachsen, werden besser in ihrer Kunst. Wenn die Fans das nicht kapieren – schade.