ESP hat das Angebot seiner „Made in USA“-Gitarren aufgestockt. Man kann jetzt aus acht Grundmodellen wählen, weitere Optionen sind das Deckenholz, die Farbe, hochglanz oder matt, EMG- oder Duncan-PUs. Auf der amerikanischen ESP-Website kann sich der Interessent seine in Kalifornien handgebaute Traumgitarre schon mal nach optischen Gesichtpunkten und Ausstattungsdetails aussuchen. Feine Sache.
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Den Kontakt zur Auserkorenen, die übrigens dort mitsamt Seriennummer aufgeführt ist, erhält man über einen jeweils unter dem Galleriefoto platzierten Link zum Vertrieb oder Händler, bestenfalls handelt es sich sogar um einen heimischen. Auch unsere beiden Schönheiten findet/fand man auf besagter Homepage. Bei Erscheinen dieses Test dürften sie allerdings schon bei einem Einzelhändler oder gar Endkunden gelandet sein. Die ESP-USA-Modelle kommen in mit cremefarbenem Tolex überzogen G&G-Koffern mit passgenauen Inlets. Während des Transports schützt eine transparente Kunststoffeinlage die Bünde vor eventuellen Einkerbungen durch die Saiten.
konstruktion
Bereits die erste Inaugenscheinnahme lässt den außerordentlich hohen Verarbeitungsstandard der beiden ESP-Gitarren erkennen. Dies betrifft Finishes, Bünde, Sattelabrichtung, die Passgenauigkeit der Halsaufnahme, selbst kleinste Details und nicht zuletzt das gesamte Setup. Wer 9-42er Saiten spielt (ab Werk sind D‘Addario NYXLs aufgezogen) kann also direkt „out of the box“ loslegen. Den im Rippenbereich und in den unteren Cutaways großzügig geshapten Mahagoni-Bodies hat ESP ca. 4mm dicke Riegelahorndecken spendiert und anstelle von Bindings deren Kanten naturfarben überlackiert.
Eine Besonderheit stellt das tief in die Zarge eingelassene Strat-Buchsenblech dar, in das der Klinkenstecker seitlich von rechts eingeführt und größtenteils vom Korpusrand geschützt wird. So lässt sich das Kabel ohne Knick prima zwischen Gurt und Zarge sichern und auf dem Gitarrenständer stört der Stecker auch nicht. Als Gurtknöpfe dienen Schaller Security Locks, deren Gegenstücke selbstverständlich zum Lieferumfang zählen.
Die Hälse aus Quartersawn Maple (stehende Jahresringe) – auch das aufgesetzte Griffbrett der M-III besteht daraus – werden dank ihrer strammen Aufnahmefräsungen unverrückbar in Position gehalten. Vier Holzschrauben und ein Konterblech garantieren optimalen Halt und die penibel geglätteten Kontaktflächen beste Schwingungsübertragung. Um den Zugang zu den höchsten Lagen komfortabler zu gestalten, hat man die Übergänge rückseitig abgeschrägt und facettiert.
Mittels einer ins Griffbrettende eingearbeiteten Lochscheibe lässt sich die Halskrümmung jederzeit bequem justieren. 24 Xtra-Jumbobünde, ausnahmslos perfekt eingesetzt, abgerichtet, verrundet und poliert, bevölkern die Spielfläche, während bunt schimmernde Abalone-Punkte und schwarze bzw. weiße Sidedots die Lagen und ein ESPUSA-Inlay aus Perlmutt und Abalone den 12. Bund markieren. Bei der M-II dient ein optimal ausgerichteter FR-Lock-Nut mit Stringbar als Sattel, der M-III wurde ein vorzüglich aus- und abgerichteter Knochensattel spendiert. Sowohl deren Sperzel Trim Lok als auch die Sperzel Solid Pro Tuner der M-III gestatten geschmeidiges präzises Stimmen. Beide Tuner-Sets besitzen kurze Wellen, sodass man bei der MIII auf einen Saitenniederhalter verzichten konnte.
Analog zu Knochensattel und Locking Tunern kommt die USA M-III mit einem an zwei Punkten „free floating“ aufgehängten Gotoh EV510S-FE Vibrato mit Stahlreitern und Steckhebel, dessen Gängigkeit sich per Teflonmanschette und Madenschraube variieren lässt. Das original Floyd Rose Vibrato der M-II hat man indes in seiner Unterfräsung so tief eingelassen, dass die Oberkante des Basisblechs exakt auf Deckenhöhe liegt. Dennoch gibt es genügend Spiel für ausufernde Up-Bendings. Die aktiven EMG85X und 81X-Humbucker der M-II werden per Dreiwegschalter, Master-Volume und Master-Tone kontrolliert. Drei Klangvarianten mehr bietet die M-III mit ihrem Seymour-Duncan-HSS-Trio, bestehend aus Classic-Stack-Strat-Singlecoils und Saturday-Night-Steg-Humbucker, Fünfwegschalter, Master-Volume und Master-Tone. Die Pull-Position des Tone-Potis deaktiviert die Stegspule des Humbuckers.
praxis
Hinsichtlich der Ergonomie zeigen sich die beiden von ihrer Schokoladenseite: Perfekt ausgewogen am Gurt und auf dem Bein, sehr komfortables, nicht zu flaches Halsprofil mit satinierter griffiger Oberfläche, barrierefreies Bespielen der höchsten Lagen, allerhöchster Tragekomfort. Während das Floyd-Rose-Vibrato in bewährter Manier und absolut verstimmungsfrei arbeitet, überzeugt auch das Gotoh-Vibrato mit tadelloser Funktion und gibt sich bei praxisgerechter Nutzung jenseits von Dive Bombs und Co. überraschend stimmstabil.
Beide ESP USA M-Modelle geben sich äußerst resonanzfreudig. Die Bodies und Hälse schwingen nach jedem Saitenanschlag intensiv und gleichmäßig und die Saiten extrem langsam und kontinuierlich aus. Auch in puncto Ansprache und Tonentfaltung rangieren beide auf Top-Niveau und überzeugen mit Spritzigkeit und exzellenter Dynamik. Wenngleich sich beide klanglich wunderbar ausgewogen präsentieren, zeigt jede ihren eigenen tonalen Charakter. So kommt die M-III einen Hauch obertonreicher daher, klingt aber dennoch kompakter und erdiger, nicht ganz so prägnant in den Bässen, liefert dafür aber etwas dominantere Mitten als die M-II. Selbige tönt hingegen etwas breiter, hält satte Bässe, wärmere Mitten und samtige Höhen bereit, erscheint insgesamt eleganter und glanzvoller und zeigt auch eine etwas präzisere Saitentrennung. Soweit die Eindrücke fern vom Verstärker.
Wer von der M-III Vintage-Strat-Sounds erwartet hatte, wird enttäuscht sein. Mit „Modern Strat“ lässt sich das tonale Ergebnis schon eher beschreiben, besitzen die Seymour Duncan Classic Stack Plus Einspuler schlichtweg nicht die Tiefe und Wärme alter Singlecoils. Zumindest nicht auf einer Gitarre mit Mahagonikorpus, Ahorndecke und einem gut 2 cm in Richtung Steg verschobenen Hals-Pickup. Da ist die Verlagerung des mittleren Einspulers von 8 mm schon fast vernachlässigbar. Nun ja, gestackte Singlecoils, also mit zwei übereinander angeordneten Spulen, deren Interaktion das typische Brummen eliminieren, sind ja keineswegs neu. Meist hapert es jedoch an der Authentizität ihres Sounds, sofern sie diesen überhaupt anstreben.
Die Classic Stack Plus – der Mittlere ist übrigens ein RW/RP-Typ – eliminieren selbst am intensiv zerrenden Amp jegliches Einstreubrummen, klingen sehr differenziert, glockig und klar, aber auch schlanker und weniger fett als ein Vintage-Singlecoil. Den gleichen Eindruck hinterlässt die Kombi mit dem Mittel-Pickup, auch wenn die gleichermaßen geschmack- wie charaktervoll näselt. Da trifft der Saturday Night Special Steg-Humbucker des Gitarristen Vintage-Nerv schon besser, auch wenn er sich klanglich an den Gibson T-Top-Humbuckern der späten 60er und frühen 70er orientiert.
Witzig (oder eher nicht) ist allerdings, dass dieser bei Zerrsounds, in der Kombi mit dem Mittel-Pickup und natürlich im Split Mode deutliches Brummen produziert. Im Clean-Betrieb klingt er ausgewogen, knackig, klar, differenziert und sehr dynamisch, der Coil Split verleiht ihm einen gewissen Tele-Twang. Durch die, verglichen mit Vintage-Pickups, recht hohen Outputs der Duncans klingen sie am zerrfreien Amp klar, luftig und brillant, legen bei Overdrive-Sounds ordentlich Mitten und Biss drauf und zeigen hohes Durchsetzungsvermögen, allerbeste Dynamik und Sustain vom Feinsten.
Ebenso dynamisch wie die M-III auf jede Nuance des Spiels reagiert, findet auch die Interaktion mit den Potis statt. So ermöglicht der Volume-Regler feine Gain-Abstufungen, während Tone dem Gesamtsound durch Zurückdrehen Wärme verleiht. Mit ihrem leistungsstarken aktiven EMG 85X/81X-Pärchen scheint die ESP USA MII auf den ersten Blick eine andere Klientel bedienen zu wollen, obgleich auch glockenklare Clean- und differenzierte Crunchsounds zu ihrem Repertoire zählen.
Die in die geschlossenen Pickups integrierten X Series Preamps erlauben dem Spieler mehr dynamische Kontrolle. Dank des erhöhten Headrooms und der verbesserten Ansprache klingt z. B. der Alnico-5-bestückte 85X organisch, offen und lebendig, macht im Zerrbetrieb aber auch ordentlich Druck, glänzt mit samtweichen bis bissigen Leadsounds und fühlt sich im Blues ebenso zu Hause wie im aggressivsten Metal.
Der Keramikmagnet, die Aktivschaltung und die damit verbundene hohe Ausgangsleistung des EMG 81X lassen erahnen, wohin Gain-mäßig die Reise geht. Zwar kann der Pickup auch glasklare, spritzig vitale Cleansounds, seine Stärken liegen jedoch eindeutig im Zerrbetrieb, wobei er den Mitten mehr Schub und Druck verleiht, um sich, unterstützt von zunehmenden Höhen und Obertönen, problemlos durchs dichteste Bandgefüge zu fräsen.
Der Steg-Humbucker entlockt dem Verstärker klare, differenzierte, durchsetzungsfreudige Crunch- bis High-Gain-Sounds, deren Zerrintensität sich präzise mit dem gleichmäßig agierenden Volume-Poti kontrollieren lässt ohne die Höhen zu dezimieren. Selbst bei intensiv zerrenden Sounds sind kaum Dynamikeinbußen festzustellen, sodass die Tonbildung bestens unterstützt wird. Mulmende Bässe, allzu schrille Höhen, Neben- oder gar Einstreugeräusche sind kein Thema. Beide EMGs geben sich sehr Sustainfreundlich, wobei man nahezu jeden Ton kontrollierbar in die jeweiligen Harmonics kippen lassen kann.
resümee
Unmittelbar nach dem Öffnen der G&G-Koffer stellte sich bei mir spontane Schnappatmung ein. Soll noch mal jemand behaupten, das könne abgebrühten Testern nicht mehr passieren. Von wegen! Die Mitarbeiter von ESP USA scheinen es echt drauf zu haben. Trotz der stolzen Preise unserer beiden M-II- und M-III-Schönheiten steht der Gegenwert immer noch im angemessenen Verhältnis. Schließlich wurden hier erstklassige Hölzer, Hardware und Pickups, ansprechende Decken und Finishes mit Geschick und Know-how zu erstklassigen handgefertigten Instrumenten mit exzellenten Schwing- und Klangeigenschaften und hohem Spielkomfort vereinigt. Von daher, alles bestens. [2943]