Die Evolution der Stimmgeräte schien abgeschlossen zu sein. Verbesserungen wie True Bypass, Mute-Funktion, erweiterter Stimmbereich und fancy Displays waren nur mehr oder weniger Detailverbesserungen, aber an der grundsätzlichen Funktionsweise wurde nicht gerüttelt. Nur eine kleine Firma im Norden Europas sponn den Gedanken weiter …
Anzeige
Es wäre nicht das erste Mal, dass tc eine Vorreiterstellung einnehmen würde. Produkte wie seinerzeit das 19″-Delay 2290, das Chorus/Flanger-Pedal, der Gitarren-Multieffekt G-Major und einige Geräte aus dem Studiobereich setzten bis heute geltende Maßstäbe. Ein ähnlicher Ruf eilt nun auch dem neuen Stimmgerät PolyTune voraus.
Konstruktion des tc electronic PolyTune
Doch schauen wir uns das Gerät erst einmal von außen genauer an. Neben den üblichen Anschlüssen wie Input, Output und 9-V-Spannungsversorgung ermöglicht ein Netzausgang die Stromversorgung weiterer Pedale bis insgesamt maximal 2-A-Stromaufnahme. Das ist praktisch! Zwei Drucktaster an der Stirnseite ermöglichen zum einen das Absenken der Stimmung in einem Bereich von maximal 5 Halbtönen, zum anderen das Umschalten des Displays zwischen Nadel- oder Verlaufsdarstellung. Außerdem wird hier zwischen Bass- und Gitarrenbetrieb umgeschaltet. Werden beide Drucktaster gleichzeitig betätigt, gelangt man in den Kalibrier-Modus – das Gerät lässt sich im Bereich von 435 bis 445 Hz einstellen. Im Regelfall reicht das aus, aber für die Teilnahme bei den Berliner Symphonikern, die bekanntlich ihr A auf 446 Hz stimmen, wäre ein Riegel vorgeschoben. Nun gut, dort stimmt man ja sowieso immer noch konservativ mit den Ohren. Geht auch.
Ein zusätzlicher Service-Anschluss im USB-Format ermöglicht einem entsprechend ausgerüsteten Fachmann eine Schnelldiagnose, sollte das PolyTune einmal kränkeln, bzw. ermöglicht in Zukunft eventuelle Software-Updates.
Wie stimmen wir eigentlich live schnell einmal unsere Gitarre nach? Richtig, rauf auf den Tuner getrampelt und schön eine Saite nach der anderen überprüft. Und müssen dabei oft feststellen, dass eigentlich nur eine oder zwei daneben lagen. Genau bei diesem Stimmvorgang scheint tc eine Verbesserungsmöglichkeit ausgemacht zu haben, denn der PolyTune zeigt als bisher einziger Tuner der Welt sofort die verstimmten Saiten an. Dazu kann bzw. muss man ihn mit dem Signal aller Saiten gleichzeitig füttern. So soll man im Handumdrehen seine Gitarre wieder in tune haben … ein paar Sekunden schneller als vorher.
Das PolyTune verfügt über einen Sensor, der ständig die Lichtstärke der Umgebung überprüft und danach die Helligkeit des Displays automatisch anpasst. So erhält man nicht nur immer die optimale Helligkeit der Anzeige, sondern die Lebensdauer der 9-V-Batterie wird verlängert, denn eher selten wird die maximale Helligkeit verlangt.
Wie zu erwarten, schaltet der True-Bypass-Schalter das Gerät während des Stimmens stumm, sodass niemand vom Plängpläng der tonsuchenden Saite gestört wird.
Praxis
Das PolyTune ist geeicht auf die Töne der sechs Leersaiten, bzw. im Bass-Modus wahlweise auf vier-, fünf- oder sechssaitige Bässe. Dies bedeutet, dass ich ihm keinen Akkord vorgeben kann, sondern halt immer nur die Leersaiten. Spiele ich z. B. einen E-Dur-Akkord ins Gerät, werden mir nur die Töne der Leersaiten angezeigt: Die beiden E-Saiten und die H-Saite. Oder bei einem C-Akkord nur die beiden E-und die G-Saite. Open Tunings lassen sich nicht programmieren, die muss man ganz altmodisch chromatisch Saite für Saite stimmen.
Das tc PolyTune erkennt dank der selbst entwickelten sogenannten Monopoly-Technologie automatisch, ob man die Gitarre herkömmlich chromatisch oder eben modern polyfon stimmen will und schaltet sich blitzschnell in die jeweils gewünschte Betriebsart. Der Poly-Modus ist für uns natürlich der interessantere, denn den kennen wir noch nicht.
Flugs meine Testgitarre, die schöne PRS Santana, leicht verstimmt, an das PolyTune gehängt. Die Anleitung empfiehlt, den Hals-Pickup einzuschalten und die Saiten mit dem Daumen anzuschlagen. Folgsam ausgeführt, zeigt das Display tatsächlich nicht nur genau an, welche Saiten verstimmt sind, sondern auch, ob sie zu hoch oder zu tief gestimmt sind. Fehler erkannt, Fehler gebannt – die betreffenden Saiten werden dann schnell im chromatischen Modus einzeln nachgestimmt und ein kurzes polyfones Streichen über die Leersaiten bestätigt: Operation gelungen! Doch halt: Die H-Saite hatte ich vergessen, die wird, nachdem die Saiten sich nach dem Anschlag eingeschwungen haben, immer noch als zu tief angezeigt. Also hier noch mal nachgestimmt, anschließend polyfon das Saitenorchester noch mal überprüft – und nun scheint alles stimmig.
Sind mehrere Saiten verstimmt, kann es jedoch im Bühnenstress schwer fallen, sich die verstimmten Saiten zu merken. Da muss man also mehrmals polyfon kontrollieren und chromatisch nachstimmen. Dann kann es sein, dass durch das Stimmen einer dickeren Saite die Stimmung der vielleicht vorher passenden hohen E-Saite leidet, was wiederum einen Kontrollier- und Nachstimm-Vorgang erfordert. Hinzu kommt, dass der Stimmvorgang selbst sehr sensibel und genau ist, was man schon daran sieht, dass der Ton des Anschlags, der ja in der Regel vor allem bei den tiefen Saiten immer etwas höher liegt, genau wieder gegeben wird.
Dies bedeutet aber auch, dass man immer eine kleine Idee warten muss, bis sich alle Saiten eingeschwungen haben. Mich persönlich hat dieses Warten und dieses Hin- und Herspringen zwischen polyfonem Stimmen (zur Kontrolle, welche Saite nun daneben liegt) und chromatischem Stimmen (zum Nachstimmen der betroffenen Saiten) mehr genervt, als dass mir der Zeitgewinn so vorteilhaft erschien. Vielleicht bin ich der einzige auf dieser Welt, aber ich persönlich stimme weiterhin lieber konventionell chromatisch als polyfon. Gerne auch mit diesem tc PolyTune.
Musiker aber, die auf der Bühne z. B. den Ansagepart übernehmen, und mal kurz zwischendurch überprüfen wollen, ob die Gitarre denn nun wirklich ok ist, für die ist es ideal. Sie müssen nur einmal anschlagen, sehen die perfekte Stimmung und können weiterreden und weiterspielen. Auch in der Situation, wo man merkt, dass nur eine Kleinigkeit nicht stimmen mag, aber man es selber nicht hört, ist diese polyphone Stimmart sehr hilfreich. Warum fällt mir grade der Witz mit dem weinenden Bassisten ein. „Mein Kumpel hat eine Basssaite verstimmt, aber er sagt mir nicht welche“.
Resümee
Und – ist dieses Gerät nun der Knaller, von dem uns die NAMM-Reporter berichten? Es ist ein sehr gutes Stimmgerät und auch eine interessante Neuentwicklung mit vielen sehr interessanten neuen Features wie z. B. der selbstregelnden Helligkeit des Displays. Es revolutioniert nicht den Stimmvorgang, denn es ist nicht wirklich deutlich schneller als ein normales, gutes Stimmgerät, und vor allem dann, wenn mehrere Saiten verstimmt sind, ist der Stimmvorgang eher langsamer als gewohnt. Es macht den Stimmvorgang jedoch übersichtlicher und bequemer. Das tc PolyTune profitiert davon, dass es in einer Zeit auf den Markt kommt, in der die Musikalien-Industrie für jede innovative Idee sehr dankbar ist.
Ich habe in einem Video mit Status Quo gesehen, dass das polyphone während des Spielens am Amp angeschlossen mitläuft, so dass man während des Spielens die Stimmung beobachten kann. Wie funktioniert das?
Ich habe in einem Video mit Status Quo gesehen, dass das polyphone während des Spielens am Amp angeschlossen mitläuft, so dass man während des Spielens die Stimmung beobachten kann. Wie funktioniert das?