Q&A of today: Was ist denn das für eine Fender-Gitarre?
Fender “Mandocaster”
von Manfred Nabinger / Heinz Rebellius,
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Q: Neulich habe ich auf einem Bild eine kleine Fender-Gitarre gesehen, bespannt mit vier Saiten? Was ist das denn genau?
Hermann Q.
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A: In besseren Fender-Kollektionen trifft man zuweilen eine Art Bonsai-Gitarre an, nur 60 cm lang und mit vier Saiten bestückt – Fenders elektrische Mandoline von 1956. Leo Fender war ja mit den musikalischen Moden der dreißiger Jahre groß geworden, dem Big Band Swing und der Country-Musik. Als er später seine ersten Gitarren entwarf, waren sie konzipiert für die Musiker, die er kannte, und die Musik, die er mochte – Country und Western Swing. Als er an seinen ersten Gitarren arbeitete, befanden sich vor seinem geistigem Auge also wahrscheinlich eine Western Swing Band mit Gitarre, Lapsteel, Bass, Schlagzeug, einem Geiger und/oder einem Mandolinenspieler.
Doch Rockabilly-Musiker öffneten eigentlich erst den Markt – und zwar den für jugendliche Käufer, die erst die immensen Verkaufszahlen möglich machten, die Fender in den Spitzenbereich der Branche katapultierte. Leo Fender nahm diese Entwicklung zur Kenntnis, beschäftigte sich aber weiterhin mit seiner ursprünglichen Zielgruppe. Lapsteeler, Gitarristen und Bassisten hatte er mittlerweile zu adäquaten elektrischen Instrumenten verholfen. Aber auchGeiger und Mandolinisten sollten elektrisch aufspielen können.
1956, zwei Jahre nach dem Stratocaster-Debüt, brachte er eine Mandoline in ähnlicher Form heraus, mit asymmetrischem Doppel-Cutaway und gerundeten Ecken. Genau genommen war es eine kleinere Ausgabe derMusicmaster, die ebenfalls 1956 herauskam. Die elektrische Mandoline verfügte über einen massiven Korpus, einen Singlecoil-Tonabnehmer und einen geschraubten Hals. Der Kopferinnerte stark an den der Stratocaster, Steg und Stegabdeckung ähnelten den entsprechenden Teilen der Telecaster. Lautstärke und Klangregler entsprachen ebenfalls eher der Telecaster-Baureihe: die Drehköpfe bestanden aus Metall und waren gerändelt. Im Gegensatz zur normalen Mandoline verfügte Fenders Elektrik-Version nur über vier Saiten. Die reichen bei Wiedergabe über einen Verstärker aus, dachte sich möglicherweise der Konstrukteur, der natürlich immer seine auf Brillanz getrimmten Amps vor Augen hatte. Oder er stellte sich als zukünftige Käufer die Geiger der Western-Swing-Combos vor, denen er ein einfacher zu spielendes Zweitinstrument liefern wollte.
Western-Swing-Musiker waren tatsächlich auch die ersten Käufer der “Mandocaster”. Bekannt wurde das neue Instrument durch den Mandolinisten Kenneth „Jethro“ Burns. Dieser war Teil des Duos Homer & Jethro, ein musikalisches Comedy-Projekt, das zahlreiche Fernsehauftritte absolvierte und landesweit bekannt war. Burns spielte schon frühe eine Mixtur aus Bluegrass, Swing, Blues und Pop. Das Instrument wurde deswegen später auch von Newgrass- bzw. Crossover-Musikern benutzt, die in Burns ein Vorbild sahen.Während seiner gesamten Produktionszeit blieb die elektrische Mandoline aber ein typisches Nischen-Instrument. Das lag wohl auch daran, dass der Western-Swing-Boom schon im Abklingen war, als es vorgestellt wurde. Der neue Rock & Roll griff zwar auf wichtige Elemente des Country-Instrumentariums wie elektrische Gitarre und Bass zurück, machte aber einen großen Bogen um Geige und Mandoline. Trotzdem hielt Fender an seiner Idee fest und behielt die elektrische Mandoline fast 20 Jahre in seinem Programm.
In dieser Zeit wurden nur wenige Details modifiziert. Das Schlagbrett war anfangs aus Aluminium gefertigt, der Hals einteilig aus Ahorn, als Lackierung wurden ein cremefarbiges Blond oder Two-Tone Sunburst angeboten. Ab 1959 bestand das Schlagbrett aus Tortoise, der Hals erhielt ein Palisander-Griffbrett und die Sunburst-Lackierung war dreifarbig gestaltet. 1974 fand dann ein schwarzes Schlagbrett Verwendung.