Er zählt zu einem der ambitioniertesten, jedoch auch zu einem der abgedrehtesten Vertreter der Prog-Rock/Metal-Zunft. Als Sänger für Steve Vai war ihm die Welt zu klein, ein Angebot von Judas Priest lehnte er ab, um von anderen unabhängig zu sein, lernte er alle für ihn relevanten Instrumente selbst zu spielen. Seine Solo-Shows stammen wahrhaft nicht von dieser Welt und toppen an Humor, Aufgedrehtheit und Exzentrik sogar stellenweise die Auftritte von Frank Zappa.
Devin Garrett Townsend ist ein absoluter Ausnahmemusiker, der sich mit einer wahren Veröffentlichungsflut (ob solo, mit seinen Bands oder als Produzent) den Respekt der Szene über die Jahre hinweg verdient hat. Gleichzeitig war er stets von Selbstzweifeln geplagt, verkraftete seine Misserfolge nur schwer und kämpfte jahrelang gegen psychische Krankheiten und die Drogenabhängigkeit. Höchste Zeit, sich mal etwas ausführlicher mit diesem Menschen zu beschäftigen.
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„Man bezeichnet mich immer als den ‚abgedrehten Professor‘, den ‚verrückten Wissenschaftler‘ und ‚Psycho-Devin‘. Das ist totaler Bullshit, weil ich überhaupt nicht verrückt bin. Ich bin die vernünftigste Person, die ich kenne.“ – Devin im Rock Hard Interview
Die musikalische Karriere des nicht ganz gewöhnlichen Kanadiers begann im Alter von 19, als er Steve Vais damaligen Label Relativity ein (der Sage nach) in seine alte Unterwäsche eingewickelte Kopie der Demo seiner Band Noisescapes zuschickte. Der Chef war so davon überzeugt, dass er ihm gleich einen Job als Sänger bei sich anbot. Es folgte eine aufregende Zeit mit Konzerten vor großem Publikum (gemeinsame Tour mit Aerosmith), jedoch stimmte die Chemie zwischen Steve und Devin nicht so wirklich, was zum 1994 erfolgten Split führte.
Im Nachhinein versöhnten sich die Beiden jedoch und Steve spielte 2006 ein Gastsolo auf dem Strapping Young Lad-Album ‘The New Black’ ein. Diese Band gründete Devin nach der Trennung mit Steve Vai zunächst als Projekt, woraus jedoch eine feste Band wurde, bei der der Tausendsassa Gene Holgan (Death, Testament, Dark Angel) fest hinter den Drums saß.
Stilistisch entdeckte Devin den Metal für sich – vor allem der Industrial-Ansatz von Bands wie Fear Factory taten es ihm an. Das zweite Album der Band namens ‘City’ (1997) gilt heute als Klassiker des Genres. Insgesamt wurden fünf Studioalben veröffentlicht. Ein Jahr nach dem 2006 erschienen ‘The New Black’, welches bereits vermehrt ruhigere sowie parodistische Elemente und satirische Texte enthielt und damit den zukünftigen Kurs des Musikers andeutete, löste Devin die Band auf, um sich mit Solo-Projekten zu beschäftigen. Die Bühnen und das dazugehörige Tourleben hatten ihn ausgebrannt zurückgelassen. Auch seine angeschlagene Psyche und der exzessive Cannabis-Konsum waren sicherlich Gründe für diesen Einschnitt.
„Es gibt keine Zugeständnisse, und wenn ich der Meinung bin, dass ich nicht auf Tour gehen möchte, dann bleibe ich halt zu Hause. Ich mache Musik nur für mich. Ich bin Egoist. Wenn es da draußen Menschen gibt, denen meine Musik gefällt, dann freut mich das. Aber ich mache meine Musik nicht für andere. Ich gehöre niemandem, nur mir allein.“ – Devin Townsend im ‘You Suck!’-Interview
Doch ein Neuanfang kann oftmals Gutes bewirken und tat es in diesem Fall auch. Devin schwörte den Drogen mitsamt dem Alkohol ab, obwohl er stets die für das Komponieren wohltuende Wirkung von Cannabis betonte und sogar die Entstehung der Alben ‘Ocean Machine’ und ‘Infinity’ auf dessen Konsum zurückführte. Die ganze Thematik wurde dann umgehend in dem Konzept-Album ‘Ziltoid the Omniscient’ verarbeitet, wenn auch mit dem typischen Augenzwinkern und Ironie (die Figur Ziltoid bezeichnete Devin als Selbstparodie). Er spielte fast alle Instrumente selbst ein. Lediglich die Drums wurden von ihm mit dem von dem Meshuggah-Drumer Tomas Haake entworfenen Tool ‘Drumkit from Hell’ programmiert.
Obwohl Devin “clean” und nüchtern war, wurde seine Musik immer abgedrehter und vielschichtiger. Unter dem Namen The Devin Townsend Project komponierte er mit ‘Ki’, ‘Addicted’, Deconstruction’ und ‘Ghost’ vier zusammenhängende Alben, die jedoch musikalisch ziemlich unterschiedlich ausfielen. So bezeichnete er ‘Addicted’ als “tanzbaren Heavy Pop”, während ‘Deconstruction’ ziemlich heavy und chaotisch ausfiel und ‘Ghost’ dagegen sein bis dato sanftestes Album werden sollte. Bis heute wurden noch drei weitere Studioalben unter den Namen veröffentlicht. Dabei wurde nicht nur die Musik immer freigeisteiger – auch die Bühnenshows nahmen exorbitante Ausmasse an – bestens nachzuschauen in dem 2015 gefilmten Konzert in der in der Royal Albert Hall.
Neben seinen Tätigkeiten als aktiver Musiker, war Devin auch als Produzent fleißig und veredelte unter anderem Alben von so unterschiedlichen Acts wie Stuck Mojo, Lamb of God, Zimmers Hole, Soilwork, GWAR oder Bleeding Through, nur um einige zu nennen. Gleichzeitig war er auch in der Musikindustrie aktiv und entwarf mit Mooer erst kürzlich die Ocean Machine, ein passend zum Künstler abgedrehtes und umfangreiches Multieffektpedal.
„Das Genie, das Erfolg hat, ist ein Genie. Das Genie, das scheitert, ist wahnsinnig. Wenn ich also erfolgreich bin, wird man mich für smart halten und wenn ich versage, wird man mich für verrückt erklären. Ich denke, ich bin keines von beiden. Ich arbeite hart und stehe in Verbindung zu der Muse, die es mir erlaubt, Musik zu erschaffen. Der Rest ist einfach Glück.“ – Devin Townsend im Interview mit ‘metal.de’
In diesem Video sieht man Devin einen Song innerhalb von zwei Stunden komplett von Null aus komponieren und aufnehmen – ein beeindruckendes Schauspiel.
Sicherlich gibt es noch eine Menge zu diesem Künstler zu sagen – seine zahlreichen Gastauftritte, seine musikalisch sehr unterschiedlichen Solo-Veröffentlichungen, die auch mal in komplett elektronische Ambient-Gefielde abdriften und vieles mehr. Einfach mal durch die Discographie hören!
Wer Devin gerne live sehen möchte, kann dies übrigens auf dem von uns präsentierten Euroblast Festival (29.09.-01.10.2017 in Köln) tun, wo er der Haupt-Headliner ist. Dieses Schauspiel sollte man sich nicht entgehen lassen!