Haller Germanium 1 & Germanium 2, FX-Pedal im Test
von Heinz Rebellius, Artikel aus dem Archiv
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Ja, es gibt sie noch – diese Manufakturen, die nicht nur deshalb so heißen, weil sie alles in ehrlicher Handarbeit herstellen, sondern auch weil sie auf jegliche vermeintlich coolen Anglizismen am und ums Produkt verzichten. Wie z. B. Haller.
Keine Angst, man muss Haller nicht unbedingt kennen. Denn diese Firma ist auch in ihrer Außendarstellung sympathisch defensiv, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass das Herstellen von Effektpedalen nur ein Zweig ihres Manufaktur- Portfolios darstellt. Haller, in Erlbach im Vogtland ansässig, baut vor allem eigene Röhrenverstärker, aber auch hochwertige OEM-Produkte für andere Marken.
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Germanium
Germanium-Transistoren sind bekanntlich der Stoff für Vintage-Klänge, denn in den Gründerjahren der Effektpedal-Geschichte setzten die meisten Hersteller eben auf diese Bausteine, und die angesagten Musiker dieser Zeiten schufen damit ihre legendären Sounds. Und damit Songs, die viele von uns klangtechnisch sozialisiert bzw. infiziert haben. Aus Kostengründen wechselten damals alle Hersteller irgendwann zu Silizium-Transistoren, aber das ist eine andere Geschichte. Schauen wir uns lieber diese beide Germanium-Verzerrer von Haller näher an, denen eine ganze Reihe dieser legendären Bausteine einverleibt wurden. Im Germanium 1 finden wir gleich acht, im Germanium 2 vier Germanium- Dioden.
Optisch stellen die beiden Pedale eine eigene Welt dar, die schlicht und einfach anders ist. Keine auffällige Grafik, keine grellen Farben, keine marktschreierische Wortwahl bei der Typen- und Regler-Bezeichnung, sondern eben: Haller! Die Funktionen der Regler erklären sich aus ihrer Beschriftung: Staerke, Klang, Pegel. Und beim Germanium 2: Staerke, Klang, Pegel/Schub. Womit schon der Unterschied zwischen den beiden Verzerrern offengelegt wird: Germanium 2 besitzt einen integrierten Booster und kann eben für mehr Schub sorgen. Neben der blitzsauberen Verarbeitung, an der es nun wirklich gar nichts auszusetzen gibt, fällt ein zusätzlicher Anschluss für einen Fußschalter auf. Ist diese Buchse belegt, wird der auf der Frontplatte befindliche Fußschalter deaktiviert.
Das kann nützlich sein, wenn der Haller Verzerrer z. B. auf dem Amp liegt oder innerhalb eines Rack-Systems verwendet wird. Die Stromversorgung erfolgt per 9-V-Batterie oder durch Anschluss eines 9-V-Netzteils, die Polung ist wie weitestgehend üblich Center-Negativ. Jedem Haller-Pedal liegt ein ca. 8 cm langer Kabeladapter zur Aufnahme eines DC-Kabels bei. Die andere Seite des Adapters verfügt über einen Stecker mit Überwurfmutter, die in das Außengewinde der Netzteil-Anschlussbuchse greift und so Adapter samt Kabel fest an das Pedal bindet. Diese Konstruktion beugt ausgelutschten Buchsen und beim Transport rausgerutschten DC-Kabeln vor und ermöglicht zudem, das DC-Kabel zum Netzteil hin Pedalboard-freundlicher zu verlegen.
Wallhaller
Germanium 1 und 2 sind als typische Low- Gain-Verzerrer konzipiert. Irgendwie will mir das Wort Overdrive nicht so selbstverständlich wie sonst in die Tastatur fließen, und ich suche nach einem deutschen Äquivalent. Übersteuerungs-Pedal vielleicht? Na ja … Jedenfalls erzeugen beide Haller einen wunderbar dynamischen, klaren Overdrive- Sound, der sich schön federnd mit der Gitarre kurzschließt und sich bestens mit meinen Amps versteht. Warm, rund sind die Adjektive, die passen – und selbst in Vollauslenkung des Staerke-Reglers ist das Signal irgendwie immer noch low gain …
Beide Pedale haben diesen gerade beschriebenen Klangcharakter gemein, dennoch sind auch die Unterschiede deutlich erkennbar. Germanium 1 klingt wunderbar nach Amp, und zwar nach einem weit aufgedrehten Fender-Amp. Im besten Sinne nach Stones, nach Keith, nach fettem Tele-Riff-Sound. Es zeichnet auch bestens die unterschiedlichen Charaktere von Pickups nach, ganz zu schweigen davon, dass die Unterschiede verschiedener Gitarren sehr deutlich abgebildet werden. Ein wirklich dienliches Pedal, das jedes Setup besser macht. Das Germanium 2 erscheint etwas eigenwilliger. Bedingt durch die integrierte Boost- Stufe bleibt der Sound klarer und wirkt mehr strukturiert, es ist noch dynamischer und hängt noch dichter am Anschlag als das Germanium 1. Das 2er ist mehr das Solisten-Pedal, das 1er legt mehr den Rhythmus-Sound. Beides erfolgt mit klassischen Sounds und mit viel Stil. Chapeau!
Alternativen
Low-Gain-Overdrives gibt es wie Sand am Meer – deshalb nur hier der Hinweis, dass es die beiden Haller auch mit den besten dieser Zunft aufnehmen können. Direkte Vergleiche mit Fulltone, Thorpy und Klon Clones haben dies bestätigt.
Resümee
Die Pedalwelt hält doch immer wieder Überraschungen bereit. Umso sympathischer, wenn diese Überraschungen nicht aus Übersee, sondern aus Erlbach/ Germany kommen. Germanium 1 und 2 sind beides erstklassige Vertreter der Overdrive-Zunft, die jedes Setup auf ihre eigene Art bereichern und die sich hervorragend mit unterschiedlichen Gitarren und Amps verstehen. Wer auf der Suche nach einem wirklich hochwertigen Low-Gain-Aggregat ist, der hat in den beiden Haller-Pedalen interessante Kandidaten vor der Brust, die es unbedingt anzutesten gilt. Der Preis ist sicherlich kein Pappenstiel, aber die beiden Pedale sind es auch nicht … Wir danken www.effektboutique.de, die uns die beiden Haller-Pedale zur Verfügung gestellt haben.