Interview mit ...

John Mayall: Living Blues

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Gibt es hier irgendjemanden, der sich noch an die Zeit vor John Mayall erinnern kann? So richtig als Zeitzeuge? Bestimmt ein paar. Dann direkt mal die Frage: Wie war der Blues im Jahre 1962, also bevor John Mayall’s Bluesbreakers auf der Bildfläche erschienen, und wie war er nachher? Der Mann ist heute 84, immer noch qietschfidel und beginnt sein Konzert in der ausverkauften Kölner Kantine immer noch mit einem angedeuteten Stagedive. Und genauso heiter ging’s weiter …

(Bild: Marian Menge)

Ist er beim Konzert ein echter Entertainer und Showman, so macht er abseits der Bühne einen umso konzentrierteren, organisierten Eindruck. Auf die Minute pünktlich kommt Mayall – geführt von seinem ebenso betagten Tour-Manager Claude Taylor – zum Interview und beendet dieses exakt nach den vereinbarten 20 Minuten auch schon wieder, um hinter seinem zuvor selbst ausgestatteten, glitzernden Merchandising-Stand zu verschwinden, wo er vor der Show eine Stunde lang CDs verkauft und signiert. Wer nach dem Konzert auf den Geschmack gekommen ist und noch eine Platte erwerben möchte, geht leer aus, was Autogramme angeht.

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Solch ungewohnte Abläufe stehen diesem Mann nicht nur aufgrund seines fortgeschrittenen Alters natürlich zu. Schließlich hat er nicht nur selber den Blues und damit alle nachfolgenden Stilrichtungen beeinflusst, sondern auch dafür gesorgt, dass Gitarristen wie Eric Clapton, Peter Green, Mick Taylor, Walter Trout und Harvey Mandel einem großen Publikum präsentiert wurden. Doch auf diese prägende Rolle in einem der großen Kapitel der Musikgeschichte will der Herr aus dem englischen Macclesfield gar nicht so recht eingehen …

Den Titel „Godfather Of British Blues“ hast du vermutlich von den Medien, aber du verwendest ihn auch selbst auf deiner Homepage. Wie würdest du deinen Einfluss auf den amerikanischen Blues beschreiben?

John Mayall: Es ist schwer darauf zu antworten. Ich spiele so, wie ich spiele, und Blues ist eine amerikanische Kunstform, die ich mein ganzes Leben lang in mich aufgesogen habe. Dass ich eine Bezeichnung abbekomme wie „Godfather Of British Blues“, das kann ich nicht steuern. Leute geben einem solche Titel und meinen das als Kompliment, aber letzten Endes hat es nichts mit meiner Musik oder mit mir als Person zu tun.

Du bist jetzt seit über einem halben Jahrhundert als Blues-Musiker unterwegs. Warum spielst du immer noch in kleinen Clubs wie diesem hier?

John Mayall: Na ja, wir leben davon. Wir sind Musiker und geben Konzerte. Und Konzerte kann man nicht zu Hause auf dem Sofa geben. Man muss auf Tour gehen. Also spielen wir jedes Jahr 100 Konzerte überall auf der Welt.

Gibson ES 125 (Bild: Marian Menge)

 

Magst du denn das Tourleben?

John Mayall: Ja, und ich würde es nicht machen, wenn es nicht so wäre. Es ist toll, mit etwas sein Geld zu verdienen, das man gerne tut.

Würdest du dich selbst eher als Sänger, Gitarrist, Keyboarder oder Harp- Spieler bezeichnen?

John Mayall: Ich bin hauptsächlich Keyboard-Player. Aber jedes dieser Instrumente eignet sich für andere Songs. Da wähle ich dann das, mit dem ich die jeweilige Nummer am besten interpretieren kann.

(Bild: Marian Menge)

Hat John Mayall als Keyboarder denn einen musikalischen Einfluss auf John Mayall als Gitarristen?

John Mayall: Das kann man so nicht beantworten. Bei den verschiedenen Instrumenten geht es um unterschiedliche Ausdrucksweisen. Ich verwende immer das Instrument, mit dem ich meine Message am besten transportiert bekomme. Gitarre und Klavier sind sehr unterschiedlich. Das einzige, was sie verbindet, ist das, was du mit deiner Musik auszudrücken versuchst.

Wonach wählst du aus, welches Instrument du spielst?

John Mayall: Ich wähle nicht. Ich habe gar keine Wahl. Der Song schreibt mir vor, welches Instrument das passende für ihn ist.

Viele Gitarristen können die Blues- Tonleiter spielen, aber das macht sie noch lange nicht zu Blues-Musikern. Was muss ein Gitarrist haben, damit er sich wirklich als Blues-Gitarrist bezeichnen kann?

John Mayall: Schwierige Frage, und ich glaube, ich habe keine Ahnung … Wenn du den Blues liebst, du dir seiner Geschichte bewusst bist, du alles absorbiert hast, was vor deiner Zeit musikalisch passiert ist und du das dann auf deine eigene Weise interpretierst, dann bist du auf dem richtigen Weg.

(Bild: Marian Menge)

Du bist ja bekannt für dein gutes Händchen bei der Wahl deiner Gitarristen. Jetzt bist du im Trio unterwegs. Warum hast du diesmal keinen Solo-Gitarristen dabei?

John Mayall: Den ganzen Gitarrenkram habe ich ja nun schon mal gemacht. Rocky Athas war der letzte und er war fantastisch. Aber jetzt war es an der Zeit, mich selbst mehr in den Vordergrund zu stellen und das macht mir großen Spaß. Vor allem das Zusammenspiel mit Bass und Schlagzeug. Im Trio habe ich mehr Freiheiten und der Fokus liegt stärker auf dem, was ich spiele. Und die Dynamik ist sehr viel abwechslungsreicher, einfach weil die Grundlautstärke eine andere ist, wenn man keinen Lead- Gitarristen dabei hat. Alles in allem ist es ein neues Abenteuer für mich, das mich sehr glücklich macht.

John-Mayall-Merchstand
Um den Merch- Stand kümmert sich Mayall höchstpersönlich – allerdings nur vor dem Konzert. (Bild: Marian Menge)

Was muss ein Gitarrist haben, damit du ihn in deiner Band möchtest?

John Mayall: Ich muss ihn gerne hören. Natürlich bin ich Fan eines bestimmten individuellen Stils und wenn ich vorhersehen kann, dass dieser Stil gut zu dem, was ich mache, passt, dann ist es perfekt für mich und ich lade ihn ein. Ich bin da absolut ein Genussmensch und in der komfortablen Situation, Leute verpflichten zu können, die ich gerne spielen höre.

Walter Trout sagte mir, dass ohne dich seine Karriere ganz anders verlaufen wäre, weil du ihn nicht nur in deiner Band hast spielen lassen, sondern ihm ein spezielles Podium geboten hast.

John Mayall: Ja, das habe ich bei ihm auf jeden Fall versucht.

John-Mayall-Merchstand
(Bild: Marian Menge)

Dafür musst du selbst aber in den Hintergrund treten, was für einen Bandleader recht ungewöhnlich ist.

John Mayall: Ja, vielleicht hast du Recht. Aber das ist einfach meine Art des Musikmachens. Ich mag das Zusammenspiel und sehe mich nicht als Solist.

Gibt es junge Gitarristen, die zum Beispiel mit dem Clapton der 60er-Jahre mithalten können?

John Mayall: Es gibt viele, die auf dem richtigen Weg sind und nur noch einen eigenen Stil entwickeln müssen. Das Wichtigste ist, dass du nicht wie irgend jemand anderes klingst.

Equipment

Gibt es zu der kleinen Gibson-Gitarre, die du spielst, eine Geschichte?

John Mayall: Ich vergesse immer, von wann sie ist, aber ich vermute sie ist von 1958. Es ist eine normale ES-125, aber dass sie so eigenartig aussieht, kommt daher, dass ich das Finish der Decke abgekratzt habe.

Warum spielst du gerade diese Gitarre?

John Mayall: Weil sie sich gut anfühlt. Warum weiß ich nicht. Sie klingt gut, passt zu mir und sie ist sehr leicht.

Wie wichtig ist deiner Meinung nach denn das Instrument für den musikalischen Output?

John Mayall: Für mich sind alle Gitarren gleich. Keine Ahnung, wie ich das erklären kann …

Du könntest also auch eine Les Paul oder eine Strat spielen?

John Mayall: Natürlich! Der Sound kommt meiner Meinung nach aus dem Verstärker. Wenn du mir eine andere Gitarre gibst und ich sie in meinen Roland Jazz Chorus mit den gleichen Einstellungen stöpsle, dann klingt der Sound immer noch nach einem Roland Jazz Chorus. Ich sehe da zwischen den Instrumenten keine großen Unterschiede. Ich bin allerdings auch kein Profi auf dem Gebiet.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2017)

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