von Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA), Artikel aus dem Archiv
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Morgan – wer den Namen hört, denkt zuerst vielleicht an edle britische Oldtimer-Sportwagen. Dass unter dem Namen Gitarren-Amps auf dem Markt sind, wissen/wussten bislang u. U. nur die Gearheads der Gemeinde. Made in USA mit viel Handarbeit: Morgan-Verstärker und -Boxen sind auf ihre Art nicht minder exklusiv als die zitierten Automobile.
Joe Morgan ist wie so viele andere amerikanische Boutique-Builder über das Reparieren und Tunen dazu gekommen, eigene Produkte auf den Markt zu bringen. Das Programm stützt sich auf klassische Amp-Designs von Vox, Marshall und Fender.
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Die Derivate sind natürlich in verschiedenerlei Hinsicht optimiert und den heutigen Ansprüchen angepasst. Es handelt sich jedoch durchweg um gradlinige, einkanalige Konzepte. Besonders interessant dürften für den einen oder anderen die Modelle mit der Kennzeichnung „RCA“ sein, weil sie in der Endstufe unterschiedlichste Röhren akzeptieren (6L6, 6V6, EL34, KT66, KT77, 6CA7). Was Lautsprecherboxen angeht, hat Morgan lediglich zwei hinten offene Bautypen im Programm, ein 1×12“- und ein 2×12“-Cabinet, die entweder mit dem G12H-75 Creamback oder dem Alnico Gold von Celestion bestückt sind. Dazu gesellt sich eine spezielle Recording-Box, das „Chameleon ISO Cab“, das – auch wieder vor dem genannten G12H – an Schwanenhälsen zwei Mikrofone aufnimmt und durch eine kleine verschließbare Portöffnung bei Bedarf den Speaker ventiliert arbeiten lässt. Morgan hat außerdem ein Overdrive- und drei Fuzz- Pedale im Programm. Bekommt man im Übrigen alles bei Musik Produktiv, die uns auch unseren Test-Amp zur Verfügung gestellt haben, thänx!
Feinste Substanz
Den PR12, den es übrigens auch als Combomodell gibt, beschreibt Joe Morgan als einen „amerikanischen Amp der 60er- Jahre“, der diejenigen Modifikationen besitzt, die von seinen Kunden am meisten gefragt wurden. Der Bauart nach zu urteilen, hat er den Blackface-Fender- Princeton-Reverb (1964 – 1967) zum Vorbild genommen und erstarken lassen, indem er ein kräftigeres Netzteil als Basis benutzt und außerdem ausschließlich ausgesuchte Top-Bauelemente verwendet, wie z. B. speziell für ihn gefertigte Trafos von Mercury Magnetics und Koppelkondensatoren von Valvestorm, den Typ Synergy Royal Mustard. Nomen est omen, die sind natürlich Replikas der Mustard-Kondensatoren, die z. B. Marshall in der Zeit der Plexi-Modelle und auch noch später verwendete (der Name Mustard bezieht sich auf deren senffarbene Gehäuse).
Die Vollröhrenschaltung ist wirklich eine, durch und durch, denn auch die Gleichrichtung der Wechselspannung übernimmt eine Röhre, die 5AR4/GZ34. Dem Federhall (kleines System von Mount, PRMOD- 8AB2A1B) wurde als Modifikation gegenüber dem Vorbild ein Dwell-Regler gegönnt, mit dem der Aufsprechpegel im Eingang des Federsystems verändert werden kann (den haben z. B. auch Fenders Vibro-King und Reverb Unit).
Standesgemäß könnte man sagen, weil in der Boutique-Szene inzwischen ja sehr verbreitet, ist die Elektronik in einem Chassis aus gebürstetem Aluminium untergebracht. Innen ruht in der Mitte eine Glasfiberplatte, mit Kontaktösen versehen, an denen die Bauteile bzw. die Kabel Verdrahtung kontaktiert sind. Hier gibt es nicht das Geringste zu mäkeln. Die Verarbeitung ist vom Allerfeinsten. Wir würden es allerdings begrüßen, wenn der Wechselstromnetzschalter nicht einpolig, sondern zweipolig wäre, damit gewährleistet wäre, dass beim Ausschalten stets beide Adern, Nullleiter und Phase, mit Sicherheit von dem Gerät getrennt sind (je nachdem wie der Netzstecker Kontakt findet, kann hier in dem Istzustand die Phase im Netztrafo anliegen obwohl der Amp eigentlich ausgeschaltet ist). Und in Sachen Ästhetik: Warum wird ein viel zu langes, allerdings sehr hochwertiges Verbindungskabel zum Hallsystem verwendet, einfach aufgewickelt und nicht passend maßkonfektioniert?!
Das Chassis ist stehend in einem dünnwandigen Schichtholzgehäuse verschraubt. Dessen grob gewirkter Gewebebezug macht einen äußerst strapazierfähigen Eindruck. Aus meiner subjektiven Sicht ist das Design ein willkommener Lichtblick im weit verbreiteten Tolex- Allerlei – ja, schon klar, Geschmackssache, und wer will, kann die Teile auch im üblichen schwarzen Kunstlederdress bekommen. Das Logo übernimmt die Funktion der weit verbreiteten Pilot-Lampe; es leuchtet, wenn man den Amp in Betrieb hat.
Schlicht aber optisch edel in der Machart ist auch das Cabinet. Es ist aus verzahnten finnischen Birkenschichtholzplatten gefertigt, steht auf vier dicken Gummifüßen, oben ist ein großer Koffergriff angebracht. Das ist es, keine Schutzecken, kein Luxus, an der Rückseite auch nur eine einzige Klinkenbuchse. Der G12H- 75 Greenback wird mithilfe von Einschlaggewinden von hinten montiert, die schwarze Gewebefrontbespannung ist nicht abnehmbar.
Fünf Sterne Ton
Wenn der Name Princeton schon einmal gefallen ist, liegt es natürlich nahe, Vergleiche anzustellen. Ich sage aber „Lasst es sein Kollegen!“ Der PR12 hat in seinen Klangeigenschaften mit dem allseits geschätzten Vintage-Vorbild nicht mehr viel zu tun. Allein schon weil er mit seiner erstarkten Dynamik und dem 12-Zoll-Lautsprecher (statt 10-Zoll) auf halbem Wege zum Pro Reverb ist. Aber auch und vor allem wegen seiner anders gearteten Sound-Merkmale, worin sich die spezifischen Konstruktionsdetails niederschlagen.
Stichwort Dynamik, gleichzusetzen mit Kraft und Ansprechverhalten. Während ein Princeton schon in einer halbwegs lauten Band kläglich zu kämpfen hat und nur schlankes Tonvolumen entfaltet, kann sich der PR12 in Sachen Lautstärke/ Schalldruck wesentlich besser behaupten. Natürlich nicht Clean, sondern hoch ausgesteuert im Overdrive-Betrieb.
Gerade recht werden die meisten sagen, wenn sie Blues spielen, wofür der Tonpurist mit seinen überaus harmonischen Sättigungsverzerrungen wie ideal geschaffen scheint. Aber Obacht, die Lautstärke muss wirklich passen, diesbezüglich ist der Arbeitspunkt – typisch für Amps/Combos dieser Gattung – wenig variabel, sprich wenn erst einmal im Overdrive angekommen, ändert sich die Lautstärke nur noch wenig, primär variiert die Intensität der Verzerrungen.
Im Bassbereich macht dem Morgan in seiner Klasse kein Mitbewerber etwas vor. Straff, satt-voluminös, energisch ist das Klangbild und der PR12 geht auch nicht in die Knie wenn ihn eine fette Paula o. Ä. füttert. Der Amp bleibt bis in die Vollaussteuerung hinein differenziert. Allerdings verändern die Tonepotis auf dem letzten Drittel des Volume-Regelweges ihre Wirkung. Treble variiert nicht mehr nur den Höhengehalt, sondern dosiert parallel wie dicht und vordergründig die Sättigungsverzerrungen zu Ohren kommen. Wovon ich in solchen Zusammenhängen öfter spreche, dass sich das Klangbild sozusagen aufbläht, geschieht auch hier, fürwahr auf allerliebste Weise. Toll wie sich der Anschlagsbiss entwickelt und der Spieler mit Anschlagsstärke und Position an den Saiten den Sound manipulieren kann. Das ist lebendige Ansprache und Tonkultur par excellence. Der Bassregler verhält sich ähnlich. Er entscheidet ab einem bestimmten Punkt mehr darüber, wie korpulent das Klangbild in seinem Volumen ist, als über den Bassdruck im Schall.
Die Overdrive-Verzerrungen schleichen sich äußerst subtil in das Klangbild hinein. Man nimmt sie zunächst gar nicht vordergründig wahr. Sie kolorieren zunächst nur den Ton. Bevor dies eintritt, liefert der PR12 großartige Clean-Sounds. Großartig, weil kraftvoll mit viel Körper, großartig aber auch, weil die Sound-Formung auf ihre in den Höhen leicht offensive Art maximal kultiviert wirkt. Die Transparenz ist hoch entwickelt, der Amp verleiht den Tönen eine räumliche, plastische Tiefe. Wie glockig und kristallklar eine gute Vintage-Strat/-Tele hier ihren Charme verbreiten kann! Ein bisschen von dem wohl klingenden, gut abgestimmten Federhall dazu, dann erlebt man, warum nach wie vor viele Gitarristen so sehr auf analoge Röhrentechnik schwören und eben nicht zu digitalen Alternativen greifen mögen.
Die optimal ausgereizte Ansprache und Transparenz schlägt sich auch in den Overdrive-Regionen nachhaltig nieder. Selbst bei Vollaussteuerung werden die Tonabnehmerkombinationen (entsprechend wertiger) Gitarren markant und charakterstark abgebildet. Die Zwischenstellungen der Stratocaster profitieren sehr davon. Intensive Röhrensättigung, die Endstufe an ihrer Leistungsgrenze, fast immer macht in dieser Situation der gute alte Federhall schlapp. Doch nicht hier. Joe Morgan hat die Problematik bestens in den Griff bekommen. Vollgas ist kein Problem, selbst dann ist der Reverb noch von hohem Gebrauchswert. Ich finde, dem PR12 haftet im Zerrcharakter einiges von der sogenannten britischen Sound-Kultur an. Wohldosiert allerdings, dezent, er beißt nicht in den Ohren, obwohl er aggressive Komponenten im Ton mit sich trägt. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich auch so ausgesprochen gut mit Distortion-Pedalen verträgt. Wieder einmal muss ich die Box-of- Rock von Zvex empfehlen; sie und der PR12 bilden ein charakterstarkes Team, das prägnant und präzise artikuliert durchaus an den Rand der High-Gain-Gefilde vorstößt. Fulldrive/Fulltone, Okko Diablo, Big Muff/EH, diverse Fuzzes usw. … hab vieles probiert, der Morgan kann das, kommt tonal voll auf den Punkt.
Dass ihm nichts Giftiges anhaftet, bewies die Testphase an unterschiedlichen Speakern und Cabs: Stets verhielt er sich höchst manierlich, selbst an meiner so brillanten Alnico-4×12-Box (Weber Bluedogs). Grundsätzlich kann der Amp solche großen Boxen energiereich antreiben, doch die Kombination mit seinem 1×12-Cab erwies sich immer wieder als die charakterstärkere, lebendigere Lösung.
Die beiden harmonieren in ihrem Zwiegespräch sehr gut, ergänzen sich und optimieren die Dynamik (die an 4×12- Boxen im Vergleich eher etwas flacher als besser wird). Die Box klingt ausgewogen, füllig, groß, präzise wie kontrolliert, und ist in diesem Setup ziemlich laut.
Ganz am Schluss kommt die einzige Meckereinheit: Purismus schön und gut und hier qualitativ ja auch bestens entwickelt, aber gerade wegen dieses Konzepts vermisse ich einen regelbaren Line- Out, mit dem man z. B. externe Effektgeräte ansteuern könnte, die dann über einen zweiten Amp/Combo verstärkt würden – Stichwort Pseudo-Stereo. So ein Ausgang lässt sich aber zum Glück für relativ kleines Geld nachrüsten.
Alternativen
Die Boutique-Szene ist gut bestückt mit Produkten dieser Art. Der PR12 zeichnet sich allerdings durch den kultivierten Federhall besonders aus. Andere Hersteller verzichten darauf häufig. In dieser Preisklasse einen direkten Gegenspieler zu nennen, fällt daher schwer. Wer auf den Hall verzichten kann findet eher – allerdings in nicht wirklich deckungsgleiche – Alternativen, z. B. von Dr. Z. Wer Fenders ’68 Princeton Reverb-Reissue in Erwägung zieht, hat zweifellos einen hochwertigen Combo im Fokus, der tönt aber längst nicht so hochgezüchtet und kommt auch in Sachen Substanz und Bauweise (Platine usw.) nicht an den PR12 heran.
Resümee
Feiner Stoff für Tonpuristen. Der Morgan PR12 hat sich im Test als ein klanglich und qualitativ als völlig überzeugendes High-End-Produkt erwiesen. Ein Vintageorientierter Amp mit dem gewissen Extra an Sound-Kultur, variabel, charakterstark, prägnant, elegant in Kombination mit OD-/Fuzz-/Distortion-Pedalen. In dem voluminös und sehr ausgewogen abstrahlenden 112-Cab findet der PR12 einen perfekten Partner. Das heißt im Umkehrschluss, die Box ist auch für sich genommen sehr empfehlenswert. Fast das Beste an alledem ist: Daran gemessen was die Boutique-Konkurrenz zum Teil für ihre Produkte verlangt, sind Amp und Box im Preis doch zivil angesetzt. So kann das Fazit, trotz fehlendem Line-Out, nur positiv ausfallen: Preis und Leistung stehen sowohl beim PR12 als auch bei der 112 in einem gesunden Verhältnis.
Plus
Sound, bestechende Qualitat
Dynamik, Ansprache, Transparenz, sehr obertonfreundlich
sehr harmonisches, reaktives Zerrverhalten
Leistungsreserven
warmer „Rohren“-Hall m. Dwell-Regler
112 Cab: sehr ausgewogen im Klangbild, fur die Grose im Ton erfreulich voluminos
geringe Nebengerausche
sehr gute Verarbeitung, Qualitat der Bauteile
Soundfiles
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert (ca. 2 mm off-axis) vor dem G12H-75 Creamback/Celestion des Combos.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine und eine Signature Les Paul „Lee Roy Parnell“ aus Gibsons Custom Shop.
Der PR12 ist einkanalig ausgelegt, ganz traditionell. Clean und Crunch im direkten Wechsel kann man nicht von ihm bekommen. Entweder Clean-Overdrive, oder Overdrive-Crunch, gesteuert durch das Guitar-Volume, für eine der beiden Ebenen muss man sich entscheiden. Das OD-Anzerren macht der Amp sehr feinfühlig mit einer schönen Koloration der Höhen. Bei voller Distortion wird der Bassbereich ziemlich schmutzig, wie man in Clip 8 hört.
Clip 9 präsentiert den Federhall des PR12, sehr gediegen, nicht wahr?
Im Clip 10 hören wir mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. Zuerst die Les Paul, dann die Strat: Ja, man wundert sich, die Strat klingt hier weicher als ihre dicke Schwester, nur weil am Amp die Höhen ein bisschen zurückgedreht sind – so kommen Klischees ins Wanken.
Ich wünsche gute „Unterhaltung“ und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über ordentliche Boxen, nicht Kopfhörer!
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.