von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
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Es gibt sie noch. Die schlichten, zeitlosen Gitarren ohne irgendwelchen Schnick-Schnack, innovative Features oder zeitgeistiges Design. Gemeint sind die Rock-Bretter wie sie schlichter nicht sein könnten – zum Beispiel die Framus Phil X Signature-Gitarre. Dass die Axt des Bon-Jovi-Gitarristen aber trotzdem ein vielseitiges Instrument ist, zeigt der folgende Test.
Ich habe mich ja schon mehrfach als Fan richtig dicker Hälse geoutet und muss sagen, dass meine Vorfreude auf die Framus XG PX90/PX90 schon ziemlich groß war. Dementsprechend quiekte ich wie ein dralles Frühlings-Ferkel zur morgendlichen Fütterung, als ich beim Auspacken des guten Stücks feststellte, dass wir es hier mit einem kräftigen Hals zu tun haben. Ach, was rede ich – das Ding ist ein richtig fetter Knüppel. Der Bon-Jovi-Gitarrist scheint es also eher üppig zu mögen – gar nicht so selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass der der junge Kanadier mit griechischen Wurzeln – der seit 2013 den Job von Gitarrenlegende Richie Sambora übernommen hat – eine eher moderne Spielweise an den Tag legt.
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Dicker Hals
Tja, was sagt man da? Dreh und Angelpunkt dieser Gitarre ist meiner Meinung nach ganz klar der absolut außergewöhnliche Hals. Aber der Reihe nach. Nachdem Phil X in der Vergangenheit vor allem mit seinem Signature-Modell von Yamaha – der SG1801PX – zu sehen war, bekam der junge Mann nun also auch eine Gitarre von Framus nach seinen Wünschen gebaut. Ähnlich wie bei der Yamaha, haben wir es auch hier mit einem Double-Cut- Design zu tun, welches im weitesten Sinne an die Gibson SG angelehnt ist – allerdings mit einem gewissen asymmetrischen Schwung in der Korpusform, wie wir ihn beispielsweise von der ESP Viper kennen. Die gesamte Gitarre ist hochglänzend weiß lackiert, wobei es sich hier um eine blitzsaubere Arbeit handelt.
Unter der Farbe findet sich sowohl beim Body als auch dem Hals eine solide Mahagoni- Konstruktion. An den Zargen wurde der XG PX90/PX90 ein schöner Schliff verpasst, der dem Instrument eine gewisse sportliche Eleganz und Dynamik verleiht. Auch der Übergang des eingeleimten Halses in den Korpus wurde – gemessen an der traditionellen Konstruktion – schön ergonomisch gestaltet, sodass auch die hohen Lagen gut bespielbar sind. In Sachen Steg-Hardware finden wir bei der Framus Phil X eine recht simple Ausstattung: Tune-o-matic-Bridge, Stop Tailpiece und fertig ist das Ganze. Erfreulicherweise setzt man hier auf Teile des allseits beliebten Herstellers Tone Pros, der ja für seine hochwertigen Teile und pfiffigen Detaillösungen bekannt ist. Die Locking- Mechaniken und der Sattel kommen von Graph Tech – auch hier also nur hochwertige Zutaten. Interessant finde ich das Konzept der Ratio-Lock-Tuner, welche dafür sorgen, dass jede Mechanik die gleiche Übersetzung hat.
Einen schönen Kontrast zum weißen Korpus stellt das Palisandergriffbrett dar, welches ganz ohne Einlagen belassen wurde. Im Gegensatz zu vielen anderen Griffbrettern haben wir es hier mit einem sehr hellen Stück Holz zu tun, dass mich in seiner Maserung ein klein wenig an Wenge erinnert. Die 22 schmalen Vintage- Bünde sind sauber in das Fretboard eingelassen und so verarbeitet, dass man die Enden der Bundstäbe an der Griffbrett- Zarge nicht sehen kann – ein wirklich hübsches Detail. Leider sind die Bundmarkierungen auf der Griffbrettkante etwas kontrastarm und dadurch nicht so gut erkennbar. Wie schon erwähnt ist es vor allem der Hals, welcher die Bäckchen vor Freude rot werden und den Blutdruck ins Ungesunde steigen lässt. Hier hat man wirklich nicht gegeizt und es stellen sich unvermittelt Erinnerungen an das gute, alte Gibson-Roundback- Profil der späten 50er-Jahre ein.
Sowas ist ja heutzutage nicht gerade verbreitet und ich freue mich, dass Framus so mutig ist, die XG-Modelle mit einem solch unpopulären Halsprofil auszustatten. Wer nun aufgrund dieses halben Baseball- Schlägers entsetzt dem Impuls zum Weiterblättern nachgeben möchte, dem sei gesagt, dass der Hals trotz seiner beachtlichen Maße super in der Hand liegt und selbst für die winzigen Händemeiner Frau durchaus händelbar ist. Bei den Pickups setzt Framus auf P90-Tonabnehmer aus der kalifornischen Boutique- Schmiede Arcane, die in schwarzen Kunststoff-Kappen montiert werden. Diese Pickups wurden extra für Phil X entwickelt und sind zudem über dessen offiziellen Online- Store separat erhältlich. Während es sich beim Halspickup laut Hersteller um einen eher traditionellen P-90 handelt, haben wir es am Steg mit einer fetten Overwound-Variante zu tun, die deutlich mehr Dampf auf den Verstärker bringen soll. Zusammen mit einem Master- Volume- und -Tone-Regler sowie dem Toggle-Switch folgt die Elektronik der betont einfachen Ausstattung. Ein Blick in das einfach zu öffnende E-Fach zeigt, dass auch hier saubere Verarbeitung scheinbar oberstes Gebot ist. Von Kabelsalat oder Billig-Bauteilen keine Spur. Sowieso muss man festhalten, dass Framus mit der Phil X Signature dem Motto „weniger ist mehr“ folgt und dabei eine wirklich gute Verarbeitung liefert. Einfach Klasse, was die Jungs in Markneukirchen da hinbekommen haben.
Phil X im Netz
Auf dem YouTube-Kanal ,Frettedamericana‘ mit unglaublichen 118.000 Followern präsentiert Phil X laufend die verschiedensten Amps, Gitarren und Pedale. Auch ein Video zu seinen Arcane-Signatur-Tonabnehmern ist dort zu finden.
Dicker Ton
Im Praxistest fällt mir sofort die tolle Bespielbarkeit der Framus XG PX90/PX90 auf. Die SG-Form gehört jetzt nicht zwangsläufig zu meinen persönlichen Favoriten, wenn es um Handling und Spielkomfort geht – dennoch muss ich sagen, dass aufgrund der leicht asymmetrischen Korpusform und der großzügigen Shapings an der Zarge, die Gitarre wirklich sehr bequem in der Handhabung ist und sich einfach ein bisschen zeitgemäßer anfühlt. Trocken gespielt liefert die Phil-X-Gitarre einen rundum ausgewogenen Ton mit schnellem Attack und schönen, perlenden Höhen, was vielleicht auch der sehr guten Werksbesaitung zuzuschreiben ist. Ein Blick auf den Lieferschein bestätigt, dass hier beschichtete Saiten des Herstellers Cleartone verwendet werden, deren brillanter Klang lange erhalten bleibt. Wie bereits erwähnt, zeigt sich der Hals als absolut problemlos bis in die höchsten Lagen bespielbar und ich würde sagen, dass die Jungs von Framus es tatsächlich geschafft haben, den ganz schmalen Grat zwischen einem wirklich kräftigen und einem zu klobigen Hals zu treffen. Ich persönlich zumindest fühlte mich auf diesem Knüppel sofort zu Hause.
Am Verstärker bin ich zunächst einmal gespannt, wie sich die P90-Tonabnehmer von Arcane hier schlagen werden – schließlich bekommt man nicht alle Tage solche Boutique-Pickups vor die Flinte. Im cleanen Betrieb zeigt sich der Hals-Tonabnehmer als wirklich außerordentlich brillant und transparent klingend und ich würde mal spontan behaupten, dass ich selten einen Tonabnehmer gehört habe, der auf dieser Position so problemlos benutzbar ist. Kein Matsch, kein Wummern in den Bässen – dieser Tonabnehmer löst selbst harmonisch komplexe Akkorde mühelos auf und macht zudem auch im Crunch-Bereich eine extrem gute Figur. Schmierige Blues-Lines gehen hier ebenso gut wie präzises Single-Note- Spiel.
Der PX90 am Steg rasselt dann vergleichsweise doch ziemlich mit dem Säbel – hier ist definitiv die ein oder andere Wicklung mehr auf dem Spulenkörper. Wo mein Verstärker eben noch einen sanften Crunch-Sound von sich gab, wird die Vorstufe nun doch merklich Richtung Overdrive geprügelt. Der Sound hat eine gigantische Ladung Mitten, die aber keineswegs nasal klingen, sondern einfach wie eine Wand im Raum stehen. Dabei verliert der Ton selbst im Distortion- Bereich kein bisschen an Dynamik – man hat immer das Gefühl, dass – je nach Anschlag – der Ton nach unten und oben nochmal so richtig austeilt. Ob nun melodische Licks der Marke Neil Young oder tiefergestimmte, sumpfig-versoffene Sludge-Riffs – für die Framus Phil X Gitarre alles kein Problem. Klar, die P-90- typischen Nebengeräusche finden wir auch hier – letztendlich haben wir es immer noch mit einer Singlecoil-Konstruktion zutun; einzig in der Mittelposition des Pickup-Wahlschalters ist Ruhe. Während des Tests zeigte sich, das der Schalter leider eine leichte Kontaktschwäche zu haben scheint und manchmal minimal kurze Aussetzer während des Schaltens produziert. Dieses Problem sollte allerdings ziemlich einfach zu beheben sein. Alles in allem bleibt noch einmal hervorzuheben, wie vielseitig und souverän sich die Framus XGPX90/PX90 im Praxistest schlägt.Woman ob der Ausstattung und des Designs womöglich das berühmte One-Trick-Pony vermutet hätte, findet sich eine absolut facettenreiche Gitarre, die das gesamte Spektrum von Blues, über Hard Rock bis hin zu Heavy Metal mühelos abdeckt.
Alternativen
Tja, diesen Teil des Tests können wir wohl relativ kurz halten. Sicherlich wird es irgendwo die ein oder andere Gitarrenschmiede geben, die einem eine SG-Style- Gitarre mit einem solchen Knüppel-Hals bauen kann – unter den üblichen großen Gitarrenherstellern ist mir jedoch keine wirkliche Alternative zur Framus XG bekannt.
Resümee
Um es kurz zu machen:Wer auf der Suche nach einer richtig gut verarbeiteten Brotund- Butter-Rockgitarre made in Germany ist, darf bei der Framus XG PX90/PX90 aus der Team-Built-Reihe bedenkenlos zuschlagen. Die Qualität befindet sich wirklich auf Top-Niveau und das absolut kompromisslose Halsprofil dürfte bei dem ein oder anderen Riff- Warrior für höchstes Entzücken sorgen. Bedenkt man die hohe Verarbeitungsqualität, den wirklich sehr guten Sound, die hochwertige Hardware und das extrem hochwertige Gigbag, scheint mir der Preis von ca. € 2699 vollkommen in Ordnung zu sein.
Hallo,
Ein Toggle-Switch der “Kontaktschwäche” zeigt und als Resumee trotzdem “Qualität auf Top-Niveau” und hohe Verarbeitungsqualität zu einem Preis von 3.470€?
Meiner Meinung nach: schöne Gitarre aber schamlos teuer.
Die Endkontrolle hätte den Wackelkontakt entdecken müssen.
Hallo,
Ein Toggle-Switch der “Kontaktschwäche” zeigt und als Resumee trotzdem “Qualität auf Top-Niveau” und hohe Verarbeitungsqualität zu einem Preis von 3.470€?
Meiner Meinung nach: schöne Gitarre aber schamlos teuer.
Die Endkontrolle hätte den Wackelkontakt entdecken müssen.
Beste Grüße
Rolf