Distortion deluxe

Diezel VH 4, Distortion/Preamp-Pedal im Test

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Als Peter Diezel 1992 seinen genialen  auf den Markt brachte, war das mehrkanalige Konzept mit MIDI und aufwendiger Anschlussperipherie eine wegweisende Innovation. Aus heutiger Sicht muss man den Amp als historisch bedeutenden Meilenstein der Verstärkertechnik einstufen. Und er hat Bestand, Diezel hat ihn  noch immer im Programm. Wie wir hier sehen jetzt sogar als Schrumpfversion für das Pedalboard.

(Bild: Dieter Stork)

 

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Der Amp sorgte Mitte der 90er-Jahre zunächst vor allem in den USA für Furore. Wohl ausgelöst unter anderem dadurch, dass Metallica und einige andere im Genre angesagte Acts offen bekundeten, den Amp zu benutzen. In der Heavy- Rock- und Metal-Szene war Diezels High- Tech-Topteil jedenfalls schwer angesagt. Klar, der große Sturm hat sich inzwischen gelegt, aber der Amp ist nach wie vor eine absolut konkurrenzfähige Größe mit Benchmark-Status.

Tief im Inneren seines Herzens steht der mit den frühen Marshall-100-Watt-Topteilen (Superlead-Plexi und Nachfolger) im Bunde. Auf Basis derer hatte Peter Diezel seine Konzepte über Jahre entwickelt. Ganz selten sieht man einmal auf dem Gebrauchtmarkt eines seiner Marshall- Monster, die bereits die in vier Reihen schräg diagonal angeordneten Potis zeigen. Logisch wurde das dann auch das zentrale Merkmal, die Ausstattung mit vier separaten, vollkommen eigenständigen Kanälen, die in Stufen ansteigend auf unterschiedlichen Gain-Ebenen arbeiten. Das Pedal ist dem Kanal #3 des VH 4 nachempfunden, der von vielen Usern favorisiert wird, weil er zwar schon sehr heiß zerrt, aber erdiger klingt als der moderne Kanal #4.

Analog emuliert

Das dürfte dem Diezel Peter nicht leicht gefallen sein, sich als überzeugter Verfechter der Röhrentechnik hinzusetzen und mit Halbleitern sein „Meisterwerk“ nachzuahmen. Es hat ihn ewig lange Sessions mit AB-Vergleichen gekostet, sagt er selbst, bis er zufrieden war. Glaube ich wohl, denn ich kenne ihn (seit den Anfangszeiten der Firma) als überkritischen und alles andere als leicht zufriedenzustellenden Entwickler. Nun, die Aufgabe war es ja wert, denn nur so können auch Kollegen mit kleinem Budget in den Genuss des Diezel-Sounds kommen … wenn denn das Projekt gelungen ist – werden wir gleich sehen.

(Bild: Dieter Stork)

Dass man das Pedal nicht mit einem normalen Distortion-Pedal vergleichen darf, dürfte nach den einleitenden Worten klar sein. Die durchweg analoge Schaltung entspricht im Prinzip mit Gain, Master, Treble, Middle und Bass dem kompletten Kanalzug des Amps. Ergänzt von Presence und Deep, ganz wie beim Vorbild. Während diese beiden Regelbereiche beim Amp (und überhaupt bei den meisten entsprechenden Produkten auf dem Markt) in der Gegenkopplung der Endstufe liegen, hat Peter Diezel für das Pedal eine spezielle IC-Schaltung entwickelt, die annähernd die gleichen Eigenschaften haben soll. Das Pedal hält ansonsten noch zwei Ausgänge mit unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften bereit. Der eine ist für den Betrieb vor einem Gitarrenverstärker vorgesehen, mit dem anderen kann man direkt in eine Endstufe gehen.

Zugunsten maximaler Dynamik im Signal wird die Elektronik mittels Spannungsverdopplung intern mit 24VDC gespeist. Das Pedal braucht 12 – 18 VDC bei nominal 1500 mA. Ein passendes Netzteil wird mitgeliefert. Außerdem auch ein 18V-Splitter- Kabel (serielles Y-Kabel), falls man die Stromversorgung aus zwei separaten 9- Volt-Quellen eines Netzteils entnehmen möchte – Stichwort Integration ins Pedalboard. Wie nicht anders zu erwarten, erweist sich die Verarbeitung als hochwertig. Die Platine ist sauber gefertigt und beherbergt hochwertige Bauteile. Kein Voodoo drin, normale ICs, und bei der Distortion- Erzeugung sind – wie man es aus der Produktsparte seit langem kennt – Dioden beteiligt. Typisch für Diezel ist die Verwendung von Kondensatoren des Typs MKP, gefertigt vom Hersteller WIMA. Substantiell ist soweit alles bestens. Abzüge in der B-Note gibt es allerdings dafür, dass das an sich ordentlich gefertigte Aluminium-Gehäuse an einigen Ecken unangenehm scharfkantig ist – da fehlt im wahrsten Sinne des Wortes der letzte Schliff. Die Status-LED leuchtet mit sehr hellem blauen Licht. Der Fußschalter arbeitet nach dem True-Bypass-Prinzip.

Reife Leistung

Wenn es in die Praxis geht, stellt sich natürlich zuerst die Frage, wie weit sich das Pedal an den Ton des VH 4-Amps annähert. Nun, absolute Deckungsgleichheit wird ja wohl niemand erwarten, oder? Wie sollte das gehen?! Aus meiner Sicht ist das Ergebnis aber sehr beachtlich. Weil das Timbre deutlich getroffen ist, wesentliche Charakterzüge tatsächlich zum Vorschein kommen. Nicht nur hinsichtlich des Sound-Vermögens an sich, sondern auch was die Variabilität und die Ansprache angeht.

Wie elegant das VH 4-Pedal tatsächlich den Sound formt, mag der eine oder andere unter Umständen nicht gleich im ersten Moment bemerken. Also bitte nicht zu schnell urteilen. Zeit lassen beim Anchecken, in die Tiefe hören, sich auf die eher stramme als nachgiebige Ansprache einstimmen, spüren, wie sensibel sich die Verzerrungen durch die Spieltechnik modellieren lassen, wie präzise das Pedal mit Details umgeht. Ganz besonders und qua litativ wertvoll ist, wie sich die Hochmitten sättigen. Sie changieren regelrecht in der Klangfarbe und nähern sich damit sehr weit an feinst abgestimmte Röhren- Distortion an. Damit in Zusammenhang steht sicherlich die ausgeprägte Sensibilität für (provozierte) Obertöne/Flageoletts. Dank hoher Dynamik glänzt die Wiedergabe mit viel Kraft und energischem Druck im Attack, wie man es zum Beispiel bei gedämpft gespielten Linien auf den tiefen Saiten sehr schön erleben kann. Nicht nur hier macht sich der Deep-Regler bezahlt, der schon feinfühlig dosiert zeigt, wie mächtig das VH-4-Pedal im Bassbereich zulangen kann

Möchte man den Grund-Sound definieren, tut sich die Schublade „moderne High-Gain-Distortion britischer Prägung“ auf. Die konsequent harte Gangart, punktgenau und druckvoll, auch bei tiefgestimmter Gitarre, ist aber nicht alles was das Pedal kann. Es schafft nämlich tatsächlich den Spagat hin zu feinem, leicht anzerrendem, reaktivem Overdrive, mit dem man z. B. trefflich einem John Mayer nacheifern kann. So ergibt sich im Verbund mit der nachhaltig arbeitenden Klangregelung ein ziemlich weit gefasstes Spektrum an Sound-Optionen.

Um die auszuloten, empfehle ich auch einmal Treble und Presence weit entgegengesetzt abzustimmen. Ergibt markante Unterschiede im Charakter. Middle reicht ebenfalls weit in höhere Frequenzen hinein, sodass hier letzten Endes effizient ein interaktives Trio am Werk ist. Ja, es zeigen sich noch weitere Plus-Einheiten. Abgesehen davon, dass sich die Verzerrungen schön dicht und harmonisch ausbilden – was man von einem anspruchsvollen Distortion-Pedal als Selbstverständlichkeit erwarten darf – ist dem VH 4-Pedal die Qualität zueigen, auch noch bei sehr hoher Distortion-Intensität die Details des Instruments filigran herauszustellen. So kommen die fünf Pickup- Positionen einer guten Vintage-Stratocaster maximal markant zur Geltung. Sprich, die Transparenz des Klangbilds liegt sehr hoch. Das Sustain wird indes nur moderat unterstützt.

Platine noch diskret aufgebaut, bald partiell mit SMD-Bauteilen, die MKPs bleiben 😉 (Bild: Dieter Stork)

Belassen wir es dabei. Ich denke, es ist ausreichend deutlich geworden, dass sich das VH-4-Pedal auf sehr hohem Niveau bewegt. Es macht seine Qualitäten grundsätzlich vor jedem adäquaten Gitarrenverstärker frei. Es liegt in der Natur der Sache, dass es auch weniger günstige Konstellation geben kann, sich zwei nicht ganz so gut vertragen. Wie hier vor Ort geschehen bei meinem Fender-75-Topteil (aus der Rivera-Ära). Tendenziell ein bisschen giftig, bestimmt nicht jedermanns Sache was das Team von sich gab. Der Betrieb vor einer Endstufe bzw. bei Anschluss an einen Effektweg-Return-Eingang dürfte nach meinen Erkenntnissen durch den Check an einem halben Dutzend unterschiedlicher Verstärkertypen als universell betrachtet werden.

Zum Schluss zeigt sich wie so oft, dass eben doch nicht alles nur goldig ist was glänzt. Der Regelweg des Master Volume- Potis sorgt beim Betrieb vor dem Gitarren-Amp für Unmut. Es steigt gleich zu Beginn mit hohem Pegel ein. Ja, schon fummelig, unter diesem Umstand zum (Amp-Clean-) Bypass die Lautstärke- Balance einzustellen, Millimeterarbeit. Bitte ändern, Peter Diezel! Soll angeblich schon in der Mache sein …

Alternativen

Anderen Distortion-Pedalen ist das VH 4 allein schon wegen der umfangreichen Klangregelmöglichkeiten überlegen. Wie will man da Vergleiche anstellen und alternative Empfehlungen geben. Ganz zu schweigen vom Sound, in dem markant ein eigener Charakter schwingt. Einen Kandidaten kann ich aber doch nennen, Friedmans BE-OD/Brown Eye-Overdrive. Es gehört in seinen Fähigkeiten ganz klar zu selben Kategorie, verfügt über eine leistungsfähige Klangregelung und mit dem Tight-Poti über ein nahezu ebenbürtiges Pendant zum Deep-Regler des VH 4 (hier geht es zum Test).
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Resümee

Kurz und bündig auf den Punkt gebracht: Das in den USA gefertigte VH 4-Pedal gehört derzeit sicher zu den besten Distortion- Tonmaschinen im Pedalformat. Einerseits wegen seiner herausragenden Sound-Qualitäten, andererseits weil es (weit) überdurchschnittlich variabel ist. Grobes Finish am Gehäuse und das nicht optimal funktionierende Master-Volume schmälern die Freude ein wenig. Trotzdem ist aus unserer Sicht das Preis-Leistungs- Verhältnis immer noch als positiv zu bewerten.

Plus

  • charakterstarke Sound-Formung, hohe Variabilität
  • harmonische Verzerrungen, hohe Transparenz
  • sensitive Dynamik/Ansprache
  • Deep-Regler
  • geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung/Qualität der Bauteile

Minus

  • Regelweg des Master Volume-Potis
  • Gehäuse scharfkantig

Soundfiles

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einem Celestion-Vintage 30 im klassischen 4×12-Cab.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop.

Clip 7 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


Aus Gitarre & Bass 05/2017

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo liebes G&B-Team.
    Habt ihr während des Tests auch ständig so einen nervigen Grundgeräuschpegel des VH4-Pedal gehabt. So ein sehr obertonreiches Fiepen/Rauschen?! Betreibe meins über ein TC G-System und habe schon alles nebst umgelöteter Kabel und Noisegate alles probiert. Das TC hat die IB-Mod. Trotzdem muss ich immer noch das Gate benutzen. Anders ist es echt nur nervtötend…!
    Wisst ihr eine mögliche Lösung?

    Vielen Dank!

    Gruß

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