Gitarrenlegende Warren Haynes attestiert dem 20-jährigen Newcomer das Talent eines Derek Trucks. Vermutlich deshalb hat er auch gleich Marcus Kings zweites Album produziert. Denn das Greenhorn aus Greenville ist einer der interessantesten neuen Gitarristen der USA.
Der stämmige junge Mann mit dem stilechten Stetson stammt aus einer echten Musikerfamilie aus den Südstaaten. Eben so richtig mit Hausmusik auf der Veranda, wie es sich für Landmenschen in South Carolina gehört. Marcus’ Vater zeigte seinem Junior die Rock- und Blues-Klassiker der 60er- und 70er-Jahre, der Großvater die Country-Tunes von Hank Williams und Merle Haggard. Marcus selbst studiert drei Jahre Jazz-Gitarre in Greenville, sucht Musiker und macht sich auf den Weg – mit einem furiosen Stilmix für den ihn die USPresse feiert: „Jazz-Infused, Twang-Infected, Psychedelic, Southern Rock Soul Sensation.“ Wir trafen den Newcomer nach seinem Konzert im Berliner Bassy Club zum Gespräch.
Anzeige
Interview
Marcus, dein Markenzeichen ist eine 1962er Gibson ES-345. Genau genommen das perfekte Instrument, für den Stilmix, den du bedienst.
Marcus King: Nun, diese Gitarre gehörte meinem Großvater, der sie 1964 gekauft hatte. Mein Vater schenkte sie mir dann vor ein paar Jahren, als ich begann Konzerte zu spielen. Doch jetzt, wo ich so viel auf Reisen bin, spiele ich ein Gibson-Reissue-Modell … Aber ich finde auch, dass diese Hollowbody perfekt zu mir passt, weil ich damit ganz verschiedene Sounds bedienen kann.
Deine zweite Gitarre ist eine SG mit Mini-Humbuckern.
Marcus King: Ja, eine ganz spezielle Gitarre für mich! Ich besitze sie, seit ich elf Jahre alt war, und auf ihr habe ich spielen gelernt. Ich fand sie in einem kleinen Buchladen auf dem Land, irgendwo im Nirgendwo. Und schon beim ersten Anspielen war ich in sie verliebt. Sie ist ungewöhnlicherweise mit diesen Gibson-Mini-Humbuckern (wie von einer Les Paul Deluxe) bestückt, was sie wohl für die meisten Musiker unattraktiv gemacht hat. Aber ich fand sie sehr speziell und liebe sie. Ich spiele sie aber fast nur noch zu Hause.
Sind alte Instrumente Voraussetzung für den eigenen Sound, den du spielst?
Marcus King: Generell vielleicht nicht zwingend, für mich persönlich aber auf alle Fälle. Ich finde es klingt echter und fühlt sich besser an. Es hilft meinem Ton, für die Stile, die ich spiele. Aber live komme ich klanglich auch mit meinem ES-345 Reissue-Modell gut zurecht. Da kommt es eher darauf an, dass du deine Songs mit Leidenschaft rüberbringst.
Du spielst bevorzugt Fender-Amps, aktuell einen Twin Reverb. Auch bei Studioaufnahmen?
Marcus King: Ich mag alle möglichen Fender-Amps, am liebsten aber meinen alten 65 Blackface Super Reverb. Mit dem bin ich quasi aufgewachsen. Ich halte ihn für einen sehr ehrlichen Amp, der nichts schönt oder verdeckt. Bei verhaltener Lautstärke hörst du exakt den Charakter deiner Gitarre, so wie sie wirklich klingt. Und wenn du ihn aufreißt, bekommst du einen ungemein kraftvollen, präsenten Ton. Das ist mein absoluter Lieblings-Amp, im Studio und Live.
Welche Rolle spielt der Ibanez TS-9 Tube Screamer für deinen Sound?
Marcus King: Ich nutze ihn weniger als Overdrive-Effekt, sondern um meinen Amp anzublasen. Ich reiße den Amp komplett auf, drehe aber das Level am TS-9 runter auf etwa nur 7 Uhr. So bekomme ich einen druckvollen Sound, der auch in kleinen Clubs gut funktioniert. Ich weiß, dafür gibt’s unzählige Varianten, aber für meinen Geschmack bringt der TS- 9 genau den Sound, den ihn mag. Die Intensität des Overdrive bestimme ich je nach Song, zumal die ES-345 als Hollowbody- Instrument ziemlich sensibel reagiert. Deswegen habe ich den Tube Screamer oben auf meinem Amp liegen, damit ich ihn jederzeit feinjustieren kann.
Auf ‚Self-Hatred‘ hast du einen schönen Wah-Sound.
Marcus King: Das ist ein Cry Baby – das einzige Wah- Pedal, das ich je gespielt habe. Und ich spiele das jetzt schon so lange, dass ich einfach dabei geblieben bin. Der Sound entspricht meinen Vorstellungen. Warum also experimentieren? (lacht)
Du hast unlängst ‚Midnight Rider‘ auf Duane Allmans alter Hummingbird gespielt, bei einer Session im The Big House Museum der Band in Macon, Georgia.
Marcus King: Oh Mann, was für ein cooler Tag! Die Jungs hatten mich eingeladen. Und ich durfte all die coolen Instrumente des Museums spielen. Ich hatte mich immer gefragt, was für eine Gitarre Duane wohl für ‚Midnight Rider‘ benutzt hatte. Und angeblich ist das die Gitarre auf der er den Song geschrieben hat. Ich durfte später auch seine 1957er Gold-Top live spielen. Was für eine Ehre!
Was ist eigentlich deine favorisierte Akustikgitarre?
Marcus King: Eine 1961er Martin 0-18, auf der ich meist Songs schreibe. Und seit einiger Zeit eine Hummingbird. (lacht)
Warren Haynes hat dein neues Studio- Album produziert. Er soll dir gezeigt haben, wie man Live-Feeling im Studio einfängt. Was hat er dir geraten?
Marcus King: Er hat uns ermuntert und auch die Rahmenbedingungen geschaffen, einfach live im Studio zu spielen. Das ist schließlich das, was wir am besten können. Wir sind eine Live-Band! Tracks gemeinsam einzuspielen ist eine ganz normale Sache für uns, bloß im Studio sozusagen unter dem Mikroskop. Mit Warren zu arbeiten war großartig, er ist schließlich einer meiner Helden. Er ist ein exzellenter Produzent, ein toller Songwriter und Musiker. Er hat mir viel gezeigt, etwa wie man Songs strukturiert um sie dem Ohr des Zuhörers verständlich zu machen, damit er versteht ,was man künstlerisch sagen will.
Dein Spiel sieht erstaunlich unangestrengt aus. Dabei wechselt die Technik deiner rechten Hand pausenlos zwischen Hybdrid-Picking, Strumming und Plek-Spiel.
Marcus King: Das kommt durch meine Familie, ganz klar. Von meinem Vater habe ich Hybrid- Picking gelernt, da er viel Blues und Rock’n’Roll gespielt hat. Durch meinen Großvater habe ich Flatpicking gelernt, da er auf Bluegrass stand. Mit diesen Techniken habe ich meine Anschlagshand geschult, je nachdem, was für Musik ich gerade spielte. Denk nur an Jimi Hendrix oder Stevie Ray Vaughan: Auch sie haben mitunter ohne Plek gespielt, um einen anderen Sound beim Anschlag zu erreichen. Aber am liebsten mag ich Hybrid-Picking mit dem Plek zwischen Daumen und Zeigefinger und dem Zupfen von Mittel- und Ringfinger. Das ist cool, weil ich so direkt zwischen Picking, Strumming und Leads wechseln kann. Denk nur an Danny Gatton …
Du spielst auch Banjo und Pedal Steel. Es heißt, du habest „einen tiefen Hunger“ auf alles, was Saiten hat.
Marcus King: Oh ja, Mann! Es gibt so viel großartige Musik und ich versuche immer zu lernen. Wenn ich Songs schreibe, inspirieren mich Sounds. Deswegen daddel ich manchmal auf der akustischen Gitarre herum, auf einem Bass oder Banjo. Jedes Instrument hat eine andere Persönlichkeit und daraus entstehen unterschiedliche Stücke.
Was deinen Leads einen besonderen Dreh verpasst, sind die Jazz-Skalen, die du mitunter aufblitzen lässt. Du hast Jazz-Gitarre bei Steve Watson an der Akademie von Greenville studiert …
Marcus King: Ich hatte drei Jahre Unterricht bei Steve und habe unglaublich viel gelernt. Ich hatte Musik bis dahin nur nach Gehör gespielt. Durch Steve bekam ich ein theoretisches Fundament, das mir sehr hilft und mich zu einem kompletteren Musiker gemacht hat. Ich kannte mich zwar auf dem Griffbrett aus, wusste wo Töne und Akkorde liegen, aber die wirkliche Tiefe habe ich erst durch ihn gelernt. Er hat mich außerdem immer motiviert und ermutigt das zu tun, was ich liebe. Er hat mir das Selbstvertrauen gegeben meinen Traum zu verwirklichen. Aber ich würde mich nie im Leben als Jazz-Gitarrist bezeichnen, nur um das mal klarzustellen. Doch der Jazz ist durchaus ein Einfluss für mich. Durch Steve habe ich Saxofonspieler wie Sonny Rollins und John Coltrane kennengelernt und sie als Inspiration entdeckt.
Bild: Universal Fantasy, Kamila
Bild: Universal Fantasy, Kamila
Bild: Universal Fantasy, Kamila
Joe Satriani hat mal darüber referiert, dass weniger andere Gitarristen, als vielmehr Bläser und Sänger für die Entwicklung seiner Phrasierungen wichtig waren …
Marcus King: Kann ich gut verstehen. Was man von Bläsern und Sängern lernen kann, sind die Pausen zwischen ihren Noten. Es hilft dir zu erkennen, wann und wo du am besten Pausen in einem Solo lässt. Ich liebe Saxofonisten und Trompeter. Deswegen habe ich auch zwei Jungs in meiner Band! (lacht)
Das führt uns zur Improvisation, denn bei fast all deinen Nummern gibt es einen Punkt, an dem du Raum dafür lässt.
Marcus King: Das ist ein wichtiger Aspekt meiner Konzerte. Das war schon bei der Musik so mit der ich aufgewachsen bin und ist auch wichtig für mich, um als Musiker zu wachsen. Ich will Musik fühlen! Und wenn ich in einem Song auf der Bühne an diesen Punkt komme, will ich das ausdrücken können. Außerdem halten Improvisationen dein Spiel frisch und spannend.
Dabei bist du gerade mal 20 Jahre alt! Aber du hast jahrelang intensiv geübt…
Marcus King: Ich habe Tage und Nächte mit meiner Gitarre in meinem Zimmer verbracht! Die Gitarre war schon immer mein bester Freund, neben meiner Familie, natürlich. Wir haben oft zusammen Hausmusik gemacht. Das hat uns verbunden. Ich habe das geliebt. Hausmusik war ein wichtiger Teil meiner Jugend.
Damals, als Teenager, fiel es dir angeblich schwer, dich mit anderen Kids anzufreunden; du warst lieber allein. Inzwischen scheinst du es zu genießen auf der Bühne zu stehen und vor vielen Menschen zu spielen.
Marcus King: Es ist noch immer komisch für mich, um ehrlich zu sein. Wenn ich inmitten vieler Menschen bin, macht mir das Angst. Aber wenn ich Musik spiele, macht das auch großen Spaß. Ich möchte, dass die Leute glücklich sind, wenn sie meine Songs hören. Ich gewöhne mich langsam daran.