Jason Newsted über Voivod, Metallica & Ozzy Osbourne
von Matthias Mineur, Artikel aus dem Archiv
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Nach seinem Karrierebeginn mit den Thrash-Metallern Flotsam And Jetsam war der Amerikaner Jason Newsted ab 1986 insgesamt fünfzehn Jahre lang Bassist bei Metallica, der größten Metal-Band unserer Zeit.
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Newsted war an den Metallica-Klassikern ,And Justice For All‘ und ,Metallica‘ (besser bekannt als „Schwarzes Album“) ebenso beteiligt wie an zahllosen Welt-Tourneen und spektakulären Festivalauftritten.
Im Frühjahr 2001 verließ Jason Newsted die Band, einerseits um seinen maroden Nacken/Rückenbereich auszukurieren, andererseits auch um die ihm bei Metallica verwehrte kreative Arbeit an eigenen Songs voranzutreiben.
https://www.youtube.com/watch?v=QzQjehHvJlQ
Jason Newsted spielte unter anderem bei Voivod und Ozzy Osbourne, gehörte der Band Echobrain an und half bei Warren Haynes’ Gov’t Mule aus. Seit knapp zwei Jahren hat er wieder eine eigene Formation, die zum ersten Mal in seinem Leben auch seinen Namen trägt: Newsted.
2013 trat Jason mit Newsted in Deutschland bei Rock am Ring/Rock im Park auf. Wir sprachen damals mit dem sympathischen Musiker über wichtige Stationen seines künstlerischen Lebens und seine eigene Band.
Jason, trotz all der Höhepunkte deines bisherigen musikalischen Lebens: Ist Newsted dennoch das größte Abenteuer deiner Karriere?
Jason Newsted: (lacht) Zumindest gehört es zu den größten Abenteuern meines Lebens. Ich bin total begeistert und fühle mich momentan wie ein kleines Kind.
Wann genau hast du entschieden, dich auf dieses Abenteuer einzulassen?
Jason Newsted: Alles fing damit an, dass Jessie Farnsworth, Jesus Mendez und ich ein kleines Demo aufnahmen, ohne dies jedoch als richtige Band zu betrachten, die auf Tournee geht. Doch dann hörte irgendjemand den Song ,Soldierhead‘, spielte ihn im Radio und die Sache nahm einen unvorhergesehenen Verlauf. Plötzlich hatten wir eine interessierte Plattenfirma und jetzt befinden wir uns bereits mitten auf einer 70 Konzerte umfassenden Tournee rund um den Globus.
Das alles war überhaupt nicht geplant, es passierte einfach, weil die Fans danach verlangten und ich mich entschied, es dann auch wirklich zu machen … Es ist in der Tat eine für mich völlig neue Situation. Ich habe noch nie zuvor eine eigene Band gegründet, sondern bin immer nur anderen Gruppen als neuer Motor oder als frisches Blut beigetreten. Newsted ist meine erste eigene Band in einer 32 Jahre andauernden Karriere. Insofern ist es eine vollkommen neue Erfahrung für mich.
Die größte Überraschung für dich müsste doch die Entdeckung deiner Lead-Stimme gewesen sein, oder?
Jason Newsted: Na ja, in meinem eigenen Studio habe ich immer auch schon Lead-Vocals aufgenommen, übrigens für ganz unterschiedliche Arten von Rockmusik. Natürlich habe ich immer daran gearbeitet, meinen Gesang zu verbessern und nicht nur wie Krümelmonster zu klingen. Bevor Eric A.K. Sänger bei Flotsam And Jetsam wurde, hatte ich viele Jahre zuvor gesungen, allerdings waren das eher Growls. In den zurückliegenden acht Jahren habe ich dann gezielt an meiner Stimme gearbeitet.
Hat all dieses Auswirkungen auf dein Bass-Spiel?
Jason Newsted: Natürlich ist es sehr schwierig, beides unter einen Hut zu bekommen. Jede Show ist eine riesige Herausforderung, Gesang und Bass gleichzeitig zu übernehmen und nicht einfach nur die Basslinien mitzusummen.
Mein Respekt vor Musikern wie Geddy Lee ist nochmals gestiegen, seitdem ich weiß, wie schwer es ist, irgendeine kranke Basslinie zu spielen und gleichzeitig dazu melodisch zu singen. Ich schrieb also die Basslinien um die Gesänge herum, aber auch das war alles andere als leicht.
Kannst du mal kurz die Kriterien beschreiben, nach denen du deine drei aktuellen Bandmitglieder ausgesucht hast?
Jason Newsted: Die Kriterien waren für alle drei Bandmitglieder die gleichen: Wir müssen menschlich miteinander auskommen. Es gibt Unmengen an guten Musikern, aber man nimmt ja auch gemeinsam seine Mahlzeiten ein, geht gemeinsam ein paar Bier trinken, man steht Probleme durch, muss die Eigenarten der anderen akzeptieren können.
Außerdem müssen alle aufs Wesentliche konzentriert, motiviert, diszipliniert, rational und gewillt sein, hart zu arbeiten. Das war mein Anspruch an die Jungs, die zu meiner Band gehören.
Unser Schlagzeuger Jesus Mendez Jr. stammt aus Fresno in Kalifornien, ich kenne ihn seit über zwölf Jahren, er war bei Metallica dabei und arbeitete als Drum-Techniker auf der Echobrain-Tour.
Unser Gitarrist Jessie Farnsworth singt auch Background-Vocals, außerdem hat er auf der EP ein paar Bässe eingespielt, wenn ich zur Gitarre griff, Gleiches gilt für die Bühne, wo wir auch gelegentlich die Instrumente tauschen. Er gehört ebenfalls bereits seit einigen Jahren zu meinem Power-Trio.
Vor vier Monaten stieß dann noch Mike Mushok von der Band Staind zu uns. Wir vier haben das erste Album eingespielt, während die EP noch ohne Mike aufgenommen wurde.
Wann und wie wechselst du auf der Bühne vom Bass zur Gitarre?
Jason Newsted: Heute bei Rock am Ring spiele ich Gitarre nur in der Nummer ,Skyscraper‘, dem vierten Stück unserer EP. Die Show ist heute lediglich 45 Minuten lang, während ich in unserem langen Set bei drei Songs zur Gitarre wechsle und Jessie den Bass übernimmt. Zu diesem Zweck habe ich meine Gibson SG und einen Orange-Amp dabei.
Gibt es einen bestimmten Typus von Song, bei dem du lieber Gitarre anstatt Bass spielst?
Jason Newsted: Das entwickelte sich mit der Zeit. Auf unserer EP übernahm ich neben den Bass-Parts auch sämtliche Rhythmusgitarren. Auf der Bühne entscheide ich danach, wie schwierig es ist, neben dem Bassspielen auch zu singen. In ,Skyscraper‘ ist es für mich einfach unmöglich, den Bass-Groove zu spielen und gleichzeitig den Leadgesang zu übernehmen. Ich habe es versucht, aber nicht hinbekommen. Deshalb spiele ich in dieser Nummer die Gitarre und singe.
Wie sieht dein aktuelles Bass-Equipment aus?
Jason Newsted: Mein Equipment ist seit 15 Jahren nahezu unverändert: Ich spiele eine Reihe von Sadowsky-Bässen, quasi meine eigenen Modelle, dazu kommen meine zwei alten SVTClassic-300-Watt-Amps plus zwei 8x10er Boxen, und für den verzerrten Sound zwei 100-Watt-Marshall-Tops, die ich über 4x12er-Mesa/Boogie-Boxen spiele.
Du spielst auf dieser Tour ausschließlich mit Plektrum, richtig?
Jason Newsted: Das ist richtig. Allerdings habe ich früher auch häufig mit Fingern gespielt, beispielsweise bei Gov’t Mule oder auch Echobrain. Die Metal-Songs meiner eigenen Band verlangen nach Plektren, und da ich mich damit auch sehr wohl fühle, fällt mir diese Entscheidung leicht.
Du selbst bezeichnest das erste Newsted-Album als reine Metal-Scheibe, ich höre jedoch auch einen deutlichen Anteil an Rockmusik. Oder würdest du mir widersprechen?
Jason Newsted: Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen Rock und Metal, für mich ist alles Musik, das erkennt man bereits am Titel der Scheibe: Heavy Metal Music. Jeder Song ist heavy, jeder Song hat Metal-Anteile und jeder Song ist Musik. Ich habe mich bemüht, alles sehr bodenständig und roh zu halten, eben auf den Punkt gespielt.
Du hast beim Komponieren sämtliche Songs auf den Gesang ausgerichtet?
Jason Newsted: Zunächst wurden, mit ganz wenigen Ausnahmen, alle Songs auf der Gitarre geschrieben, sie sind brandneu. Dazu programmierte ich das Schlagzeug und schickte diese Aufnahmen zu meinen Band-Kollegen, die dann daraus zusammen mit mir die Songs arrangierten.
Die Texte sind auch von dir?
Jason Newsted: Ja, alle Songs, alle Riffs, alle Texte sind von mir.
Wie viel Metallica ist in diesen Songs zu finden, und wie viel Voivod oder Flotsam And Jetsam? Was hast du von diesen Bands gelernt?
Jason Newsted: Bei Flotsam And Jetsam konnte ich als Künstler wachsen. Hier fing alles an und ich lernte, dass man durch harte Arbeit zur Perfektion gelangen kann. Wir waren eine unglaublich gut eingespielte Band, deren Songs nach Perfektion verlangten, sodass wir unzählige Stunden im Proberaum verbrachten, bevor wir auf die Bühne gingen. Durch intensives Proben entsteht Perfektion, das konnte ich bei Flotsam And Jetsam lernen.
Voivod war eine unglaublich anstrengende Sache, denn englisch war nur ihre zweite Sprache, die erste war französisch, also dachten sie in Dimensionen von „do-re-mi-fa-so-la-ti-do“ und nicht so wie ich in „c-d-e-f-g-a-h-c“. Das war aber nur der Anfang dieser besonderen Herausforderung, denn Piggy (Denis ,Piggy‘ D Amour, verstorbener Voivod-Gitarrist) stimmte seine Gitarren nie in normalen Tunings, sondern ausschließlich nach seinen eigenen Vorstellungen.
Also musste ich anhand seiner Fingersätze den Bass völlig neu lernen, zumal ich oft gar nicht verstand, wenn er mir mitteilte, dass seine Fingersätze aus ,do, re, mi‘ oder was auch immer bestehen. Es war eine riesige Herausforderung für mich, aber dadurch lernte ich, offen für Neues und sehr geduldig zu sein.
Bei Metallica lernte ich dann hart und sehr diszipliniert zu arbeiten und Opfer zu bringen. Aber es gab natürlich auch all die wundervollen Erlebnisse als Könige der Welt. (lacht)
Es ist toll, wenn viel Geld in die Taschen fließt, sich ständig jemand um dich kümmert und alle Menschen um dich herum riesigen Respekt vor dir haben. Daran gewöhnt man sich unglaublich schnell.
Auf der anderen Seite bedeutete Metallica aber auch, acht bis zehn Monate im Jahr von seiner Familie und seinen Liebsten getrennt zu sein, denn alles musste sich der Band unterordnen. In wirklich jeder Hinsicht stand die Band an oberster Stelle, weit vor Familie, Beziehung, Privatleben.
Diese Opfer können ziemlich schwierig sein. Was ich auch bei Metallica lernen musste und mir wünschte, dass ich es schon eher gelernt hätte: Nimm nichts persönlich! Eine wichtige Lektion! Nimm nichts persönlich, sondern schaue immer darauf, was im Leben wirklich kostbar und wertvoll ist.
War die Zeit bei Metallica die Phase deines Lebens, in der du am meisten gelitten hast?
Jason Newsted: Oh nein Mann, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, wirklich: ganz im Gegenteil! Am meisten gelitten habe ich, als Piggy starb. Nichts was sich bei Metallica abgespielt hat, reicht an diese schreckliche Erfahrung heran. Natürlich gab es bei Metallica Zeiten, in denen ich mit ihrem Lebensstil und ihrem Alkoholkonsum nicht einverstanden war. Aber der absolut überwiegende Teil war uneingeschränkt positiv.
Wir reisten rund um den Globus und verbreiteten mit Heavy Metal positive Energie, sahen unzählige lachende Gesichter. Gelitten habe ich bei Metallica nur sehr, sehr selten. Die einzige wirklich negative Erfahrung war, als sich James 1992 in Montreal auf der Bühne verbrannte. Wir wussten zunächst nicht, ob er jemals wieder Gitarre spielen kann und ob es die Band zukünftig überhaupt noch geben würde. Damals machte ich mir um Metallica ernsthafte Sorgen.
Und was hast du aus deiner Zeit bei Ozzy Osbourne mitgenommen?
Jason Newsted: Ozzy war das Paradebeispiel, wenn aus Helden deine Freunde werden. Er persönlich bat mich in seiner Band zu spielen! Ohne Black Sabbath hätte ich niemals mit dem Bass-Spielen angefangen. Ich habe in meinem Leben nichts häufiger geübt als die Bass-Parts von Geezer Butler, nur die Sachen von Steve Harris kommen dicht dahinter. Insofern war es für mich geradezu surreal, dass Ozzy mich in seine Band holte. Ich glaube, ich wurde bei Ozzy reifer und konzentrierte mich auf meine Rolle. Ich konnte bei ihm nicht links und rechts und quer über die Bühne rennen, sondern musste im Hintergrund bleiben und mich auf meinen Bass konzentrieren, um den Parts von Geezer Butler und Bob Daisley gerecht zu werden.
Flotsam, Voivod, Metallica, Ozzy – wonach klingt die Musik von Newsted am meisten?
Jason Newsted: Ich denke, dass Voivod der größte Einfluss für meine eigene Band sind. Die Art dissonanter Akkorde, die Piggy mir zeigte, die Art in der Snake (Denis Snake Belanger) singt und seine Worte wie Wellen über die Musik ausbreitet, von ihnen beiden habe ich unglaublich viel gelernt.
Ich habe natürlich auch eine Menge über Musik und Akkordstrukturen von James Hetfield bei Metallica gelernt, von Lars vor allem über geschäftliche Belange. Aber Voivod haben mich am meisten beeinflusst, zudem entdeckt man bei Newsted auch meine große Leidenschaft für Iron Maiden und Motörhead.
Bei all diesen Namen, die dich beeinflusst haben und bei denen du gespielt hast, passt ein Engagement nicht so recht hinein: Du hast mit Warren Haynes bei Gov’t Mule gespielt. Wie kam es dazu?
Jason Newsted: Natürlich handelt es sich bei Gov’t Mule um eine ganz andere Art von Musik, aber für mich ist nur entscheidend, ob sie gut ist oder nicht. Die Bands, bei denen ich die Ehre hatte, mitspielen zu dürfen, also Gov’t Mule, Sepultura, DJ Shadow, Echobrain, machen allesamt gute Musik. Insofern ist es für mich keine Überraschung, dass ich mit Warren Haynes sowohl im Studio als auch bereits ein paar Mal auf der Bühne gespielt habe.
Ich ging mit offenen Ohren und viel Neugier an diese Sache heran und konnte eine Menge lernen, auch von Matt Abts, dem Drummer der Band, und Danny Louis, dem Keyboarder. Für mich war es eine weitere ganz besondere Sache, mit so tollen Musikern und hervorragenden Instrumentalisten wie ihnen arbeiten zu dürfen.
Matt Abts ist sicherlich einer der besten Schlagzeuger, mit denen ich jemals gespielt habe, und ich habe wirklich schon mit vielen verrückten Kerlen wie Igor Cavalera, Lars Ulrich, aber auch Thomas Pridgen von Mars Volta gespielt, ebenso mit tollen Gitarristen wie eben Warren Haynes oder Zakk Wylde, von denen ich als Musiker und Fan eine Menge lernen konnte.
Letzte Frage: Nach dermaßen vielen großen Erfolgen, vor allem mit Metallica, was treibt dich heute noch an?
Jason Newsted: Ich weiß nicht, ob ich etwas Größeres erwarten kann als ich mit Metallica erlebt habe. Ich war bei der größten Band der Welt und stieg aus, als ich mit ihr auf dem absoluten Höhepunkt war. Insofern habe ich keine besonderen oder unbegründeten Erwartungen an Newsted, sondern freue mich nur, dass ich die raue Musik dieser Band den Fans näherbringen kann.
Die Rolle als Frontmann meiner Band füllt mich komplett aus, denn es handelt sich um meine eigenen Songs, die von den Fans mit offenen Armen empfangen werden. Ich bin überrascht, wie positiv die Leute auf Songs reagieren, die sie zum allerersten Mal hören und nicht bereits aus dem Radio kennen. Alles ist brandneu, es gibt nur ganz wenige Stücke im Set, die das Publikum eventuell bereits ein-, zweimal gehört hat. Insofern genieße ich die große Begeisterung, die das Publikum meiner Band entgegenbringt. Für mich ist dies etwas, das ich bei Metallica nie erleben durfte, nämlich für meine eigenen Songs und meine eigene Stimme respektiert zu werden.
Ich möchte diese Musik solange spielen wie es irgendwie geht. Alles fing mit einer kleinen EP auf iTunes an, um herauszufinden, ob es überhaupt jemanden gibt, der sich dafür interessiert, was ich mache. Ich wusste es nicht. Plötzlich sind alle total begeistert, dass ich wieder da bin, und es haben sich eine Menge neuer Möglichkeiten ergeben, die sicherlich noch mehr werden, wenn die Leute erst das neue Album gehört haben.
Und jetzt ist mein Ehrgeiz der gleiche wie zu Beginn bei Flotsam And Jetsam, nämlich unsere Musik in so viele Länder wie möglich zu bringen. Ich habe bereits in 52 Ländern gespielt, und wir werden unsere Musik überall spielen, wo man uns hören und sehen will. Dieser Anspruch hat sich für mich nie verändert.