Timmy C. im Interview

Wakrat, RATM, Audioslave … Am Bass: Tim Commerford

Anzeige

Trotz Millionen verkaufter Tonträger mit Rage Against The Machine und Audioslave: Der 48-jährige Kalifornier ist und bleibt ein unverbesserlicher Idealist, der die Welt retten will, ein klar definiertes Feindbild hat und auf laute, harte Rock- Musik schwört. Das unterstreicht Bassist Tim Commerford mit gleich zwei neuen Band-Projekten: Prophets Of Rage, die aus Mitgliedern von Rage Against The Machine und Public Enemy bestehen, sowie Wakrat, ein anarchisches Punk-Rock-Trio, das nichts als blutende Ohren hinterlässt.

(Bild: Earache/Warner, Epic/Sony)

Er kultiviert das Image des Berufsjugendlichen: Timmy C., wie er sich selbst nennt, sitzt im Frühstücksraum des Berliner Cosmo Hotels, trägt Khakis zu T-Shirt, Baseballkappe, Sneakers sowie großflächige Tattoos, und er ist schon von weitem als archetypischer Vertreter seines Berufsstandes zu erkennen. Eben drahtig, durchtrainiert und altersmäßig kaum zu definieren. Ein Typ, der tagelang mit seinem Mountainbike oder Rennrad unterwegs ist, strenge vegetarische Diät lebt und seinen Lebensunterhalt aus Tantiemen sowie mit gelegentlichen Gigs bestreitet. Heute gibt er zum Beispiel sein Deutschland- Debüt mit Wakrat, einem Trio, das neben ihm aus den beiden Exil-Franzosen Laurent Grangeon und Mathias Wakrat besteht. Letzterer betreibt eigentlich ein Bistro am Eagle Rock Boulevard in Los Angeles – wo Commerford, aber auch RATM-Sänger Zack de la Rocha Stammkunden sind. Und wo man sich zunächst auf eine Runde Biking und später zu einer gemeinsamen Jam-Session verabredete. Da stieß dann auch Gitarrist Grangeon hinzu, man intonierte göttlichen Krach in der Manier der Bad Brains, Helmet oder Black Flag und beschloss, eine Band zu gründen: Wakrat, frei nach Drummer Mathias. Was einige bohrende Fragen aufwirft…

Anzeige

Interview

Tim, seit Anfang 2016 mehren sich Gerüchte, Rage Against The Machine würden sich reformieren und ein neues Album aufnehmen. Stattdessen wartest du jetzt mit einer eigenen Band auf, Zack hat ein Solo-Album angekündigt und Tom Morello nebst Brad Wilk unterstützen dich bei den Prophets Of Rage. Alles ein bisschen verwirrend für den Fan, oder?

Tim Commerford: (lacht) Kann schon sein. Aber das Ding ist einfach: Wir tun halt nicht, was andere Leute von uns erwarten. Das haben wir noch nie getan. Unser Motto ist: „Fuck you, we don’t do what you tell us!“ (lacht) Das ist unser Mantra, und das gilt bis heute. Wir sind auch immer noch eine Band – wir haben uns nie getrennt. Und die Möglichkeit, dass wir noch zusammen Musik machen, ist nach wie vor vorhanden. Was ich toll finde. Ich meine, damit hätte ich nie gerechnet. Wenn mich 1990, als wir angefangen haben, einer gefragt hätte: „Glaubst du, diese Band hält 25 Jahre durch – und dann noch auf diesem Level?“, dann wäre meine Antwort gewesen: „Niemals!“ Ich hätte nur laut gelacht und gesagt: „Du bist ja verrückt! Das wird nie so lange halten.“ Aber das hat es. Und wir stehen uns immer noch nahe, wir reden regelmäßig miteinander, und ich habe Zack auch eingeladen, bei den Prophets Of Rage mitzumachen, wovon er sich sichtlich geschmeichelt gefühlt hat. Aber er hatte leider keine Zeit. Trotzdem hoffe ich, dass ich bald wieder irgend etwas mit ihm machen kann … Ob als Rage oder in welcher Konfiguration auch immer.

Aber momentan konzentrierst du dich auf zwei neue Projekte. Als Ausgleichssport?

Tim Commerford: Eher als eigenständige, ehrgeizige Bands, die die Welt erobern werden. Darunter mache ich es nicht mehr. (lacht) Und wir haben ja gerade erst angefangen – mit Wakrat haben wir bislang lediglich sechs Shows gespielt. Das ist also noch ein Embryo, und wir werden so lange auf Tour gehen, bis daraus eine richtige Band geworden ist. Mehr noch: Wakrat spielen im Vorprogramm der Prophets. Das sind über 30 Termine, wodurch sowohl wir, wie auch die Prophets wesentlich tighter und eingespielter sein werden. Und sobald das der Fall ist, sobald wir eine richtig gut geölte Maschine sind, werden wir die Rock-Szene auf den Kopf stellen – indem wir richtig Gas geben.

Mal ehrlich: Wünschst du dir nicht manchmal, ihr hättet mit RATM über die Jahre mehr als lediglich vier Alben aufgenommen? Ist das nicht arg wenig?

Tim Commerford: Nein, und zwar aus demselben Grund, den ich gerade erwähnt habe: Es ist genau das, was wir tun wollten. Die Plattenfirma hat enormen Druck auf uns ausgeübt, damit wir noch mehr machen. Sie wollten, dass wir mehr touren, mehr Videos drehen und den Markt auf eine Weise überfluten, wie es viele Bands getan haben. Nur: Die sind längst von der Bildfläche verschwunden, während wir immer noch da sind. Deshalb glaube ich auch nicht, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben. Im Gegenteil! … Wir verspüren keinerlei Druck, sondern machen nur, was wir wollen. Und wenn uns jemand ein verlockendes Angebot unterbreitet, wie eine kostenlose Show im Londoner Finsbury Park oder einen Slot bei einer wirklich wichtigen Benefiz-Veranstaltung, dann sind wir dabei. Dann sagen wir sofort zu. Das ist die Art von Band, die wir sind. Weshalb ich nur sagen kann: Wer Rage will, muss uns quasi inspirieren, etwas zu tun. (lacht)

Was Wakrat betrifft, war dein Verstärker angeblich nicht laut genug, um mit dem Rest des Trios mitzuhalten. Was verwendest du aktuell?

Tim Commerford: Es sind immer noch einige der selbstgebauten Effekte, die ich schon seit Jahren benutze. Zudem war es in der Vergangenheit immer so, dass ich neuere Ampeg- Verstärker modifiziert habe. Aber dann habe ich mich wieder in die alten Modelle verliebt – die Ampeg SVTs aus den 70ern, von denen ich etliche zusammengetragen habe. Bislang klingen alle, die ich gekauft habe, wirklich toll. Also viel besser als die neueren Versionen. Und einige davon verwende ich für die Prophets, andere für Wakrat.

Außerdem bist du nach 20 Jahren wieder zum Music Man StingRay zurückgekehrt. Wieso?

Tim Commerford: Weil ich mit einem StingRay und einem Rickenbacker angefangen habe. Und mit dem StingRay habe ich auch das erste RATM-Album aufgenommen und bin damit auf Tournee gegangen. Der Grund, warum ich dann gewechselt bin, ist der, dass ich zwischenzeitlich einen anderen StingRay bekommen habe und er einfach nicht so gut geklungen hat wie mein erster. Was mich echt frustriert hat. Jedes Mal, wenn mir auf meinem alten Bass eine Saite gerissen ist, machte sich bei mir Panik breit. Eben: „Oh, nein, jetzt muss ich wieder den schwarzen spielen, der nicht so gut klingt.“ Bis Fender auf mich zukam und fragte, ob ich Interesse hätte, einen ihrer Bässe auszuprobieren. Worauf ich nur meinte: „Sicher, warum nicht?“ Also probierte ich einen Jazz-Bass, den ich noch nie zuvor gespielt hatte. Und nachdem ich da eine Daumenauflage und noch ein paar andere Kleinigkeiten montiert hatte, um ihn bequemer spielen zu können, war ich damit auch hochzufrieden. Ich meine, ich hatte immer das Gefühl, dass der Music Man den größeren Pickup hat und damit einen netten, komfortablen Ort, um seinen Daumen ablegen zu können. Das war der Grund, warum ich die Bässe gemocht habe.

(Bild: Earache/Warner, Epic/Sony)

Eben, weil sie angenehm zu spielen waren. Dann habe ich einen Jazz Bass genommen, ihn komfortabel gestaltet und dann viele Jahre darauf gespielt. Bis ich während der Audioslave-Ära zu einem Lakland-Bass gewechselt bin. Und den habe ich seit 2000 verwendet. Er sieht aus wie ein Jazz Bass, ist aber in Wahrheit ein Hybrid aus einem Jazz Bass und einem Music Man. Und damit habe ich auch das Wakrat-Album aufgenommen. Vor Kurzem hat mich dann Brian Ball – der Enkel von Ernie Ball, dem Music Man gehört – gefragt, ob ich Lust auf einen neuen Bass hätte. Und so hat er mir seine Version von einem Jazz Bass zukommen lassen, wovon ich jedoch nicht sonderlich begeistert war. Nach dem Motto: „Dude, ich liebe den StingRay – das ist der ikonenhafte Music Man, den Louis Johnson, Bernard Edwards, Flea und viele andere gespielt haben. Was soll ich mit einer Kopie?“ Außerdem hatte er mir einen neuen Sting- Ray geschickt; ich betrachtete ihn in seinem Koffer und dachte: „Der kann nie so gut wie das Original sein.“ Doch sobald ich ihn gespielt habe, war ich komplett geplättet. Er hat einen 3-Band-EQ statt des originalen 2-Band-EQs. Sprich: Er war ganz anders und hat mich echt umgehauen. Schon wie er sich akustisch spielte und anfühlte.

Also hast du dich in die moderne Version des StingRays verliebt?

Tim Commerford: Ganz genau. Wobei ich auf dem Album aber auch noch einen Steinberger-Bass benutze, der eine unglaubliche Beständigkeit besitzt und immer hundertprozentig gleich klingt, weil sich der Graphit-Hals nicht bewegt. Man stimmt ihn, legt ihn in seinen Koffer, nimmt ihn zwei Jahre später wieder raus, und er ist immer noch perfekt gestimmt. Das ist das Besondere an diesen alten Teilen.

Warum machst du ansonsten so ein Geheimnis um deinen Ton bzw. darum, was sich dahinter an Gear oder Spieltechnik versteckt?

Tim Commerford: Weil ich halbwegs eigenständig und originell klingen will. Also möglichst nicht wie jeder, der einen Jazz-Bass über einen Ampeg spielt. Ich mache mir Gedanken, wie ich mich absetzen und unterscheiden kann. Was mir schon immer wichtig war. Eben, um eine eigene künstlerische Identität zu haben und mein eigenes Ding zu machen. Nur: Ich weiß nicht, ob das, was ich da mache, immer noch ein Geheimnis ist. Ich fürchte, die Leute haben mich längst durchschaut – weil es ja auch durchaus nachvollziehbar ist. Es ist ja auch nicht so, als hätte ich irgendetwas neu erfunden. (grinst) Oder als würde ich zaubern.

(Bild: Earache/Warner, Epic/Sony)

Aber du entfernst die Markennamen an deinem Equipment, du verfremdest die Gehäuse und modifizierst das Ganze nach deinen Vorstellungen …

Tim Commerford: Aber nicht mehr so oft, wie früher, als ich das aus Prinzip gemacht habe, wlso weil ich nicht irgendeine Marke spielen, sondern zum Ausdruck bringen wollte, dass sogenannte „Brands“ halt gar nicht so wichtig sind – es ist viel wichtiger, was man damit anstellt bzw. wie man sie für seine Zwecke nutzt. Doch mittlerweile bin ich da nicht mehr ganz so radikal. Ich bin zum Beispiel vor Kurzem über eine Firma namens Source Audio gestolpert. Sie produzieren diese Pedale namens „Soundblox“ und gaben mir einen digitalen Bass- Verzerrer, der einfach spektakulär ist. Ich verwende ihn für die Prophets – ein umwerfendes Pedal. Und wenn eine innovative Firma wie diese auf mich zukommt, und mir etwas derart Tolles anbietet, mache ich mir auch nicht die Mühe, den Namen zu entfernen. Das tue ich nur, wenn ich Equipment kaufe – also regulär dafür bezahle. Dann taucht der Name nicht auf meinem Pedalboard auf, weil ich das gar nicht einsehe, dass ich auch noch Werbung für ein Produkt mache, das ich zum vollen Preis erworben habe. Was ich an dieser Stelle aber unbedingt noch hervorheben muss, ist eine englische Firma namens Barefaced, die ausschließlich Bass- Boxen baut. Da arbeiten acht Typen, die absolute Freaks sind, also wahre Meister ihres Fachs. Ihr Chef ist Alex Claber, eine wirkliche Koryphäe. Und jemand, der die These vertritt, dass Bass-Cabinets mehr als nur sechsseitige Kisten sein können. Seine Boxen sind fast wie ein Puzzle zusammengesetzt; sie haben z.B. eigene Kammern für die einzelnen Lautsprecher. Wobei sie aber nur um die 30 Kilo wiegen. Was bedeutet: Ich kann sie noch selbst tragen und brauche niemanden, der mir dabei hilft. Für die Ampeg-8x10er braucht man zwei oder drei Leute, um sie zu transportieren. Klar, klingen sie toll, aber die Boxen von Alex sind mindestens genauso laut – und sie sind absolute Killer – wie Wakrat und die Prophets. Wir sehen uns 2017 in Deutschland. Vergesst eure Ohrenstöpsel nicht. (lacht) Es wird laut …


Gear

  • Bässe: Fender Jazz Bass, Lakland Joe Osborn Signature, Music Man StingRay Bass, Rickenbacker 401
  • Verstärker: Ampeg SVT-VR, Ampeg SVT-2 Pro Head, Barefaced Bass Cabinets, Ashdown ABM Evo
  • Effekte: Boss DD-3 Digital Delay, Boss OC-2 Octave, Boss TUChromatic Tuner, Dunlop Cry Baby 105Q Bass Wah Pedal, Electro-Harmonix POG2, Electro-Harmonix Big Muff Pi Bass Distortion, Homemade Overdrive Pedals, Marshall Guv’nor Distortion Pedal, MXR Phase 90, ABY Amp Selector, Aphex Punch Factory

Music

  • Rage Against The Machine: Rage Against The Machine (1996), Evil Empire (1996), Live & Rare (1998), The Battle Of Los Angeles (1999), Renegades (2000)
  • Audioslave: Audioslave (2002), Out Of Exile (2005), Revelations (2006)
  • Future User: SteroidsOrHeroin (2015)
  • Wakrat: Wakrat (2016)

Aus Gitarre & Bass 01/2017

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.