Dave Friedmans Amp-Neo-Klassiker, den Brown Eye 100, gibt es jetzt auch im Mausefallenformat. Außerdem ist ein zweites Pedal im Programm, ein ungewöhnlich konzipierter Kompressor. Der Name verpflichtet, wir dürfen Großes erwarten.
Reinhold Bogner hat es vorgemacht, 2012 brachte er Protagonisten seines Schaffens als Stompbox auf den Markt; Die Benchmark-Amps Ecstasy und Überschall standen Pate. Nun dürfte aber klar sein, dass man die maximal austrainierte Performance eines hoch entwickelten Vollröhrenverstärkers nicht mit einer Handvoll ICs nachbilden kann. Solche Pedale können also nur eine mehr oder weniger gelungene Interpretation der Vorlage sein. Heißt im Umkehrschluss, man sollte mit seinen Erwartungen nicht zu hoch greifen. Von vorneherein erfreulich ist aber schon einmal, dass das „Boutique“- OD-Pedal nicht zu einem exorbitant hohen Boutique-Preis gehandelt wird; 229 Euronen sind eine relativ zivile Ansage. Der Kompressor kostet genauso viel.
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Die Pedale hat uns netterweise Dennis Schock von Musik Produktiv für den Test geliehen, handelt es sich doch um eine Sonderausführungen für Musik Produktiv. Das bezieht sich jedoch nur auf die lässige Optik, die Standard-Variante kommt einfach ein bisschen schlichter daher.
Solide Hardware
Effektpedale unterscheiden sich heutzutage nur noch selten in der Machart. Ein Metallkästchen mit abnehmbarer Bodenplatte, innen drin eine Platine, die meist sämtliche Bauteile beherbergt, mit Ausnahme von Fußschaltern eventuell. Das Elektronikmodul findet Halt über die Verschraubungen der Potis und Buchsen. Die beiden Friedman-Pedale machen da keine Ausnahme. Versteht sich von selbst, dass hochwertige Bauteile Verwendung finden, u. a. miniaturisierte SMD-Komponenten. Davon abgesehen sind die Pedale aber eher schlicht in der Aufmachung. Schwarzer Strukturlack, oben eine bedruckte Kunststoffauflage, wenig kratzfest der Farbauftrag, exklusiv ist der Auftritt optisch insoweit nicht. Beide Pedale verzichten im Übrigen auf den Batteriebetrieb. Beim SIR-Compre, der 18V/DC verlangt, liegt freundlicherweise ein passendes 2x9V-Splitter-Anschlusskabel mit im Karton.
BE-OD
Effekttyp: Overdrive
Anschlüsse: Input, Output, DC-In
Regler/Schalter: Volume, Gain, Tight, Bass, Treble, Presence; True Bypass-Fußschalter
Opt. Anzeigen: Schaltstatus-LED
Speisung: 9 – 18 V/DC (mA/Verbrauch ohne Angabe), nur Netzteil
Preis: ca. € 229
Eine Zweiband-Klangregelung plus Presence, Gain für das Abstimmen der OD-Intensität und ein Volume-Poti, was diese Regler angeht, kommen keine Fragen auf. Aber was bewirkt Tight? In der äußerst knapp gehaltenen Bedienungsanleitung steht zu lesen, der Parameter forme die Zusammensetzung des Tieffrequenzbereichs: „Aufdrehen verdichtet den Sound“ – wir werden gleich untersuchen, was darunter zu verstehen ist. Innen auf der Platine versteckt sich außerdem noch ein Extra, in Form eines zweiten Gain-Potis, mit dem sich die (werksseitig hoch justierte) OD-Intensität verringern lässt.
Damit jeder weiß wovon wir reden: Brown Eye – der Amp gilt seit seinem Erscheinen gewissermaßen als Sinnbild eines optimal getunten Marshall Plexi- Modells/Superlead. Er klingt britisch aggressiv, es haftet ihm in dieser Eigenschaft aber auch etwas Schöngeistiges an. Der Amp schmeichelt dem Spieler und dem Ohr und ist von daher manchen Geschmäckern gar nicht hart genug. An sich ist der Brown Eye aber ganz sicher ein rundum gelungenes und in seiner funktionalen Eleganz beeindruckendes Produkt, dem ich aus meiner Sicht (von weit über 300 getesten Röhren-Amps) ganz klar den Referenzstatus einräume. Klar, ein harter Stand für ein Pedal, das diesen Namen trägt. Doch das BE-OD meistert die hoch gelegte Messlatte lässig. Nicht etwa, weil es den Sound deckungsgleich kopiert. Aber es trifft den Spirit, die Kategorie der Klangästhetik sehr gut.
Großes, fast schon gewaltiges Volumen in Klang und Dynamik, der typische knirschende Biss in den Verzerrungen, den wir gemeinhin mit britischem Charakter verbinden, fett, harmonisch, ein Ton, der brüllt und schreit, böse, wenn man die Höhen provoziert. Nicht so „tief-brown“ bratend wie der große Papa, aber allemal charakterstark. Dabei ist die Ansprache auf den Attack komfortabel, nicht zu stramm, gleichzeitig sensibel für Details … man muss keinesfalls um den Ton kämpfen. Die Intensität der Verzerrungen reicht weit über den Overdrive hinaus. Satte Distortion liefert der BE-OD schon in Kombination mit schwachen Vintage-Singlecoil-Tonabnehmern.
Die Noten entfalten sich in den unteren Tonregionen sehr kraftvoll. Die Signalbearbeitung dünnt sich zum Diskant bzw. den hohen Lagen hin nur moderat aus. Gut, so will man das gemeinhin haben. Und dann gibt es noch etwas, das der BEOD auf ziemlich geniale Weise macht: Er unterstützt nachhaltig das Sustain, wunderbar. Obendrein hilft er in tieferen Registern nur zu gerne dem Umkippen der Noten in Obertöne nach, ohne dass man dafür besonders laut spielen müsste. Gain ab ca. 10 Uhr braucht es dafür. Ein zweites Kriterium ist die Position des Tight- Potis. Es sollte zwischen Linksanschlag und höchstens 11 Uhr stehen.
Dreht man es weiter auf, dünnt sich die Wiedergabe in den unteren Frequenzen erheblich aus. Erinnert in der Wirkungsweise an die Resonance-/Deep-Regler moderner High-Tech-Röhrentopteile, allerdings mit Wirkung in der umgekehrten Richtung. Aufdrehen heißt hier Verschlankung, nicht dicker/druckvoller machen. Anders erklärt: Tight dosiert quasi wieviel „Chunk“ gedämpfte Note auf den Saiten E6 und A5 entwickeln. Oder: Es arbeitet als Punch-Kontrolle je nach Amp-Setup, 4¥12-Halfstack (Tight aufdrehen) bis kleiner Combo (Tight eher zudrehen).
Das interne Gain-Poti entpuppt sich als wirkungsvolles Extra. Man kann damit den Charakter des BE-OD deutlich verändern, sodass er sich zum feingliedrigen Overdrive mit leichten, reaktiven Anzerrungen bei erhöhter Transparenz wandelt. Da zudem die Klangregelung ziemlich effizient arbeitet, ist der BE-OD erfreulich variabel.
SIR-Compre
Effekttyp: Kompressor mit OD-Sektion
Anschlüsse: Input, Output, DC-In, SCSCon.
Regler/Schalter: Volume, Treble, Gain, Comp, Tight; True Bypass-Fußschalter
Opt. Anzeigen: Schaltstatus-LED
Speisung: 18V/DC, nur Netzteil
Preis: ca. € 229
Es gibt etwas, womit sich dieser Kompressor von seinen Mitbewerbern deutlich abhebt: Er hat eine Overdrive-Sektion zu bieten! Deswegen der Gain-Regler. Treble und Volume, Comp für die Kompressionsintensität, Tight wie beim BE-OD. Im Inneren auf der Platine gibt es noch einen kleinen Schalter, der bei Bedarf den Overdrive beflügelt, intensiver macht. Der Kompressor basiert im Übrigen auf einer optischen Steuerung, was vermutlich der Grund ist, warum er so angenehm weich arbeitet.
Im unteren Comp-Bereich komprimiert die Signalbearbeitung subtil, kaum fühlbar, sorgt aber schon signifikant für Sustain. Ab ca. 11 Uhr bewirkt das Comp-Poti ein Verdichten des Tons, das weniger mit einem traditionellen Kompressor zu tun hat, sondern wirkt, als würde ein kultivierter Röhren-Amp gerade noch clean in die Sättigung gehen, wodurch sich der Ton aufbläht und dichter wird. Das ist wirklich sehr charmant. Und der Effekt intensiviert sich auf dem übrigen Regelweg, soweit sogar, dass sich leichte Overdrive- Verzerrungen in das Klangbild schmuggeln. Zusätzlich kann man mit dem Gain-Poti jederzeit Anzerrungen provozieren, die zunächst und vorrangig die höheren Frequenzen färben. Dazu addiert sich noch, dass Tight – wie beim BEOD – den Druck in den unteren Frequenzen kontrolliert und der Kompressor dem Sound zwar weniger, aber doch ähnlich freundlich bei Obertönen unterstützt.
Fürwahr ein ungewöhnlicher und auf seine Art musikalisch sehr wertvoller Kompressor. Funktioniert als Stand-Alone-Effektgerät, aber auch als „Edel-Booster“ vor einem selbst schon im Grenzbereich des Overdrive arbeitenden (Röhren-) Amps.
Resümee
FX-Pedale gibt es wie Sand am Meer und trotzdem ragen die Friedman-Pedale aus der Masse heraus, weil sie mit attraktiven Alleinstellungsmerkmalen gesegnet sind. Der BE-OD glänzt mit einer höchst kultivierten und charakterstarken Tonformung, bietet ein komfortables Spielgefühl und überdurchschnittliche Variabilität. So viel „Brown-Sound“ für relativ wenig Geld, toll! Absolut empfehlenswert. Der SIR-Compre steht dem qualitativ nicht nach. Ein Kompressor mit besonderen Fähigkeiten. Der bearbeitet nicht nur den Signalpegel, sondern poliert den Sound regelrecht auf. Ein Konglomerat aus Kompressor, Booster und Overdrive- Effekt. Sollte man zumindest einmal gehört/ erlebt haben. Fazit: Auch der SIR-Compre überzeugt mit einem ausgewogenen Preis-/Leistungsverhältnis.
SIR-Compre: Kompressor mit Sound-orientierter/-formender Signalbearbeitung, variabel
Verarbeitung/Bauteile-Qualität
Soundfiles
Hinweise zu den Soundfiles.
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 mit von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einem Vintage 30 von Celestion im 4×12-Cab. Als Verstärker kam der DCP100 von Marble-Amps/NL zum Einsatz (ausschließlich aktiv der Clean-Kanal). Die Töne lieferte eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop.
Hinweis zu Clip #4: Dieser präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Verzerrungs-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Okay, ich wünsche viel Vergnügen, und, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.