Ob nun Schweizer Gitarrenbauer besonders innovativ sind lässt sich nicht eindeutig klären. Fakt ist jedoch, dass am Himmel über unserem südlichen Nachbarland bereits seit geraumer Zeit einige Sterne funkeln, die sich in dieser Branche einen Namen gemacht haben. 2013 hat sich eine weitere kleine Firma dazu gesellt, die mit überaus interessanten Konzepten, Blick auf schwindende Rohstoffe und nicht zuletzt ansprechenden modernen Designs erste Lorbeeren ernten konnte.
Okay, die Kombination aus gesperrten Hölzern und Aluminium ist im E-Gitarrenbau im Grunde ein alter Hut, jedoch bringen Silvan Küng und Pirmin Giger, die Macher von Relish Guitars, mit ihren Konstruktionen frischen Wind in dieses oftmals als etwas verstaubt geltende Genre. In unserem speziellen Fall ist das mit dem Wind durchaus wörtlich zu nehmen, schließlich kann man tatsächlich Luft durch die Sandwich-Konstruktion des Bodys der Mary A Marine blasen. Und die tritt an der gegenüberliegenden Zarge auch wirklich wieder aus.
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Mit Abstand
Decke und Boden bestehen aus hochverdichtet verleimten Erlefurnieren, die eine Gesamtstärke von ca. 21 bzw. 12 mm ergeben und innen ausgefräst wurden. Sandwich-mäßig – quasi als Brotbelag – befindet sich dazwischen ein 3 mm dicker Zargenkranz aus Alublech, der über Distanzscheiben mit 2 mm Abstand fest mit der Decke verschraubt ist. Den Boden indes halten sieben Brück … – äh, Magnete, die sowohl in das Alublech als auch in den Boden eingelassen wurden. Daher lässt sich dieser ohne Werkzeug relativ leicht abnehmen. Da die Bodenmagnete in Vertiefungen sitzen, bleibt die flache Holzplatte stets in Position. Ein massiver zentraler Aluminiumrahmen, an dem auch Steg und Hals montiert wurden, verleiht der Konstruktion nicht nur enorme Stabilität, sondern fördert auch die Schwingungsübertragung.
Die offene Rückseite gewährt freien Zugang zu Elektrik und Pickups. Zum Einsatz kommen konventionell verdrahtete hochwertige Komponenten von Emerson wie z. B. leichtgängige Pro CTS Potis und ein Ölpapierkondensator. Um den Preis in Grenzen zu halten, hat man u. a. auf die aufwendigen Steckverbindungen der Relish Jane verzichtet. Da die Saiten von hinten durch den Center-Rahmen gezogen werden – werksseitig wird die Mary A (A = Aluminium) mit langlebigen D‘Addario NYXL 10-46 bespannt –, muss der Boden ohnehin beim Wechseln abgenommen werden. Die Rohrklinkenbuchse findet Platz in der breiteren Deckenzarge, Vintagestyle Knöpfe halten den Gurt. Deckel angesetzt und … klack, sorgen die Magnete für sicheren Halt.
Die Halstasche, die ja vom Alu-Center-Rahmen gebildet wird, gewährt dem Ahornhals Spiel, nämlich seitlich jeweils gute 0,6 mm. Vier Schrauben, die ebenfalls von der Bodenplatte verdeckt werden, halten ihn jedoch sicher in Position, sodass die Stabilität der Verbindung gewährleistet ist. Dieses Konstruktionsprinzip hat sich Relish Guitars patentieren lassen, denn weder die Decken- noch die Bodenplatte sollen Kontakt zum Hals haben, um dessen Schwingungen und die des Alu-Layers nicht zu absorbieren. Die kleine, in Korpusfarbe lackierte Kopfplatte hat man in Höhe der vorderen vier Tuner großflächig angeschäftet. Für das Griffbrett findet Bambus Verwendung, ein im Gitarrenbau eher selten eingesetztes Holz, dafür aber umso härter und strapazierfähiger. Nicht weniger hart und langlebig sind auch die 24 vorbildlich abgerichteten und polierten Edelstahlbünde.
Entsprechend der schlichten Eleganz der Relish Mary A, bieten Sidedots die einzige Orientierung. Ein perfekt ausund abgerichteter Graphitsattel aus eigener Fertigung führt die Saiten zu den fein und geschmeidig untersetzenden Gotoh-510Z-Mechaniken, die das Relish-Guitars-Logo in Form eines Ambigramms tragen. Am anderen Ende nimmt ein massiver Hardtail-Steg mit einzeln justierbaren Reitern die Saiten auf. Zwei direkt an die Decke montierte Relish Bucker XV Humbucker wandeln die Saitenschwingungen, kontrolliert wird per Dreiwegschalter, Master-Volume und Master-Tone.
Erfrischend modern
Mit dem Gewicht einer Les Paul und leichter Kopflastigkeit hängt Mary A am Gurt, während sie auf dem Bein beste Balance zeigt. Decke und Boden sind flach gehalten, die Korpusränder vorne wie hinten großzügig facettiert, was guten Tragekomfort und entspanntes Handling bis in die höchsten Griffbrettlagen garantiert. Der seidenmatt lackierte Hals liegt höchst angenehm in der Hand, die Bundkanten sind nicht zu spüren, Regler und Schalter hat man ergonomisch günstig positioniert. Da weder Decke noch Boden direkten Kontakt zum zentralen Alurahmen besitzen, können sie relativ frei schwingen. Dennoch tönt die Gitarre im Trockenbetrieb auffallend leise, schwingt dafür aber extrem intensiv und ebenso langsam wie gleichförmig aus.
Das Klangbild ist ausgewogen und obertonreich, jeder Ton spricht direkt und spritzig an und entfaltet sich blitzschnell, was der Mary A ausgesprochen gute Dynamik beschert. Der Relish Bucker XV in der Halsposition klingt wunderbar warm und dennoch offen und luftig. Trotz perfekter Balance und rundem Fundament tönt er nicht so fett wie z. B. ein PAF-Typ und verleiht dem Klangbild damit vor allem bei Cleansounds eine gewisse Leichtigkeit. Einen ähnlichen Klangeindruck hinterlässt auch der Steg-Humbucker am cleanen Amp. Klar und offen, mit straffen knackigen Bässen und präsenten oberen Mitten und Höhen perlt es spritzig und transparent aus den Lautsprechern. Als mein absoluter Clean-Favorit entpuppt sich jedoch die Kombi beider Bucker. Da tönt es so lebendig, luftig und glockig wie es Chimes nicht besser hinbekämen. Funky Rhythmus-Chords, Arpeggio-Teppiche und perkussive Singlenotes vom Feinsten.
Da die Relish Bucker ordentlich Output liefern, ist die Mary A natürlich auch in der Lage, härtere Gangarten zu bedienen. Erstaunlich ist, wie dynamisch, transparent und durchsetzungsstark selbst heftig zerrende Akkorde übertragen werden – und zwar unabhängig von Steg- oder Hals-Pickup oder der Kombi beider. Dabei scheint das hohe Obertonaufkommen die Klangspektren förmlich auseinanderzuziehen, sie zu durchlüften, vergleichbar mit dem Vertikutieren eines Rasens. Quasi als Sahnehäubchen unterstützt das enorme Sustain beim Solieren jeden Ton in nahezu jeder Griffbrettregion und lässt ihn auch noch zügig in seine Obertöne überblenden. Die sehr leichtgängigen, gleichmäßig regelnden Emerson Pro CTS Potis erlauben die präzise Kontrolle von Ausgangspegel bzw. Gain und Tone.
Mit der Mary A verfolgt die Schweizer Firma Relish Guitars ihren mit innovativen Gitarrenkonzepten gepflasterten Weg konsequent weiter. Besitzt das Modell Mary noch einen Holzkern, kommt die Mary A mit Aluminium-Layer und -Center-Rahmen, was ihr einen dünneren Body beschert. Schon unverstärkt beeindruckt die Gitarre mit enormer Dynamik und stabilem Sustain, klanglich überzeugt sie nicht nur mit exzellenten Clean-, sondern auch mit transparenten Distortion-Sounds. In jedem Fall hat das eine gewisse Eigenständigkeit, man könnte sogar von zeitgemäßen modernen Klängen sprechen. Insgesamt wurde die Gitarre vorbildlich verarbeitet und bietet eine Menge für‘s Geld.