In der Sparte der Boutique-Gitarren steht Teye Guitars fraglos mit in der ersten Reihe. Die opulent ausgestatteten Gitarren und Bässe des weltläufigen Niederländers sind aber nicht nur reich an luxuriösen Details, sondern unbedingt auch Werkzeuge der höchsten Kategorie. Aber Vorsicht, einer Cleopatra konnten schon Kaliber wie Gaius Julius Cäsar oder Marcus Antonius nicht widerstehen.
Unser Mann, geboren 1957 als Teije Wijnterp, schaut auf eine bewegte Vergangenheit zurück: Schon als Teenager modifiziert er E-Gitarren, spielt in Bands und nimmt Alben für Independent Labels auf, baut mit seinem Vater Amps und Gitarren, macht eine Kehrtwende, schneidet sich die Haare ab und besucht ein klassisches Konservatorium in Groningen, geht dann nach Spanien und wird dort von einer Zigeunerfamilie in Andalusien „adoptiert“, die ihn authentischen Flamenco lehrt, tourt weltweit mit eigenem Flamenco-Ensemble, zieht 1995 mit seiner Lebenspartnerin, der Flamenco-Tänzerin Belen vom spanischen Sevilla nach Austin/Texas und nimmt ein Album mit Country-Rock-Star Joe Ely auf, mit dem er auch auf Tour geht, heiratet Belen und nimmt Platten mit dem gemeinsamen Ensemble Teye & Viva El Flamenco auf, dann Plan B: 2006 gründet er mit dem Chef seiner Record Company eine Firma für Gitarrenbau in Austin, da ihm immer wieder viel Geld für seine von Hand gebauten Instrumente geboten wird. Ende 2015 zieht er mit seinem Workshop nach Nashville um, 2016 nimmt Teyes Shop in Sevilla den Betrieb auf. Teyes kunstvoll ausgestatteten High-End-Instrumente, potenzierte Versionen der Zemaitis-Designs, werden u. a. von Rich Robinson (Black Crowes), Cliff Williams (AC/DC-Bassist), Mick Taylor (Rolling Stones), Ben Thomas (Adele) und Johnny Depp gespielt.
Anzeige
Konstruktion
Wie seinerzeit schon Tony Zemaitis, lässt sich auch Teye prinzipiell von der Bauweise der Gibson Les Paul inspirieren. Allerdings weisen Zemaitis‘ wie auch Teyes Designs gravierende Veränderungen auf, die sich schon in der Silhouette mit ausgeprägter Taille und dem eher zierlich gestalteten spitzen Cutaway ausdrücken. Das Modell Cleopatra ist Teil der neuen L-Series, welche mit allen neuen Design-Upgrades und den aktualisierten Acid/Laser-Graphics von 2015 aufwartet, die an die Handgravuren der ultrateuren Master Series angelehnt sind. Als Korpusbasis dient Cleopatra Mahagoni von fabelhafter Qualität und Maserung, das mit einer Decke aus Ahorn kombiniert wurde. Die darauf gesetzte Alu-Platte („gold anodized front plate“) ist mit Gravuren und rötlichen „Coral Inlays“ geschmückt.
Der Hals aus derselben Partie toll gezeichneten Mahagonis wurde mit flachem Halsfuß tief in den Korpus eingeleimt. Die Kopfplatte ist über eine leichte Volute abgewinkelt, der Abschluss hinten wurde konturiert gestaltet. Auf der Front finden wir eine verzierte Auflage aus Aluminium mit Cleopatra-Schriftzug.
Goldene Grover-Super-Rotomatic-Imperial-Mechaniken sind angemessenes Geschmeide für die Königin. Weiße Bindings fassen das 2-Oktaven-Griffbrett aus Ebenholz ein; 24 Bünde mittlerer Stärke sind über die Bindings bis an die Griffbrettkante herangesetzt und höchst sauber abgefast; perloide Dots und das „Teye Inlay“ am 12. Bund sorgen für sichere Griffbrettnavigation. Zugang zum Halsstab finden wir durch einen Ausschnitt in der Gravurplatte oberhalb des kräftigen Sattels aus Knochen.
Am Korpus werden die Saiten (Mensurlänge 648 mm) über die Teye-SuperSustain-Bridge aus Aluminium mit beweglichen Alu-Reitern geführt und vom Teye SuperSustain-Tailpiece mit „Electric Gypsy“-Gravur auf der Alu-Front gehalten. Sustain verspricht dabei vor allem der unterlegte Messingblock, in den die Saiten gefädelt werden. Die elektrische Ausstattung umfasst zwei custom-wound Jason Lollar Pickups. Die in goldene Kappen gesetzten Humbucker sind in gefräste und verzierte Alu-Rahmen montiert und werden mit einem auf die Front oben vorn gesetzten Fünfwegschalter angewählt.
Zur Verwaltung stehen Teyes New Electronics bereit: 2x Volume; Master Tone; Master Mojo – davon unten mehr. Zu erwähnen bleiben als firmeneigene Elemente noch die Teye Knobs mit griffsicheren Gummiringen und der Switch Tip, allesamt aus Alu gefertigt. Löst man die großzügig bemessene Alu-Abdeckung am Korpusboden (11 Schrauben), so fällt der Blick auf rundum mit Kupferfolie ausgelegte Elektrofächer und sauber verdrahtete Komponenten: zwei Doppel-Pots, ein einzelnes Alpha-Poti, sowie das eingegossene Mojo-Modul. Cleopatra lässt nur das Beste an ihre Haut: Teye’s hand-rubbed Luthier’s Oil Shipwreck Finish (das hätte zu Cleos Lebzeiten wohl niemand gewagt, sie auch nur im Entferntesten mit einem Wrack in Verbindung zu bringen). Shipwreck? Teye nennt das Alte Welt-Humor: Wo hast denn diese tolle Gitarre gefunden? Am Strand!
Praxis
Ihre königliche Hoheit ist nicht ganz leicht. 3,9 kg? Ach was, ist doch ein LP-Typ! Obwohl vom Korpus her eher zierlich, fühlt sich Cleopatra irgendwie mächtiger an als eine Les Paul. Das liegt nicht zuletzt an ihrem 2-Oktaven-Hals, der auch tatsächlich erst am 17. Bund (LP am 16. Bund), auf den Korpus trifft und somit etwas weiter herausragt. Das Halsprofil ist von kraftvollem Zuschnitt, recht breit und im Schulterbereich rundlich ausgebaut, spielt sich aber nicht zuletzt auch wegen der perfekt gemachten Bundierung ganz wunderbar.
Unverstärkt tritt die Gitarre mit guter Saitentrennung, leicht drahtigem Ausdruck, aber fraglos gesunder Tonentfaltung auf, bestätigt durch ein in allen Lagen gleichmäßig erzielbares langes Sustain. Die Ansprache ist spontan, das Schwingverhalten ebenmäßig. Beste Voraussetzungen also für die elektrische Tonwandlung: Auch am Amp zeigt Cleopatra, dass sie etwas Besonderes ist. Gute Pickups hat sie mit den Jason-Lollar-Tonabnehmern sowieso an Bord. Besondere Eigenständigkeit liegt aber in der Schaltung. Zur Pickup-Anwahl und -Konfiguration wurde als 5-Weg-Schalter ein Super Switch mit zwei Anschlussplatinen verbaut, der neben den gewohnten Schaltpositionen (PUs in Außenstellungen einzeln – in der Mitte zusammen) zusätzlich in den Zwischenstellungen zum einen noch eine Out-of-Phase-Schaltung der Humbucker und zum anderen die Kombination jeweils einzelner Spulen bereitstellt. Neben zwei Volume-Reglern und einem Master-Tone bietet vor allem der Master-Mojo-Regler mit stufenloser Ausblendung jeweils einer Spule beider Humbucker Zugriff auf eine ganze Palette von Sounds.
Wie zuvor schon erwähnt, sind die custom-wound Pickups von Lollar fabelhafte Tonwandler von mittelstarkem Output. Klassisch kraftvoll agiert der Hals-Pickup, bietet ein volles Tonspektrum mit gut gewichteter Auflösung in die akkordischen Stimmen. Rhythmik wird damit akzentuiert umgesetzt und Melodielinien lassen sich mit vokalem Ausdruck tragfest in Szene setzen. Die Tonfarbe ist von sich kraftvoll entfaltenden Obertönen geprägt, was vor allem Overdrive-Sounds mit eindrucksvoller Strahlkraft ausstattet.
Auch der Humbucker am Steg ist ein ausgesprochen rund und souverän tönender Pickup ohne zu viel Kompression. Klare, durchsichtige Akkorde mit guten Höhen und harmonischer Rundung bieten in Clean-Positionen beste Grundlagen für das rhythmische Spiel; Lead-Sounds werden in Zerre vokal singend und mit gesundem Anschlags-Attack herausgestellt.
Neben den schönen Alternativen der Out-of-Phase-Sounds in der ersten Zwischenstellung des Fünfwegschalters und der kombinierten Einzelspulenschaltung der zweiten Zwischenposition, gibt uns der Mojo-Circuit Zugriff auf eine ganze Farbpalette von changierenden Klängen, die in Interaktion mit dem Volume-Regler zu erzielen sind. Ohne Amp-Manipulationen oder Effektgeräte reichen die Assoziationen vom tendenziellen Tele-Sound bis hin zur fetten Les Paul, ganz zu schweigen von den vielen Nuancierungen zwischen diesen Polen. Die Wirkungsweise ist allerdings gleitend, keineswegs plakativ ausgelegt. Man muss also damit arbeiten. Aber egal was man auch einstellt, Cleopatra enttäuscht eigentlich nie.
Übersicht
Fabrikat: Teye
Modell: Cleopatra
Typ: Solidbody-E-Gitarre
Herkunftsland: USA
Mechaniken: Grover Super Rotomatic Imperials (Gold)
Kein Schaden, wenn ein erfahrener Musiker sich dem Gitarrenbau widmet. Teye fertigt extraordinäre, bestens spielbare Instrumente für hohe Ansprüche und mit viel Sinn für das optische Highlight. Dem Hammer-Look steht aber auch eine starke Elektrik zur Seite, die, ausgehend von souveräner Tonumsetzung der Lollar-Humbucker und deren variantenreicher Verschaltung (Out of Phase und Singlecoil in den Zwischenpositionen des 5-Weg-Schalters), mit dem Mojo-Regler eine stufenlose Ausblendung der jeweils zweiten Spule der Humbucker ermöglicht. Beim Wandern zwischen den Welten Humbucker und Singlecoil lassen sich damit viele Tonfacetten erzielen. Ob man tatsächlich nur noch dieses eine Instrument auf der Bühne braucht, da es all die Klangcharaktere der klassischen Gitarrenmodelle abzubilden in der Lage ist, das bleibt nur dem Ohr und Anspruch des Interessenten selbst überlassen. Was unter dem Strich aber auf jeden Fall bleibt, ist ein toll gedachtes und souverän gemachtes Instrument mit fabelhaften Basis-Sounds, dem die Mojo-Variabilität als praxisorientierter Bonus mitgegeben wurde. Weniger sollte man von einem Instrument mit dem Namen Cleopatra auch nicht erwarten. Königlich – zum Test empfohlen!