Als die Stray Cats am 20. August 1983 beim Loreley-Open-Air in Deutschland auftraten, waren Brian Setzer (voc/g), Slim Jim Phantom (dr) und Lee Rocker (b) eine Sensation. Keine Marshall- Türme, keine langen Haare – nein, hier wurde die Bühne mit dicken Haartollen, Lederjacken, Gretsch-Gitarre, Stand-Drums und Kontrabass gerockt. Und dies mit einem ganz alten Rockabilly-Sound, der an Elvis Presley, Chuck Berry, Eddie Cochran und Johnny Burnette erinnerte, und zugleich noch die Energie des Punk-Jahrzehnts transportierte.
Zu jenem Zeitpunkt existierte das Trio aus Massapequa, New York State, bereits seit vier Jahren. In der Heimat lief es anfangs nicht so gut für die Retro-Rock-&-Roller. 1980 tourte die Band schließlich in England, wo sie nach einem Konzert auf Dave Edmunds traf. Der walisische Gitarrist und Sänger (*1944) stand als Solokünstler und mit seiner Band Rockpile immer mit einem Bein tief im Rock & Roll der 50er- Jahre. Schließlich produzierte er das Debüt-Album des Trios aus Übersee. Ein erster Vorgeschmack erschien im November 1980 mit der Single ,Runaway Boys‘.
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Ein pumpender Kontrabass, ein eigenwilliger Shuffle-Beat, auf der Gitarre liegt ein klassisches Slapback-Delay und schließlich singt Setzer über Rebellion und das Ausbrechen aus der Welt der Eltern und Erwachsenen. Das traf den Nerv der Zeit in Post-Punk-UK: die Single landete in den Top Ten. ,Rock This Town‘, veröffentlicht im Januar ’81, wiederholt nicht nur diesen Erfolg, sondern erreichte nun auch in den USA Platz 9. In diesem Song klingen die Stray Cats noch altmodischer und der damals 20-jährige Setzer beschwert sich, dass in der Jukebox nur Disco-Musik läuft, aber er will nur eins: die Stadt rocken & rollen.
Schließlich kam im Februar 1981 das Album ,Stray Cats‘. Und neben den beiden Singles konnte und kann man hier einige weitere scharfe Songs erleben. ,Fishnet Stockings‘ ist ein klassischer Rock & Roller, dessen lautmalerisches „Bop Bop A Doo Wop“ an die Gesangausbrüche von Little Richard in ,Tutti Frutti‘ erinnert. Mit ,Ubangi Stomp‘ wird ein eher obskurer Rockabilly-Klassiker gecovert, der 1956 bekannt wurde in der Version von Warren Smith. Richtig gut kommen Eddie Cochrans ,Jeanie, Jeanie, Jeanie‘ und Gene Vincents ,Double Talkin‘ Baby‘, die im Vergleich zu den Originalen schneller und rauer rüberkommen. Aus dem Rockabilly-Rahmen fällt der Garagen- Rock in ,Storm The Embassy‘. Der Song thematisiert die Geiselnahme von 52 US-Diplomaten im iranischen Teheran, die über 400 Tage andauerte und am 20. Januar 1981 endete.
Musikalisch kein schlechtes Stück aber die allzu simple Botschaft von Zeilen wie „Storm the Iranian embassy, before they start shootin‘ down you and me“, konnte man damals schon vergessen. Wesentlich relaxter kommt der ,Stray Cat Strut‘ rüber, in dem ein lässig swingender Basslauf dominiert, ähnlich wie zwei Jahre später im The- Cure-Hit ,Lovecats‘. Gerockt wurde wieder im großartigen ,Rumble In Brighton‘, das mit seinen aggressiven Riffs und der vorherrschenden Moll-Tonalität das Rebellen-Image der „Rockabilly Cats“ beschwört – die sich im englischen Seebad Brighton mit ihren Erzrivalen, den Skinheads, schlagen müssen.
,Stray Cats‘ avancierte zu einem weiteren Erfolg und stieg bis auf Rang 6 der britischen Charts. 1982 erschien in den USA mit ,Built For Speed‘ verspätet das Stray-Cats-Debüt, das einen Mix bot aus den ersten beiden „englischen“ Alben ,Stray Cats‘ und ,Gonna Ball‘. Und nachdem die Band in der Heimat anfangs ignoriert wurde, landete sie nun auf Rang 2 der Charts. Ursache hierfür waren auch ihre teils schrillen Video-Clips, denn mit ihrem 50s-Look und- Attitüde gehörten sie zu den frühen Helden des MTV-Zeitalters.
Spektakulär war damals auch das Gitarrenspiel von Brian Setzer. Doublestops, Bendings, virtuose Soli, Walking Bass Lines, jazzige Akkorde die mit dem Vibratoarm der Gitarre gerne verziert werden und ein sehr akzentuierter Anschlag: dies alles gehörte zu den wesentlichen Aspekten seines Spiels, das tief wurzelte im den Licks von 50er-Jahre-Helden wie Elvis-Begleiter Scotty Moore und Chuck Berry.
Setzers erste Inspiration, die ihn zum Gitarrespielen brachte, war Beatle George Harrison. Und dann ging es auch schon früh los, wie Brian gegenüber dem US-Magazin Guitar World einmal erwähnte: „Ich nahm meine erste Stunde mit acht Jahren. Ich arbeitete mich durch Mel- Bay-Lehrbücher. Damals, in Long Island, gab es hauptsächlich Jazz-Musiker. Mein erster Lehrer war eigentlich ein Saxophonist, und mein zweiter Lehrer, Ray Gogarty, führte mich noch weiter in die Welt des Jazz ein mit erweiterten Akkorden, Skalen und Standards.“ Schließlich folgte die Bekehrung zum Rock & Roll.
Setzer: „1976 oder ’77 gab es in Manhattan einen Club, der Max‘s Kansas City hieß. Da lief immer Punk-Musik, aber aus irgendeinem Grunde kam eines Tages ,Be-Bop-A-Lula‘ (von Gene Vincent) aus der Jukebox. Es war so, als hätte mich eine Hand gepackt, die mir sagen wollte: ,Hör mir zu, hör wie cool ich bin‘. Da war etwas an diesem rohen Back-to-Basics-Sound, das perfekt zur Dringlichkeit der Punk-Bewegung passte in der ich damals war. Für mich entsprach Rockabilly-Musik der Energie und dem Gefühl des Punks, aber ihre Spieler waren viel besser. Ich kann mich immer noch daran erinnern, wie das Solo von Cliff Gallup aus den Lautsprechern rauskam. Ich dachte, was zum Teufel ist das? Wer spielt das?“
Schließlich begann Setzer stilecht eine Chet Atkins Gretsch 6120 Hollowbody zu spielen. Zu den weiteren Hauptarbeitsgeräten gehörten ein Roland Space Echo und ein ‘63er Fender-Bassman-Verstärker. Zum Thema Amps bemerkte Setzer einmal: „An meinen Verstärkern ist gearbeitet worden, aber sie sind nicht modifiziert, eher de-modifiziert. Über die Jahre haben Leute die falschen Röhren, Kabel und Lautsprecher eingebaut. Ich versuche, die Bassmans in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Ich mag es, Celestion-Vintage-30-Lautsprecher zu verwenden. Ich denke, sie passen besser zur Leistung des Verstärkers.“ Apropos: Lee Rocker brachte damals im Do-It-Yourself-Verfahren am Ende des Griffbretts seines Kontrabass einen Tonabnehmer an. Das Signal wurde dann mit einem Ampeg-Amp verstärkt.
Durch die energetische Musik , gepaart mit einem speziellen Outfit, waren die Stray Cats interessant für ein Publikum, das den Punk hinter sich hatte. Die Band aus New York befeuerte ein Rockabilly-Revival inklusive aller Neben- und Gegenströmungen wie etwa Psychobilly.