Die halbbekannte Grunge-Ikone

The Melvins King Buzzo im Interview

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Wer war zuerst da: das Huhn oder das Ei? Im Falle der Grunge-Explosion, die vor 25 Jahren im Nordwesten der USA ausbrach, waren es ganz klar die Melvins. Ein Trio, das den brachialen Rock, den Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden einem Millionenpublikum nahebrachten, bereits eine Dekade zuvor zelebrierte, aber kommerziell leer ausging. Weshalb die Band um King Buzzo alias Roger Osborne auch nach 33 Jahren noch durch kleine Clubs tingelt, verschrobene Indie-Alben veröffentlicht und eine treuergebene Fanbase bedient.

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(Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Aber mit diesem ewigen Underground- Status zeigt sich Roger Osborne aka King Buzzo aka Buzz im Gitarre-&-Bass-Interview äußerst zufrieden. Denn der korpulente 52-jährige Musiker mit dem wild wuchernden, inzwischen leicht angegrauten Afro ist rundum glücklich mit sich und seinem Status in der Musikwelt: „Ich weiß, dass ich niemals Stadien füllen und nie goldene Schallplatten horten werde“, lacht er in seinem bescheidenen Eigenheim in Silverlake, im Osten von Los Angeles, wo er seit den frühen 90ern lebt. „Aber das ist egal, so lange ich meinen Lebensunterhalt mit Konzerten bestreiten und genau die Platten machen kann, die mir vorschweben.“ Wie ,Basses Loaded‘, das inzwischen 24. Studio-Epos der Underground- Legende (siehe G&B 06/2016, S. 20), das wieder auf dem Label von Faith- No-More-Sänger Mike Patton erscheint und mit einem ebenso ungewöhnlichen wie originellen Konzept glänzt: Sechs verschiedene Bassisten für zwölf Songs – darunter alte Bekannte wie Steve McDonald (Redd Kross), Krist Novoselic (Nirvana), Jeff Pinkus (Butthole Surfers), Trevor Dunn (Mr. Bungle), plus Melvins-Drummer Dale Crover. Aber erst mal konfrontieren wir den Chef mit ein paar Fragen zur Band- Geschichte…

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Buzz, wie kommt es, dass die Melvins nach über 30 Jahren immer noch wie eine Garage-Band klingen? Ist das euer Credo, eure Identität?

Wie meinst du das?

Nun, die Produktion von ,Basses Loaded‘ ist so rau und ungeschliffen, wie eh und je. Da habt ihr euch über die Jahre kaum verändert, obwohl ihr bestimmt viel bessere Musiker geworden seid…

Schon, aber ich finde, dass unsere Alben toll klingen – und immer toll geklungen haben. Warum sollten wir daran etwas ändern? Und wenn ich ehrlich bin, ist das neue schon sehr poliert und geschliffen ausgefallen. Also: Es ist professionell und richtig gut.

Gibt es Songs aus der Vergangenheit, auf die du nicht ganz so stolz bist oder von denen du dir wünschst, du wärst sie anders angegangen?

Ich fürchte, man ist nie komplett glücklich mit dem, was man tut. Aber daran lässt sich nichts ändern. Man hat gute und schlechte Tage, man kreiert Scheiße und Gold. Frag mal Paul McCartney! (lacht)

Auf diesem Album wartet ihr mit sechs verschiedenen Bassisten auf – warum das?

Weil sechs einfach besser sind als einer. Aber: Es ist nicht so, als ob wir irgendein hochtrabendes Konzept verfolgt hätten. Im Gegenteil: Es ist einfach passiert und plötzlich hatten wir sechs Bassisten und hielten das für eine großartige Sache.

Warum wechseln die Melvins so oft die Bassisten? Das nimmt ja langsam Spinal- Tap-Dimensionen an…

Oh ja, das tut es wirklich!

Wie viele waren es in den letzten 33 Jahren?

Puh, ich schätze um die 30. So viele müssten es locker gewesen sein… Und die meisten von ihnen sind tatsächlich explodiert. Also es hat wirklich etwas von Spinal Tap.

Woran liegt das?

Wahrscheinlich haben wir einfach schlechte Entscheidungen getroffen. Im Sinne von: Es waren die falschen Leute. Wobei es aber auch sein kann, dass es an Dale oder mir liegt – also, dass wir unerträglich sind.

Ist Steve McDonald der neue feste Melvins-Bassist – zumindest für die laufende Tour?

Yep, das ist er – und er wird mit uns in Europa auftreten. Aus dem einzigen Grund, weil wir große Fans seiner Band Redd Kross sind und schon immer etwas mit ihm machen wollten. Denn wir mögen ihn als Typen, und sind sehr stolz darauf, dass er bei uns mitmacht.

Mit Krist Novoselic wolltet ihr ursprünglich an einem Nirvana-Projekt arbeiten. Was hatte es damit auf sich?

Das war die Idee von Dave Grohl. Er wollte mit uns alte Nirvana-Stücke covern und schauen, wie das klingt und ob sich daraus etwas machen lässt. Mehr ist leider nicht passiert.

Warum?

Er hat uns damals gefragt, ob wir Lust hätten, mit ihm und Krist ins Studio zu gehen und ein paar alte Songs aufleben zu lassen. Was wir OK fanden. Und Krist ist extra dafür nach Los Angeles geflogen. Doch als wir dann im Studio waren und auf Dave gewartet haben, ist er nicht erschienen. Deswegen taucht diese Geschichte, dass er mit uns arbeiten wollte, auch nirgends auf – weil das kein gutes Licht auf ihn wirft. So geht man nicht mit Freunden um.

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Buzz live (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Habt ihr euch je ausgesprochen?

Nein, und ich denke, er lässt das bewusst unter den Tisch fallen. Auch Krist hat sich nie getraut, ihn darauf anzusprechen. Was zeigt, dass es nicht besonders wichtig ist – oder wir ihm nicht besonders wichtig sind. Wie man will. Mir hat es jedenfalls die Augen geöffnet, so viel ist sicher. Er spielt jetzt lieber bei Oscar-Verleihungen und wahrscheinlich sogar Golf. Wer weiß …

Das Stück mit Krist haben wir aufgenommen, während wir auf Dave Grohl gewartet haben. Einfach, um die Zeit zu nutzen. Ich meine: Wir waren da, wir hatten das Studio zur freien Verfügung, und statt Zeit zu verschwenden, haben wir es halt genutzt. Nach dem Motto: „Lasst uns etwas aufnehmen.“ Das haben wir getan. Aber Dave wird sich niemals dafür entschuldigen – dafür ist er viel zu erfolgreich.

Das klingt, als hätte er sich sehr verändert.

Wenn du mich fragst, ja. Aber zum Glück ist da noch Krist – und der ist ganz der Alte. Ich meine, was er hier mit dem Bass und dem Akkordeon macht, ist einfach wunderbar.

Was hat euch veranlasst, das Beatles- Stück ,I Want To Tell You‘ vom legendären ,Revolver‘-Album zu covern?

Ganz einfach: Wir haben die Beatles und diesen Song schon immer gemocht. Weshalb wir seit Jahren darüber nachdenken, ihn zu covern. Das ist der einzige und entscheidende Grund. Na ja, und es hat halt ein bisschen länger gedauert, ehe es dazu gekommen ist.

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Buzzes Travis-Bean-E-Gitarre mit Alu-Hals (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Dabei denkt jeder, dass ihr in erster Linie von Black Sabbath beeinflusst seid. Ist das ein Irrtum?

Das kommt von Leuten, die ein Hörproblem haben – also schlechte Ohren oder so etwas. Oder die unsere Platten nie aufmerksam verfolgt bzw. keine Ahnung von Black Sabbath haben. Da sind vielleicht ein paar Sabbath-Elemente in unserem Sound, aber mehr auch nicht.

Genau wie von Flipper, Wipers and Black Flag?

Davon ist definitiv etwas am Start – aber auch viele andere Sachen. Wir haben vor ein paar Jahren ein Album namens ,Everybody Loves Sausages‘ veröffentlicht, auf dem wir so ziemlich alle Bands gecovert haben, die uns in irgendeiner Form beeinflussen. Und da waren ziemlich viele Sachen dabei, mit denen keiner gerechnet hätte bzw. die nur wenige Leute auf dem Schirm hatten. Was genau der Grund war, warum wir die Platte gemacht haben. Eben um ihnen die Augen und Ohren zu öffnen, indem wir uns an Tales Of Terror, Pop-O-Pies, David Bowie, The Fugs, The Kinks und anderen versuchen, die so gut wie nie im Zusammenhang mit den Melvins genannt werden. Und das, obwohl sie uns sehr geprägt haben – genau wie übrigens auch Throbbing Gristle. Da ist wirklich alles am Start.

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Osbornes Amp Setup mit Sunn-Preamps und Crown- Endstufen. (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Was ist mit The Who? Das ist angeblich deine absolute Lieblings-Band?

Das stimmt. Ohne Zweifel. Sie waren eine umwerfende Band, vielleicht sogar die beste aller Zeiten – aber auch immer ein bisschen unterbewertet. Leider ist meine Begeisterung da zuletzt etwas abgekühlt. Ich meine, das erste Mal habe ich sie Anfang der 80er gesehen – auf der Tour mit The Clash, was großartig war. Aber dann habe ich sie mir noch einmal vor ein paar Jahren angeschaut und bin zur Hälfte der Show gegangen, weil es nicht sonderlich gut war.

Was Gitarren, Amps und Effekte betrifft: Was verwendest du auf dem Album?

Ich spiele vor allem Travis-Bean-E-Gitarren, aber auch Modelle von Electrical Guitar Company. Alles Gitarren mit Aluminium- Hälsen, die zwar schwer sind, aber zugleich einen besseren Sound haben. Im Sinne von: Sie spielen sich toll und klingen auch so. Eben ganz anders als alles, was ich je verwendet habe. Allein das zieht mich an.

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Links das FX Board mit Voodoo Lab Pedal Power, Boss TU3 Tuner, ODB3 Bass Overdrive, MXR Dyna Comp, TMR Bumble Buzz Fuzz, Boss DD3 Digital Delay. (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Du hast sogar ein Signature-Modell, die Electrical Guitar Company King Buzzo Standard mit Alu-Body und -Hals. Wodurch zeichnet sie sich sonst noch aus?

Sie hat eine 24.75-Inch-Mensur, hatte anfangs 498T- und 490R-Pickups, jetzt habe ich sie mit einem EGC-Low-Output-Humbucker am Hals und einem EGC Full-Output- Humbucker in der Bridge-Position bestückt, jeweils mit eigenem Lautstärke- und Ton-Regler für jeden Pickup. Kevin Burkett baut sie für mich, und er ist im Grunde ein 1-Mann-Unternehmen. Von daher würde ich sagen: Es ist eher so, dass ich ihn unterstütze, als er mich.

Was kostet die Gitarre im Fachhandel?

Um die 2800 U$-Dollar. Wobei es noch teurere Ausführungen mit Acryl-Body und solchen Sachen gibt.

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Das Drum-Set von Coady Willis (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Hast du nicht lange Zeit auch Gibson Les Pauls gespielt?

Ja, bis vor ein paar Jahren.

Wie groß ist deine Gitarrensammlung?

Also ein Sammler bin ich nicht. Ich habe ein paar Stratocasters und eine Jaguar. Außerdem ein paar Gibsons, Silvertones und akustische Gitarren. Aber das sind halt Sachen, die sich über die Jahre angesammelt haben, ohne dass ich da viel Zeit und Mühe investiert hätte. Insofern bin ich wirklich kein Sammler – ich sehe sie eher als mein Handwerkszeug. Ich kann aber schon verstehen, dass Leute süchtig danach werden. Und es gibt ja definitiv schlimmere Süchte, als sich Gitarren zu kaufen.

Wie steht es mit Effekten?

Da reicht mir eine simple Distortion-Box, z.B. ein Boss-Overdrive, dazu ein Echo und ein Kompressor. Das war’s. Wichtig ist, dass diese Pedals ganz leicht zu ersetzen sind – also dass man sie überall für kleines Geld bekommt. Manche halten eben nicht sonderlich lange. Und da wir um die 150 Shows im Jahr spielen, brauchen wir entweder Equipment, auf das man sich verlassen kann – oder das zumindest leicht zu ersetzen ist.

Inwiefern hat sich dein Setup über die letzten 33 Jahre verändert und wie lange hat es gedauert, bis es wirklich deinen Vorstellungen entsprach?

Ich bin mir nicht sicher, ob man jemals den Punkt erreicht, an dem man vollends zufrieden mit dem ist, was man hat. Zumindest geht es mir so. Es geht nur darum, immer weiter zu machen und sein Equipment stetig zu verbessern. Mehr ist kaum möglich.

Wie steht es mit Amps? Schwörst du auf Vintage-Verstärker, wie die meisten deiner Kollegen?

Ich benutze gar keine echten Vintage- Amps. Gerade habe ich eine neue Box von einer Firma namens Tyrant aus Chicago bekommen, dazu spiele ich Sunn-Beta- Lead-Amps. Da gibt es übrigens jetzt einen Typen, der ausgezeichnete Kopien der alten Sunn-Preamps baut. Und ich habe noch einen Crown-Power-Amp … was insgesamt bedeutet, dass ich kein großer Vintage-Typ bin, sondern auf relativ neuen Stoff stehe. Und das gilt auch für Gitarren. Ich brauche etwas, auf das ich mich verlassen kann – nicht irgendein Museumsstück, um das ich mir ständig Sorgen machen muss.

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Steve McDonalds Gibson Ripper II Bass an Orange- Amp und No-Name-Box. (Bild: Pias/Mackie Osborne, Anders)

Inwiefern unterscheidet sich dein Live- von deinem Studio-Set up?

Das sind zwei verschiedene Dinge. Und sei es nur, weil ich nie weiß, was ich im Studio einsetze. Das kann alles sein. Also alles, was ich dort finde und womit ich aufnehmen könnte. Genau das ist für mich der Reiz an der Studio-Arbeit: Eben in der Lage zu sein, ein paar unbekannte Werkzeuge zu verwenden, die ich ansonsten nie in die Finger kriegen würde. Das ist für mich das eigentliche Abenteuer.

Hattest du so etwas wie eine musikalische Initialzündung, also einen Schlüsselmoment, der dich zum Gitarristen gemacht hat?

Ich habe erst relativ spät angefangen, Gitarre zu spielen. Also als ich schon ein ziemlich reifer Teenager war. Ich war kein Wunderkind oder etwas in der Art – ich habe irgendwann damit angefangen, weil es eine Sache zu sein schien, die mir Spaß macht. Und zu der man Bier trinken und noch ein paar andere Sachen machen konnte.

In deiner damaligen Heimatstadt Olympia, im Nordwesten der USA, war wahrscheinlich auch sonst nicht viel los …

Nicht wirklich. Man konnte sich nur nach allen Regeln der Kunst abschießen, das war alles. Ansonsten gab es nicht viele Optionen und auch keine besonders guten Zukunftsaussichten. Meine Frau nennt Olympia den schlimmsten Ort auf Erden. Ich fürchte, da muss ich ihr zustimmen. Und das ist auch der Grund, warum ich seit 23 Jahren in Los Angeles lebe. Ich möchte nie zurück.

Wie würdest du deinen Stil als Gitarrist beschreiben? Wie hat er sich über die Jahre verändert?

Ich hoffe, dass ich mittlerweile ein besserer Musiker bin als früher. Und ich merke, dass mein Instinkt besser ist. Also ich weiß heute, was ich will und wie ich es erreiche. Ich meine, ich spiele das gern herunter und prahle nicht damit, aber meine musikalische Sensibilität ist über die Jahre enorm gewachsen, und inzwischen sind da viele unterschiedliche Dinge am Start, über die ich manchmal selbst ganz erstaunt bin.

Dabei giltst du als jemand, der langsamer und heftiger spielt als alle anderen. Was hat dich dazu veranlasst?

Das habe ich nie analysiert, sondern es einfach getan. Und ich denke, man sollte auch nicht zu sehr darüber nachdenken, warum man etwas tut – weil das alles ruinieren könnte. Das Schöne ist, spontan und intuitiv zu sein. Das ist mein Ansatz.

Wie wichtig ist dir Improvisation?

Nicht besonders, also eigentlich nur bis zu einem gewissen Grad, weil ich Improvisation nicht zur Kunst erheben und auch nicht zur Routine werden lassen will. Wenn ich improvisiere, dann aus einer Laune heraus, aber nicht weil es Teil des Band-Konzepts oder eines großen Masterplans wäre. Denn seien wir ehrlich: Bei vielen Leuten, die sich das auf die Fahne schreiben, ist es einfach langweilig und irgendwie anmaßend.

Wie stehst du zu Fehlern?

Fehler sind OK und gehören dazu. Musik ist ja nichts, was perfekt sein sollte – sie wird von Menschen gemacht, nicht von Robotern, und genau darin liegt der Reiz bzw. deshalb machen sie mir nichts aus. Es gibt da kein Richtig und kein Falsch. Manchmal sind Fehler sogar besser als das, was man eigentlich spielen wollte. Und manchmal, wenn du deine Fehler erkennst, musst du smart und schnell genug sein, um entsprechend zu reagieren und sie entweder zu verbergen oder auf kreative Weise zu nutzen. Das ist auch der Grund, warum ich Miles Davis so mag. Er hat frei improvisiert und ist dabei volles Risiko eingegangen – und war viel radikaler als wir.

Hättest du je damit gerechnet, dass The Melvins so lange durchhalten – nämlich über 33 Jahre?

Ich hätte nie gedacht, dass überhaupt jemand zu unseren Shows kommt, geschweige denn, dass wir mal so etwas wie Kultstatus erreichen könnten. Insofern mache ich mir auch keine Gedanken darüber. Ich genieße es einfach.the-melvins-king-buzzo-grunge-ikone-diskografie

Zumal ihr so viele Bands beeinflusst habt – von Tool über Mastodon, Crowbar bis zu Beck, der ,Hog Leg‘ gecovert hat. Seid ihr die Velvet Underground eurer Generation?

Es hat etwas davon. Wobei das natürlich nicht unsere erklärte Absicht war. Also wir hatten definitiv nicht vor, eine Kult-Band zu werden. Das hat sich eher zufällig ergeben. In erster Linie ging es uns darum, unseren Lebensunterhalt mit Live-Musik zu bestreiten und nicht in einem miesen 9-to- 5-Job zu versauern. Das ist uns auch gelungen, wofür ich sehr dankbar bin. Und was die lieben Kollegen betrifft: Das ist toll – das ist das größte Kompliment, das es gibt.

Ganz zu schweigen von Nirvana…

Oh ja, natürlich…

Was ist nun wahr: Dass du Bassist in Kurts erster Band Fecal Matter warst – oder dass er vergeblich versuchte, sich den Melvins anzuschließen?

Ach, da gibt es so viele Halbwahrheiten und Mythen. Und die Leute schreiben ständig etwas Neues, das sich immer weiter von der Realität entfernt. Wenn das noch ein paar Jahrzehnte so weitergeht, war er ein Außerirdischer, dessen Raumschiff in Olympia gestrandet ist, und der sich dann als Rock-Star getarnt hat. So etwas in der Art. Tatsache ist, dass wir eine Handvoll Teenager in einer winzigen Kleinstadt waren und jeder Mal mit jedem gespielt hat – mit mehr oder weniger Erfolg. Wobei ich es schon irre finde, dass beide Bands – Nirvana wie die Melvins – so weit gekommen sind. Das ist die größte Überraschung.

Nirvanas Album ,Nevermind‘ feiert 2016 sein 25-jähriges Jubiläum. Kannst du dich daran erinnern, wie es damals explodiert ist – und was du gedacht hast?

Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass es sich 30 Millionen Mal verkauft, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Und ich konnte nicht fassen, als es plötzlich so erfolgreich wurde. Das erschien mir absolut surreal – und irgendwie beängstigend. Ich kann das bis heute weder nachvollziehen noch erklären. Schließlich war es OK, es war ein gutes Underground-Rock-Album. Aber auch nicht mehr. Es war nicht die Neuerfindung von irgendetwas, es war ein typisches Album dieser Zeit – und vielleicht auch ihr bestes. Das lasse ich durchgehen, aber nicht mehr.

Was hat dich dazu veranlasst, die Kurt-Cobain-Dokumentation ,Montage Of Heck‘ von 2015 als völligen Dünnpfiff zu bezeichnen?

Weil er das ist. Weil die komplette Geschichte erstunken und erlogen ist und nichts davon stimmt. Klar, gibt es Leute, die meinen, ich wäre nur so kritisch, weil ich neidisch auf Nirvana wäre. Aber das ist Quatsch – was habe ich davon, wenn ich sie jetzt in Frage stelle? Und was würde das ändern bzw. warum sollte ich das tun? Das ergibt keinen Sinn und wäre einfach nur dumm. Ich sage nur, dass der Film nicht der Wahrheit entspricht, die ich kenne. Und ich war dabei – der Regisseur und Kurts Tochter waren es nicht. Und Courtney Love kann sich wahrscheinlich eh an nichts mehr erinnern. Also: Ich sage, dass das nicht die wahre Geschichte ist und von allen Beteiligten hat mir bislang niemand widersprochen. Was für mich ein Indiz ist, dass ich Recht habe und dieser Biopic reines Wunschdenken ist. Denn Kurt war kein Junkie, er hat nur damit kokettiert, weil er wusste, wie viel Aufmerksamkeit ihm das beschert. Und er hatte auch keine permanenten Magenschmerzen. Das war alles nur Theater – eine Show für die Medien, die voll darauf eingestiegen sind. Und er hat auch kein behindertes Mädchen vergewaltigt. So etwas hätte in einer Kleinstadt wie Olympia sofort die Runde gemacht. Insofern sind das Hirngespinste und Mythen, die nachträglich zur Wahrheit erhoben werden. Und das ist gefährlich und falsch.

Was ist mit deiner wild wuchernden Haarpracht, die auch schon eine kleine Legende ist? Was bedeutet sie dir?

Hahaha!!! Ich bin wahnsinnig stolz darauf – und es ist so etwas wie meine Krone! Eben ein Ausdruck meiner Individualität. Ich war seit meinem 16. Geburtstag nicht mehr beim Friseur, sondern habe es einfach wachsen lassen. Das ist das Ergebnis – es ist ein Statement, das zeigt, wo ich als Mensch und Musiker stehe. Und ich werde mich nie davon trennen, weil es mich definiert und zeigt, was ich bin: Nämlich einfach anders …

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