Man sieht sie auf jedem größeren Konzert: Schwarz gekleidete Männer, die von allerlei Technik umgeben am Bühnenrand stehen, Gitarren stimmen und anreichen, Mikrofonständer wieder aufstellen, Schlagzeug- Hardware zurechtrücken und jeden Abend aus nächster Nähe die Live-Show einer großen Band miterleben dürfen. Uli Rummel ist einer von ihnen und noch dazu ein vielbeschäftigter Mann, der immer wieder mit Bands wie Element Of Crime, Die Fantastischen Vier, Farin Urlaub oder Sportfreunde Stiller unterwegs war und ist.
Uli Rummel ist auf den Tourneen der oben genannten Bands für all das zuständig, was mit dem Equipment der oder des Gitarristen zu tun hat. Ohne ihn und seinesgleichen ginge bei Live-Konzerten großer Combos gar nichts. Er baut auf, verkabelt, testet an, stellt ein und macht manchmal sogar den Soundcheck selbst. Meist wird er speziell für die Betreuung eines Gitarristen gebucht, bei einer Band wie Element Of Crime aber, bei denen der technische Aufwand vergleichsweise überschaubar ist, und die noch selbst an den Vorbereitungen mitwirken, ist er der einzige Backliner und kann sich trotzdem noch um alle Musiker kümmern: Zwei Gitarristen mit jeweils zwei Amps, ein Bassist und ein Schlagzeuger. Ein guter Teil von dem was man Abend für Abend auf der Bühne sieht und hört, ist sein Werk und somit muss er die Verantwortung dafür übernehmen, dass alles funktioniert, gut klingt und die Musiker bei ihrer Arbeit optimal unterstützt werden. Die Qualität eines Konzertes steht und fällt also auch auch mit der Arbeit des Backliners. Publikums-Applaus bekommt er dafür nicht. Doch Uli Rummel, der sich vor einem Konzert von Element Of Crime Zeit für ein Interview und eine Equipment- Führung nahm, ist ein gutes Beispiel dafür, dass es Ruhm und Ehre gar nicht braucht, um gern „on the road“ zu sein.
Anzeige
Interview
Uli, wie ist deine genaue Berufsbezeichnung: Backliner, Guitartech, Roadie…?
Roadie ist das Wort, mit dem du anderen Leuten erklären kannst, was du eigentlich machst. Wenn ich sage, ich bin Backliner, weiß kein Mensch, was das heißt. Für meinen Steuerberater bin ich Tontechniker, für viele bin ich Roadie. Aber eigentlich bin ich „Backliner mit Schwerpunkt Guitar- Tech“. Allerdings arbeiten wir je nach Band auch im Team, da werde ich dann speziell als Guitar-Tech gebucht. Bei Element Of Crime arbeite ich alleine und bin auch für das Schlagzeug zuständig.
Was hast du gelernt bzw. was muss man können, um deinen Job zu machen?
Ich habe – vor 25 Jahren – zunächst etwas völlig anderes gelernt, habe aber dann in der E-Gitarren-Abteilung eines Musikhauses in meiner Heimatstadt Konstanz Gitarren verkauft. Außerdem war ich beim Europa- Vertrieb von LÂG, den ein Freund von mir in Konstanz leitete. Parallel war ich noch als Stage-Manager oder „Patcher“ für PA- Firmen tätig, was mir heute noch viel bringt, um tontechnisch auch das große Ganze zu verstehen.
Spielst du selber Gitarre?
Ja. Früher habe ich in Bands gespielt, aber das mache ich nicht mehr, weil ich viel zu viel auf Tour bin. Ich spiele nur noch zu Hause und beim Line-Check.
Ist Backliner ein Handwerksberuf oder sind eher die Fähigkeiten als Tontechniker und ein gutes Gehör gefragt?
Es ist ein reiner Handwerksberuf … (überlegt) Nein, es ist kein reiner Handwerksberuf: Denn zum einen braucht man Ahnung von Tontechnik und Instrumenten, zum anderen gibt es im Tour-Business diese soziale Komponente. Diesen Zustand, auf Tour zu sein und über Wochen im Nightliner zu fahren, den muss man schon mögen. Das kann wahrscheinlich nicht jeder Handwerker. Ich würde sagen, in aller erster Linie ist es ein Dienstleistungsberuf, ein Service am Künstler und seinem Equipment.
Woraus genau besteht Abend für Abend deine Arbeit?
Na ja, Abend für Abend trifft es nicht ganz, denn die Arbeit dauert einen ganzen Tag. Irgendwann geht ein LKW auf mit Kisten für die Abteilungen Licht, Ton und Backline. Dann ist es mein Job, alles so aufzubauen, wie die Musiker das haben wollen oder wie wir uns das vorher zusammen erarbeitet haben. Wenn es gut läuft kommt anschließend direkt eine Funktionsprüfung der gesamten Backline.
Wenn es schlecht läuft und etwas nicht funktioniert, kommen zur Funktionsprüfung noch Reparaturen hinzu, wobei das natürlich Grenzen hat. Wenn zum Beispiel die Bünde bei einer Gitarre vollkommen runter sind, nehmen wir die Dienste eines Gitarrenbauers in Anspruch. Aber die meisten Reparaturen mache ich selbst. Zur Funktionsprüfung gehört auch, die Sachen so anzuspielen, dass dabei Signale herauskommen, mit denen die Tonleute arbeiten können. Es gibt ja auch Bands, die keinen Soundcheck machen und die müssen trotzdem abends auf die Bühne kommen und spielen können. Dazu kommt dann noch die Gitarrenpflege, also Saitenwechseln, die Instrumente saubermachen, Intonation prüfen, Hälse checken, kratzende Potis reparieren etc.
Wechselst du bei den Gitarren jeden Tag die Saiten?
Ja, grundsätzlich schon. Aber auch nicht immer bei jeder Gitarre. Wenn einer beim Gitarrespielen immer trockene Hände hat oder eine Gitarre z.B. nur bei einem Song zum Einsatz kommt, kannst du auch mal zwei/drei Gigs die Saiten drauflassen. Aber oft sind bei Rock’n’- Roll-Shows, die mit Schweiß und Dreck einhergehen, die Saiten durch. Dann muss ich sie wechseln. Aber das heißt nicht, dass man das auch zu Hause so machen sollte, das verursacht ja auch Kosten. Ich selber bin ein absoluter Freund vom Sound neuer Saiten und ich finde, Gitarren intonieren mit frischen Saiten besser, was es für mich leichter macht, sie zu stimmen. Voraussetzung ist natürlich, dass man die Saiten vernünftig aufzieht.
Was kann man beim Aufziehen der Saiten denn falsch machen?
Eine Menge, finde ich. Auf eine saubere Wicklung an der Mechanik ist zu achten oder darauf, dass die Saite nicht im Sattel klemmt. Und ganz wichtig ist auch, dass ich, wenn ich um 18 Uhr die Saiten aufziehe und die Gitarre um 20 Uhr gebraucht wird, die Saiten nach dem Aufziehen richtig ausdehne. Dehnen, wieder stimmen, dehnen, wieder stimmen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich eine Gitarre bei laufender Show dauernd verstimmt.
Du bist für verschiedene Bands tätig, wie Die Fantastischen Vier, Sportfreunde Stiller, etc. Inwiefern unterscheidet sich die Arbeit in den unterschiedlichen Bands?
Sie spielen alle unterschiedliches Gear. Der eine Künstler spielt mit Funkstrecke, der nächste spielt keine Amps mehr, sondern benutzt z.B. eine Kemper-Modeling-Lösung. Und die Gitarren unterscheiden sich natürlich auch. Hier bei Element Of Crime besteht das Equipment zu großen Teilen aus echten Vintage-Sachen, was ich sehr mag. Andere spielen nagelneue Instrumente. Und der Produktionsablauf ist immer unterschiedlich, das heißt, die Zeitfenster, in der ich meine Arbeit erledigen muss, unterscheiden sich. Je größer die Produktion, desto strenger sind die Ablaufpläne.
Schließlich müssen die Lichtleute oder die Kollegen von der Video- Produktion auch noch drankommen. Und bei den Fantas ist es zum Beispiel so, dass ich die Band vor dem Konzert oft gar nicht zu Gesicht bekomme. Da wird der Soundcheck von der Crew gemacht. Die Musiker sehe ich manchmal erst um 20 Uhr, wenn die Show losgeht und dann drücke ich ihnen ein Instrument in die Hand. Element Of Crime macht, wann immer es geht, einen Soundcheck, weil sie vorher schon mal die Luft in der Halle schnuppern und auf der Bühne gewesen sein wollen.
Während der Show bist du wahrscheinlich meist damit beschäftigt, Gitarren zu stimmen, oder?
Ja. Aber ich muss auch danach gucken, wie es den Jungs geht, ob einer etwas zu trinken braucht, oder ein frisches Handtuch. Während der Show ist meine Hauptaufgabe aber tatsächlich das Stimmen, die neu gestimmten Gitarren anzureichen und auch Tunings zu wechseln. Oft gibt es auch Songs mit Kapodaster und Open- und Drop-D-Tunings.
Wie muss ein Abend laufen, damit du mit deiner Arbeit zufrieden bist?
Ich genieße es selber sehr, wenn ich das Gefühl habe, dass die Band eine tolle Show gespielt hat, wenn der Gesamteindruck einfach stimmt. Dabei geht es dann u.a. um das Thema Tuning, denn auch da gibt es bessere und schlechtere Abende. Allerdings hängt das oft von den klimatischen Verhältnissen in der Halle ab.
Gibt es Momente des Schulterklopfens, wo einer von der Band nach der Show zu dir kommt und sagt „Haste super gemacht heute“?
Nein. Aber das erwarte ich auch nicht. Das ist mein Job. Du sagst ja zu einem Briefträger auch nicht: „Toll, dass du mir gestern den Brief eingeworfen hast.“ Klar lobt mich die Band auch mal nach einer Tour, aber sie müssen sich nicht jeden Abend bedanken.