Für Billy-Sheehan-Fans muss es wie Weihnachten gewesen sein: Auf der diesjährigen Namm Show hat EBS eine neue Deluxe-Version des Sheehan-Signature-Drives vorgestellt, das wir natürlich unbedingt mit der aktuellsten Version von Billys Bass, dem Yamaha Attitude Limited 3, testen müssen!
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Zugegebenermaßen ist es auch für mich als Tester UND Billy-Sheehan-Fan ein feierlicher Moment: Die beiden Herzstücke des Sheehan-Sounds in einem Test! Spielen, was der Held meiner Jugend spielt – ob ich damit klinge wie er? In der Hoffnung, dass ich nicht der Einzige bin, der sich diese Frage stellt, konnte ich es kaum erwarten, das Billy-Besteck unter die Lupe zu nehmen. In der neuen Ausgabe schaue ich wie nah man dem legendären Bass-Sound von Talas, David Lee Roth, Mr. Big, Niacin und The Winery Dogs wirklich kommt …
Die Attitude-Story
Billys Baby, der Attitude-Bass, ist vor einigen Jahren ein drittes Mal überarbeitet worden. Wie auch alle Vorgängermodelle, basiert das neue Teil auf „The Wife“, des Meisters Hauptbass zu Talas- und David-Lee-Roth-Zeiten: Ein völlig zerschundener 60er-Jahre Sunburst- Preci, bei dem nur noch der fast völlig entlackte Korpus und Teile des Schlagbretts original sind. Weil Sheehans großes Idol Tim Bogert (Vanilla Fudge) in den frühen 70ern einen Precision-Bass mit Telecaster-Hals spielte, musste natürlich auch The Wife entsprechend modifiziert werden. Billy fand einen 68er-Tele- Neck mit Baseballschläger-Maßen, dem bis heute die Hälse der Attitude-Limited- Modelle nachempfunden sind. Als Fan von Jack Bruce‘ (Cream) Sixties-EB0- Sound installierte Sheehan außerdem einen fetten Gibson „MudBucker“ direkt am Hals, den er auf eine separate Buchse legte, um ihn – für eine Portion Extra- Low-End – über eine zweite Anlage spielen zu können.
All diese Features wurden zusammen mit weiteren Details wie dem Hipshot D-Tuner, Dimarzio P-Pickup und den ausgehöhlten (Scalloped) obersten Bünden – Yngwie Malmsteen hatte Billy auf einer gemeinsamen Tour auf die Idee gebracht – bei der Entwicklung der späteren Yamaha-Bässe übernommen. The Wife war also eine echte Blaupause für die späteren Serienmodelle.
Diese sollten natürlich nicht so rustikal und behelfsmäßig wie die Vorlage aussehen, außerdem wollte man ja auch nicht einfach stumpf Fender kopieren. Nach einem unausgegorenen Prototyp aus Yamahas BB-Serie (mehr dazu im Kasten) hatte man sich grob auf die Korpusform des Pacifica-Modells geeinigt, die nicht wirklich weit vom Preci entfernt war und dennoch eine eigene, schnittig sportliche Note mitbrachte.
Bis heute hat sich an der Form nichts verändert. Der Korpus unseres Testbasses ist ein paar Millimeter dicker und insgesamt etwas kantiger als Fenders Klassiker – unser Exemplar wurde außerdem von Billy persönlich signiert. Ein neues Feature der 3. Attitude-Limited-Version verbirgt sich unter dem dünn aufgetragenen Sonic-Blue-Finish: Der Erle-Korpus setzt sich aus drei Teilen zusammen, wobei die äußeren Stücke über ein Nut/Feder-System mit dem Mittelblock verleimt sind, um die Stabilität und Schwingungsübertragung des Bodys zu verbessern. Das Holz wurde außerdem erstmals mit Yamahas A.R.E.-Technik (Acoustic Resonance Enhancement) behandelt – ein Prozess, bei dem durch Hitzeeinwirkung die Zellstruktur verändert wird, um am Ende dem Klang eines eingespielten Vintage-Instruments näherzukommen. Das gleiche Ziel verfolgt auch das I.R.A.-Verfahren (Initial Response Acceleration), bei dem der Bass in einer speziellen Vorrichtung ordentlich durchgerüttelt und eingeschwungen wird. Beide Techniken sind übrigens den hochpreisigen Instrumenten aus der Japan-Produktion vorbehalten.Kein Billy-Sheehan-Bass
ohne D-Tuner!
Der einteilige Ahornhals des neuen Attitudes ist wahrlich eine Wucht – und zwar in jeder Hinsicht! Tatsächlich übertreibt Billy Sheehan nicht, wenn er den beliebten Baseballschläger-Vergleich zieht: Ein normaler P-Bass mit 42-mm-Sattelbreite dürfte für die meisten schon ein fetter Brocken sein – darüber kann der Sheehan mit seinen 44,5 mm nur müde lachen.
Solche Maße findet man sonst nur bei Fenders 50s Precis oder einigen 5-Saitern! Zu der enormen Breite gesellt sich eine ordentliche Portion Fleisch, wobei die Dicke im ersten Bund mit 22 mm noch im Rahmen liegt. Das vielleicht wichtigste neue Feature des Limited 3 ist die Halsbefestigung – ein Thema, bei dem Billy besonders pingelig ist. Kaum ein anderer Bassist spielt so rabiate Neck-Bendings; bei manchen Songs wird das tiefe E sogar auf ein H (!) runtergebogen. Das geht natürlich nur mit bloßer Gewalt, was wiederum nicht jedes Instrument klaglos hinnimmt. Vor seiner Zeit bei Yamaha hatte Sheehan häufig das Problem, dass sich der Hals nach einem Neck- Bending in der Halstasche verschob, was natürlich negative Auswirkungen auf die Stimmstabilität und den Saitenverlauf hatte. Die erste Version des Attitude Limited löste das Problem mit einer dicken Aluminiumplatte, die am Halsfuß moniert war und durch vier Maschinenschrauben in Position gehalten wurde.
Weil der Ton des Basses dadurch eine leicht harsche Note bekam, wurde der Hals der zweiten Generation mit zwei Schrauben von hinten und zwei weiteren von vorne befestigt – auf eine Metallverstärkung wurde diesmal verzichtet. Für das aktuelle Modell haben sich die japanischen Entwickler wieder etwas Besonderes einfallen lassen: Während drei Schrauben konventionell von hinten durch den Korpus geführt werden, greifen zwei weitere, das Ende des langen Halsfußes in einem Winkel und ziehen es so von hinten in die Halstasche. Eine clevere und handwerklich tadellos umgesetzte Konstruktion, die – wie wir später hören werden – durchaus charakterprägend ist. Neu ist auch der eigentlich längst überfällige Zwei-Wege-Halsstab, durch dessen kompaktere Bauform beim Einbau weniger Holz entfernt werden muss, was nach Billys Verständnis mehr „Toooonee“ bedeutet. Wie bei den Vorgängern sind natürlich auch beim neuen Modell die letzten fünf Bünde unter der D- und G-Saite gescalloped, wodurch Solospiel und insbesondere Bendings ungemein erleichtert werden. Viele wissen nicht, dass zugunsten einer präziseren Intonation in diesen Lagen auch ein kleinerer Bunddraht zum Einsatz kommt – eine typische Sheehan-Idee.
Als wären das alles nicht genug neue Features, gibt es auch in Sachen Hardware und Elektronik Veränderungen zu entdecken: Die massive Messing-Brücke wurde leicht überarbeitet und ist nun, wie auch die Potiknöpfe, Buchsen und Vintage- Style-Mechaniken, in einem schwarzen Nickel-Finish gehalten – das sieht nicht nur gut aus, sondern ist in der Herstellung auch umweltfreundlicher. Sie ist außerdem erstmalig versenkt montiert, um eine noch niedrigere Saitenlage zu ermöglichen – das war bisher die einzige Mod, die Billy bei seinen alten Attitude- Modellen vorgenommen hat. Auf der Kopfplatte findet man natürlich den guten alten D-Tuner, mit dessen Hilfe sich das tiefe-E auf ein sauberes D runterstimmen lässt – man muss nur einen kleinen Hebel betätigen. Die im Korpusholz verankerten Rohrbuchsen der Vorgänger sind einem schicken Buchsenblech gewichen, das ein bisschen an eine Stereo- Version einer Strat-Buchse erinnert.
Die neue Lösung ist in erster Linie etwas servicefreundlicher und sieht auch irgendwie schön markant aus. Spannend wird es nochmal bei den Pickups: Bei dem unscheinbaren P-Tonabnehmer handelt es sich natürlich um Billys Signature-Will-Power-Modell (DP146) von Dimarzio – „Ein alter Hut!“ wird der ein oder andere jetzt sagen, dabei wissen nur die Wenigsten, was es mit dem Teil wirklich auf sich hat. Im Prinzip ist der Pickup wie Dimarzios legendärer Model- P gebaut, bei dem zwei fette Keramikmagnete auf der Unterseite vier verstellbare Polschrauben magnetisieren. Billy hatte mit dem Model-P jedoch minimale Lautstärkeschwankungen, sobald die Saiten das Magnetfeld verließen – z. B. bei extremen Bendings oder harten Anschlägen auf der E-Saite. Als logische Konsequenz hat Larry Dimarzio das Magnetfeld durch weitere Polschrauben zwischen den Magneten verbreitert. Pro Pickup-Hälfte sind es nun sechs bzw. sieben Schrauben, die man aufgrund der geschlossenen Kappe nicht mehr in der Höhe verstellen kann. Und auch dafür gibt es einen guten Grund: Billy hat den Tonabnehmer recht nah unter den Saiten und nutzt die glatte Oberfläche wie eine Ramp: Der Pickup begrenzt die Ausholbewegung der Finger, wodurch die Anschlagstechnik effizienter wird.
Aus genau diesem Grund hat Sheehan übrigens die offenen Dimarzios seiner alten Bässen mit einer dicken Schicht Epoxidharz überzogen. Und last but not least gibt es da natürlich noch den eigens von Yamaha für diesen Bass entwickelten Hals-Tonabnehmer: Der namenlose Kraftklotz ersetzt den Will-Power-Woofer (DP145) der alten Attitudes und bringt dabei etwas mehr Output und Höhen als sein Vorgänger mit. Das Klingen- Magnet-Design erzeugt außerdem ein breiteres Magnetfeld, das – wie wir eben gelernt haben – Billys Spielweise durchaus entgegenkommt. Kontrolliert wird das Ganze über eine Art Jazz-Bass- Schaltung, wobei an jeder Buchse nur ein Tonabnehmer anliegt und der Tone-Regler nur für den Halstonabnehmer zuständig ist. Um beide Pickups ganz normal mono über eine Buchse zu spielen, muss man nur den Volume-Regler des P-Pickups ziehen – nun geben beide Outputs die Signale beider Tonabnehmer aus. Für den authentischen Sixties-Low-End- Sound gibt es zu guter Letzt noch eine Push/Pull-Funktion am Tone-Poti, mit der die Höhen des Woofers abgeschnitten werden.
Billy Sheehans Rig: Verzerrung, Frequenzweichen, Stereo-Setup und Bi-Amping
Die verlustfreie Wiedergabe der tiefen Frequenzen ist wohl die am häufigsten ausgesprochene Anforderung, die Bassisten an ein Overdrive/Distortion–Pedal stellen. Die meisten Treter verschiedener Hersteller versuchen dieser Aufgabe gerecht zu werden, indem sie das Signal in einen cleanen und einen verzerrten Signalweg aufsplitten und so die Möglichkeit bieten, mithilfe eines Überblendpotis dem verzerrten Signal cleane Anteile für den Erhalt des Bass-Fundaments beizumischen. So macht es auch das EBS Billy Sheehan Signature Drive (Deluxe).
In der Praxis zeigt sich jedoch bei einigen Pedalen das Problem, dass die zwei Signale nicht harmonisch miteinander verschmelzen, da sie beide den vollen Frequenzbereich abbilden. Um optimale Ergebnisse zu erzielen, wird daher im Studiosektor sowie bei einigen aufwendigen Live-Produktionen eine cleane und eine verzerrte Spur vom Bass aufgenommen.
Die cleane Spur wird dabei mittels eines Lowpass-Filters in den Höhen und die verzerrte durch einen Highpass-Filter in den Bässen begrenzt; mischt man beide Signale zusammen, ist das Resultat meist ein natürlicher und kontrollierbarer Klang. Man nennt diese Technik auch Bi-Amping. Genau dieses Prinzip verfolgt auch Billy Sheehan, wenn er die beiden Pickups seines Attitude-Basses in unterschiedliche Anlagen spielt: Den Mittelpickup in einen Stack mit viel Verzerrung (erzeugt vom EBS-Pedal) und nahezu keinen Bässen, den kräftigen Hals-Humbucker in eine cleane Anlage mit sehr wenig Höhen.
Um die beiden Signale noch sauberer voneinander zu trennen, hängt Billy hinter seinen Verzerrer außerdem die SX21-Frequenzweiche von Rolls (ca. € 150), die seinen Overdrive-Ton zwischen 250 Hz und 300 Hz nach unten begrenzt. Verstärkt wird das Ganze durch zwei Hartke LH1000- Topteile, mit jeweils einer HX115-Box aus Hartkes Hydrive Serie.
Übrigens ist Sheehan nicht der erste Bassist mit einem solchen Setup: Chris Squire (Yes) spielte seinen Rickenbacker 4001 CS stets durch ein ähnliches Stereo-Rig (Stichwort: RickO-Sound) – er benutzte hierfür Marshall- (dreckiger Sound) und Ampeg-Amps (Clean-Sound) mit speziell angefertigten 6x12er und 8x10er Boxen.
Des Meisters Trickkiste
Wer sich einen so aufwendigen Bass auf den Leib schneidern lässt, spielt natürlich kein Overdrive-Pedal von der Stange! Für sein Stereo-Setup (mehr dazu im Kasten) mit einer cleanen (Halspickup) und einer verzerrten (P-Pickup) Anlage, hat Billy Jahrzehnte lang den guten alten BC1- Preamp von Pearce bemüht – ein echter Geheimtipp unter Overdrive- und Distortion- Liebhabern!
Die zweikanalige Voll-Transistor-Kiste aus den 80ern wird jedoch schon lange nicht mehr gebaut und erwies sich über die Jahre als stark reparaturbedürftig, sodass sich Sheehan nach seinem Amp- Wechsel von Ampeg zu Hartke nach einer neuen, handlicheren und ersetzbaren Lösung umsah. Als Fan und User der unverwüstlichen EBS-Pedale war die richtige Firma für ein solches Projekt schnell gefunden und so erschien Anfang 2013 der erste, bis heute erhältliche Billy Sheehan Signature Drive (ca. € 195). Nun ist Billy dafür bekannt, ständig an seinem Equipment herumzudoktern – da macht er bei seinem Zerr-Pedal natürlich keine Ausnahme! Die neue Deluxe-Version (ca. € 230) kommt zunächst mit den bekannten Basic-Features des Vorgängers: Das Signal wird intern aufgesplittet – clean und verzerrt – und später wieder zusammengefügt.
Für beide Signalwege stehen eigene Lautstärke-Potis bereit; Level für den Drive-Sound, Clean für den unverzerrten Ton. Mit dem Tone-Regler lässt sich, anders als bspw. bei einem Tube Screamer, der Bereich wählen, in dem die Verzerrung besonders präsent ist – technisch gesprochen verschiebt man hier eine feste EQ-Kurve zwischen 175 und 4500 Hz. Am Drive-Poti steht im Vergleich zur lila Standard-Version deutlich mehr Gain bereit, wer noch mehr Power braucht, kann mit dem neuen Boost-Fußschalter noch eine Schippe drauflegen. Billys Grundgedanke, dass sein Signature-Pedal auch für die Bedürfnisse anderer Bassisten individualisierbar sein soll, wurde natürlich beibehalten und sogar noch erweitert: Auch beim Drive Deluxe verfügen beide Signalwege über eigene Einschleifwege – mit einem Y-Kabel (Stereo-Klinke auf 2x Mono-Klinke) lässt sich so z. B. ein Graphic-EQ in den Drive-Loop hängen oder ein Kompressor in den Clean-Loop. Die Möglichkeiten sind grenzenlos – und als wäre das nicht genug, kann man bei der orangen Wunderkiste auch noch den OPAmp wechseln, um die Zerrcharakteristik anzupassen!
Das günstige Bauteil (erhältlich z. B. bei musikding.de) kann ganz ohne Löten aus- und eingebaut werden, wobei der Vorgang etwas fummelig ist und einer gewissen Vorsicht bedarf. Über dem On/Off-Fußschalter findet sich auf dem neuen Pedal auch ein Phase-Switch, der bei Bedarf die Phase des verzerrten Signals dreht. Das eröffnet nicht nur neue Sounds, es ist auch praktisch, um eventuelle Phasendreher anderer Pedale in den FX-Loops auszugleichen. Zu guter Letzt muss bei einem Sheehan-Pedal natürlich auch ein Kompressor an Bord sein – der Meister spielt schließlich mit einer MENGE Kompression!
Billys Idee dahinter ist, dass die separierten Clean- und Zerr-Signale erst durch einen nachgeschalteten Kompressor wieder harmonisch miteinander verschmelzen: Die Kompression begrenzt die höhere Dynamik des unverzerrten Signals und gleicht sie an das verzerrte an. Das Drive Deluxe braucht hierfür nur einen simplen Dreiwegschalter, der die Kompressionsstufen Off, Mid und High anbietet – ziemlich selbsterklärend. Was man von außen nicht sieht, sind zwei Trimmpotis im Gehäuseinneren, mit denen sich Level und Threshold der Mid-Position regeln lassen – hier kann man sich also ein eigenes Preset einstellen. Wer sich außerdem mehr Dampf vom Boost wünscht, kann an einem weiteren Trimmpoti mehr Stoff geben; die Spanne reicht hier von +3 bis +10 dB – das sollte wohl reichen!
Plus, Standard, Custom, Special, Deluxe, Limited – Hä? Die verschiedenen Attitude-Modelle
Auf dem Gebrauchtmarkt findet man seit dem Launch der Attitude-Serie 1990 so viele Modell-Varianten, dass eigentlich niemand mehr durchblickt. Den Standard für Billys Bühnen-Bass setzte zunächst der erste Attitude Limited. Die damals in Metallic-Blau und Rot erhältliche Taiwan-Version unterscheidet sich von dem heutigen 3er-Attitude vor allem durch eine andere Halsbefestigung (siehe Text) und den Dimarzio-Will- Power-Halstonabnehmer. Flankiert wurde das Flaggschiff damals von einer Reihe günstigerer Instrumente: Der Attitude-Plus markierte das untere Ende der Preisliste und bot im Wesentlichen eine normale Preci- Ausstattung. Etwas teurer war der Attitude-Standard (auch als 5-String erhältlich) sowie die in Deutschland quasi nonexistenten (weil dem japanischen Markt vorbehaltenen) 65-, 65M-, 85, 75M und 90V-Modelle: Alles erschwingliche P/J-Bässe mit unterschiedlichen Pickups, gewöhnlichen Halsmaßen und klassischen Hölzern – das M in der Typenbezeichnung steht für ein Maple-Griffbrett, dass beim 75er sogar die Scalloped- Bünde hatte.
Einen Tick teurer war der recht verbreitete Attitude-Special, der wie das Top-Modell aussah, jedoch einen schmaleren Hals sowie ein Set Yamaha-Pickups (P+Woofer) besaß. Wirklich schräg wurde es mit der preislich ähnlich angesiedelten Deluxe-Variante, die sich durch einen extra tief verankerten Hals und den mittig platzierten, sechsspuligen (!) Riesen-Humbucker auszeichnete. Ein echter Alleskönner war außerdem der recht teure Attitude-Custom. In Sachen Holz und Hardware mit dem Special vergleichbar, verfügte dieser Stereo- Bass über einen unter dem Schlagbrett versteckten Woofer-Pickup sowie über eine Piezo-Brücke – sogar die aufwendige Hals-/Korpusverbindung entsprach der des Limited. 1994 wurde das Topmodel erstmals überarbeitet – heraus kam der Attitude Limited 2 in Seafoam Green, den es zum zehnjährigen Jubiläum 2000 auch als limitierten (300 Exemplare) Attitude X in komplett Metallic Pink und Metallic Schwarz gab. Nach der Vorstellung des BB714BS im Jahre 2008 und kosmetischen Änderungen am Limited II erschien 2011 schließlich das aktuelle Attitude Limited 3 Modell.
Auf Spurensuche …
Nun aber Butter bei die Fische! Wie klingt das Ganze denn nun? Gut. Richtig gut! Aber eines nach dem anderen. Der Attitude ist trotz der vielen neuen Details vor allem eines geblieben: Ein echtes Arbeitspferd! Der fette Hals erlaubt mit seiner extrem akkuraten Bundierung hemmungsloses Zupacken bei einer sagenhaft flachen Saitenlage, das hauchdünne Matt-Finish fühlt sich dabei richtig gut an.
Am Anfang ist es etwas ungewohnt, so viel Platz auf dem Griffbrett zu haben, die linke Hand gewöhnt sich jedoch schnell daran – eine Mindest-Fingerlänge vorausgesetzt. So viel Masse wirkt sich natürlich auch positiv auf den Ton aus: Schon unverstärkt klingt das teure Teil wahnsinnig spritzig und lebendig, mit einem festen Stand in den unteren Registern. Besonders der Korpus ist auffällig resonant und schwingfreudig – die A.R.E.-Behandlung scheint hier tatsächlich Wirkung zu zeigen. Neben diesen Vintage-Preci-typischen Facetten bringt der Attitude jedoch auch einen Detailreichtum und eine Ausgewogenheit mit, die ihn von der Konkurrenz unterscheidet. Akkorde und Tappings artikuliert der Viersaiter mit bemerkenswerter Klarheit ohne dabei jedoch analytisch, kühl oder nüchtern wie manch ein Edelbass rüberzukommen – der Sheehan bleibt ein Rocker! Hauptverantwortlich für den gelungenen Spagat zwischen vintage und modern scheint die neue Halsverbindung zu sein: Löst man die beiden diagonal- Schrauben, wird der Ton merklich weicher, oldschooliger und bassiger. Zieht man sie wieder an, kehrt eine leichte Kompression zurück, die dem Instrument seinen Detailreichtum und Snap verleiht.
Am Gurt könnte der Bass tatsächlich besser hängen. Auf Sheehan-Höhe ist noch alles okay, alles darunter wird jedoch unangenehm Kopflastig – schwere Vintage- Mechaniken und ein massiver Hals haben halt ihren Preis. Am Verstärker hören wir uns zunächst unverzerrt den P-Tonabnehmer an: Preci-typisch mächtig und kehlig schiebt der Attitude hier ein fettes Pfund, mit auffällig fokussierten, aggressiven Mitten heraus. Der Output ist wesentlich höher und der Ton einen Tick komprimierter als bei einem Vintage- Precision, was jedoch nicht zu Lasten der ausgeprägten Oldschool-Note geht – ein wirklich interessanter Tonabnehmer. Am Hals erwarten uns wie versprochen ultratiefe EB-0-Sounds, jedoch bei Weitem nicht so dunkel und eindimensional wie beim Original. Hier gibt es zum dicken Fundament auch eine gute Portion Höhen dazu, sodass dieser Pickup auch in einer Blues-Combo Spaß macht. Die beiden Aggregate harmonieren im Mono-Betrieb bestens miteinander, mit geringen Auslöschungen in den Mitten und einem seidigen, breitbandigen Ton.
Zusammen mit dem EBS kommt man Billys Sound so nah, wie es ohne einen Satz Sheehan-Hände irgend geht. Es fällt auf, dass das Drive Deluxe zunächst einen stark komprimierten, Distortion-mäßigen Grundcharakter hat, den man mit dem Tone-Regler gut an das eigene Setup und den Sound des Gitarristen anpassen kann (Billy hat seinen auf etwa 12 Uhr). Eine gute Balance zwischen Clean- und Zerr-Lautstärke ist schnell gefunden, dabei trägt der hervorragende Kompressor ungemein zum harmonischen verschmelzen der beiden Signale bei. Der Grundsound ist tendenziell eher fein und sägig, die Gain-Spanne mit dem Werks-Op-Amp extrem breit. Eine echte Überraschung ist der Phase-Switch, der den recht tighten Grundklang mit einer gehörigen Portion Bässe und Tiefmitten anreichert, sobald man die Phase invertiert – der Sound wird dadurch wärmer, geschmeidiger und auch druckstärker. Wer gerne Modulations-Effekte wie Chorus, Phaser oder Flanger benutzt, tut gut daran, sie in den Overdrive-FX-Loop zu hängen – so geht nämlich auch bei extremen Effekteinstellungen das Fundament nicht verloren.
Auch ein EQ zum Feintunen des Drive-Sounds macht richtig Spaß – Billy benutzt hier z. B. einen parametrischen Mitten-Filter von E.W.S. Der Clean-Loop bietet sich ebenfalls für EQ- oder auch Kompressions- und Oktaver-Pedale an – man kann sich, wie der Meister, sogar ein kleines bisschen Schmutz von einem eingeschleiften Verzerrer holen.
Für den authentischen Sheehan-Ton spielt man den P-Pickup des Attitudes in den EBS-Treter und den Hals-Pickup unverzerrt in einen zweiten Amp. Das klingt nicht nur wahnsinnig mächtig, sondern auch sehr organisch. Es ist ziemlich genau der Sound, den man z. B. auf den The-Winery-Dogs-Produktionen hören kann – kein Wunder, es ist ja auch exakt das gleiche Equipment! Nun gibt es natürlich viele Bassisten, die genau diesen Ton lieben, jedoch nicht zwei Anlagen transportieren können oder wollen. Und auch dafür gibt es eine Lösung – um genauer zu sein sogar zwei: Die erste richtet sich an Bassisten, die bereits einen Bass mit Stereo-Output besitzen: Spielt man den stegnäheren Tonabnehmer in den normalen Input des EBS und den Hals-Pickup in die Clean-Loop-Buchse (siehe Graphik), wird nur der Steg-Pickup-Sound verzerrt. Die Lautstärke des Overdrive- Signals wird nach wie vor mit dem Level- Regler bestimmt, der cleane Halstonabnehmer lässt sich dann mit dem Clean-Poti dazuregeln.
Die Tonabnehmer übernehmen also die gleichen Aufgaben wie bei Billys Verkabelung, sie lassen sich jedoch an der Ausgangsbuchse des EBS mono auf einen Verstärker legen. Tatsächlich ist das Ergebnis der Stereo-Variante klanglich ziemlich ähnlich, wenn auch nicht 100% authentisch. Attitude-Besitzer können für eine noch präzisere Trennung der Signale den High-Cut für den Halspickup bemühen, so gibt es noch weniger Überlappungen in den Höhen.
Und auch für Besitzer normaler Mono-Bässe (am besten ein Preci) gibt es eine Lösung: Mit einer einfachen Frequenzweiche wie der SX21 von Rolls, lässt sich das mono Instrumenten-Signal in eine hohe und eine tiefe Spur auftrennen – die Trennfrequenz kann am Gerät frei gewählt werden. Teilt man das Signal bei ca. 250-300 Hz, können – wie im vorherigen Beispiel – die normale Eingangsbuchse und der Clean- Loop-Eingang des EBS dazu genutzt werden, die Höhen und Mitten separat vom cleanen Bass-/Tiefmittenbereich zu verzerren (siehe Graphik).
Da hier ein und der elbe Tonabnehmer die Klangquelle für beide Signale ist, fällt das Ergebnis nicht ganz so authentisch aus. Dennoch kommt man so dem Sheehan- Sound mit wenig Aufwand und vergleichsweise geringen Investitionen ein gutes Stück näher.
Yamaha BB714BS: der Billo-Sheehan?
Natürlich hat nicht jeder Sheehan-Fan das nötige Kleingeld für den doch recht teuren Attitude übrig – aber auch dafür hat sich Yamaha etwas einfallen lassen: Der in Indonesien gefertigte BB714BS liegt bei ca. € 740 und ist ebenfalls ein echtes Sheehan-Signature-Modell!
Tatsächlich hat Billy vor der Entwicklung des Attitudes einen Prototypen aus der BB-Serie gespielt – einen pinken (Rose-Blue-Finish), stark modifizierten BB3000S mit einem extra fetten, durchgehenden Hals. Das Teil ist unter anderem auf der ersten Mr.-Big-Platte zu hören und unter Fans entsprechend legendär. Der BB714BS ist als eine Art Hommage gedacht und wurde in einigen Details etwas „entschärft“, um ihn massentauglicher zu machen: Der Hals ist beispielsweise mit einem Palisander-Griffbrett ausgestattet (Billy spielt immer Ahorn) und hat die normalen, eher schlanken BB-Maße.
Als Pickups kommen Yamaha-Aggregate zum Einsatz und tatsächlich gefiel Billy der Halstonabnehmer beim Erscheinen des Basses so gut, dass er ihn 3 Jahre später – in leicht abgewandelter Form – auch in seinem Attitude Limited 3 haben wollte. Natürlich kann der P-Pickup dem Dimarzio-Original in Sachen Authentizität nicht ganz das Wasser reichen – aber da kann man ja bei Bedarf nachrüsten. Der Erle-Body und die Schraubhals-Verbindung orientieren sich am Attitude, die hochwertige Brücke ist sogar identisch.
Selbst die Push-Pull-Funktion für den Woofer-High-Cut gibt es beim BB714BS, schade nur, dass die Tonabnehmer über eine einzelne mono-Buchse ausgegeben werden. Wer den Bass in Sheehan-Manier über zwei Anlagen jagen will, kann natürlich einfach eine stereo-Buchse einsetzen und ein Y-Kabel benutzen – spätestens dann ist der BB eine echte Alternative!
Pegelfehler beim EBS Billy Sheehan Signature Drive Deluxe
Gutes braucht bekanntlich seine Zeit, doch Messen und Release-Termine erzwingen manchmal einen schnellen Produkt-Launch. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich kleinere Fehler einschleichen – so ist es auch einigen Exemplaren des neuen Sheehan-Treters ergangen. Der sogenannte „Unity-Gain-Fehler“ ist leicht daran zu erkennen, dass man das Clean-Poti fast komplett aufreißen muss, um auf den gleichen Pegel zu kommen, den der Bass ohne eingeschaltetes Pedal ausspuckt. EBS ist über den Fehler informiert und bietet betroffenen Käufern eine kostenlose Reparatur an. Wer ein fehlerhaftes Pedal erwischt hat, kann unter support@ebssweden.com Kontakt zum Hersteller aufnehmen. Der deutsche Vertrieb hat alle im Handel erhältlichen Geräte überprüfen lassen.
Resümee
Wenn Billy Sheehan über sein Equipment spricht, betont er stets, dass jedes noch so kleine Detail auf Praxiserfahrungen beruht. Und das merkt man! Billys Attitude Limited 3 ist ein flexibles, makellos verarbeitetes Arbeitstier mit reichhaltigen Ton-Optionen ohne unnötigen Schnickschnack. Man muss nicht mal ein so aufwendiges Setup wie der Meister spielen, um diesen Hammer-Bass mit seinem perfekt auf den Punkt gebrachten Modern/Vintage-Sound im eigenen Arsenal rechtfertigen zu können. Der Preis ist nicht ohne und bewegt sich in der Custom- Shop-Liga – genau wie die Qualität des Instruments. Billys neues EBS-Pedal öffnet dem Spieler ebenfalls unzählige Türen, liefert jedoch schon im straighten, einkanaligen Normalgebrauch eine dermaßen überzeugende Vorstellung ab, dass man es Drive-Enthusiasten aller Art nur ans Herz legen kann. Die Optionen, die sich durch die getrennten FX-Loops, den austauschbaren Op-Amp, den Phase- Switch und den einstellbaren Kompressor ergeben, machen dieses Pedal einzigartig und in gewisser Weise auch konkurrenzlos. Wer schon lange auf der Suche nach dem Sheehan-Sound ist, kommt um das Billy-Besteck kaum herum!
Ich danke herzlich für diese Besprechung: Sie ist ausführlich und gut geschrieben.
Wann gibt es wieder einen BB714BS, wissen Sie da etwas?
Ganz herzliche Grüße