Der Begriff StingRay ist fast schon zu einem Synonym für Bass geworden. Wir verbinden ihn mit prominenten Musikern wie Flea von den Red Hot Chili Peppers oder mit Tony Levin. Der zeitgleich ins Leben gehobenen StingRay-Gitarre blieb der Weg ins Scheinwerferlicht allerdings versagt. Vielleicht ist die Zeit jetzt aber reif für eine Wiedereinführung.
Mit einer modernisierten Konzeption soll das Gitarrenmodell StingRay im Rahmen der Modern Classic Collection nun erneut auf den Weg gebracht werden. Wäre ja wirklich nicht das erste Design, das nach anfänglichen Problemen mit der Akzeptanz dann doch noch in die Spur findet.
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Face- und Sound-Lifting extra
Der grundlegende Entwurf der StingRay Guitar ist also nicht gerade neu, allerdings wurde Wesentliches wie Halsbefestigung, Kopfplattengestaltung und elektrische Ausstattung grundlegend geändert, ganz abgesehen davon, dass eine Schraubhalsgitarre mit Mahagoni-Body auch nicht eben an jeder Ecke zu haben ist. Nicht zuletzt die Holzwahl verspricht einen etwas anderen Akzent in der Tonformung. Die Details: Der Korpus des Testinstruments ist von seiner Form her dem frühen StingRay-Modell entlehnt und das war‘s auch fast schon mit den Gemeinsamkeiten.
Als Tonholz setzt man heute anstelle von Esche afrikanisches Mahagoni ein. Konturen am Korpus hinten oben zur Anlage am Spieler und zur Armauflage auf der Decke sorgen für guten Spielkomfort. Die vorspringende Zunge am Korpusboden im Bereich der Halsaufnahme wurde für den Übergang zum Hals nicht wie zuvor eckig, sondern ergonomisch fließend gestaltet. Der einteilige Hals aus Ahorn ist mit fünf Schrauben, anstelle der alten Dreipunktbefestigung über eine Halsplatte fest auf den Korpus geschraubt. Die parallel nach hinten versetzte Kopfplatte folgt der modernen Formgebung späterer Music-Man-Entwürfe mit 4 zu 2-Anordnung der Mechaniken (Schaller M6 Locking), ist aber etwas größer ausgelegt.
Die Saiten bringen durch ihre kurzen Wege mit geradem Zug ausreichenden Andruck auf den Sattel, was die Montage eines String Trees zur Saitenniederhaltung erübrigt. Für das ordentlich dicke Griffbrett nahm man ostindischen Palisander, an dessen 10″-Radius 22 Bünde aus Edelstahl (mediumhigh-profile) perfekt angepasst wurden. Dots an den üblichen Stellen kennzeichnen die Lagen. Der Sattel aus Kunststoff ist längenkompensiert ausgelegt, um das Tuning zu verbessern. Am Korpus werden die Saiten über die Music Man Modern Tremolo Bridge mit „Vintage Bent Steel Saddles“ geführt. Das 2-Punkt-System arbeitet im Messerkantenprinzip und ist über einen Alu-Block mit drei Federn aufgehängt.
Die elektrische Ausstattung kommt heute ohne aktive Bestandteile wie den früher integrierten Treble Boost aus und rekrutiert sich aus zwei passiven Music Man Custom Wound Humbucking Pickups mit Alnico-5-Magneten, die in Chrome-Kappen auf das im alten Stil belassene Pickguard geschraubt sind. Das etwas ominöse große Schaltpult der alten Modelle konnte demgemäß kleiner gestaltet werden und beherbergt heute lediglich noch je einen generellen Volume- und Tone-Regler auf verchromtem Aluminium Control Cover.
Den Dreiweg-Toggle für die Pickup-Wahl setzte man auf das Horn oben vorn. Konzeption und Verarbeitung des aktualisierten StingRay-Modells sind tadellos auf den Punkt gebracht. Zum Lieferumfang gehört ein üppiges Hartschalen-Case, das auch professionellen Ansprüchen genügt.
Toller Hals, starker Humbucker-Sound und sorgenfreies Vibrieren
Na schau an, das ist ja nach langer Zeit mal wieder ein relativ schlanker Hals. Wer kleine Hände hat, oder die Spät-60er-Gibson-Necks mag, der wird‘s auf jeden Fall begrüßen, aber das soll nun nicht heißen, dass das Hals-Shaping der StingRay zu speziell geraten ist. Unten zwar recht eng mit 41,3 mm am Sattel, nimmt das rundliche Profil aufsteigend dann doch deutlich zu und dank der glatten Stainless-Steel-Bünde und perfekt flach eingerichteter Saitenlage können wir von uneingeschränktem Spielvergnügen reden. Das akustische Tonambiente ist von glockig offenem Akkord-Sound geprägt. In Summe: schnell, schwingfreudig, atemreich – klasse!
Am Amp transportieren die Music Man „Vintage Spec“ Humbucking Pickups – Custom Wound natürlich, geht ja heute gar nicht mehr anders – das ausgeglichene Tonvermögen der StingRay mit Souveränität. Über den Hals-Pickup clean gespielt, tönt die Gitarre voll und klar, stimmlich bestens aufgelöst in harmonisch gerundete Akkorde. Einzelnoten schwingen nach akzentuiertem Anschlag lang aus, zeigen gute Farbe und eleganten Tonverlauf. Im Overdrive werden die zuvor genannten Eigenschaften förmlich potenziert herausgestellt. Der Ton reagiert wendig auf den Anschlag, jede Fingeraktion wird präzise umgesetzt und darüber hinaus prägt ein wohl dem Mahagoni zu dankendes, angenehm dunkles Raunen den Ton.
Gehen wir auf den Steg-Pickup, so springt der Ton leicht vor, gut so. In klaren Verstärkerpositionen sind klar strukturierte Akkorde zu haben, die neben der erwarteten Verschlankung und leichten Mittenbetonung mit immer noch erfreulich offenen Höhen aufwarten, was rhythmischem Begleitspiel stramme Konturen verpasst und Akkorde bei festem Anschlag mit leichtem Quak, aber nicht zu komprimiert darstellt. Sehr schön dann auch die Rundung der kompakt und geschlossen abrollenden Akkorde im Zerrmodus. Vor allem ist in dieser Hinsicht der zupackende Höhen-Peak zu loben. Kleine Intervalle liefern sehr schöne Reibungen und geradezu spannend plastische Interferenzen. Powerchords und Riffs werden höchst anschlagskonform und perkussiv umgesetzt, ja strotzen nur so vor Obertönen, die sich quasi seitlich unter den Fingern herausdrücken.
Pinch Harmonics, diese zwischen Daumen oder Zeigefinger und Pick herausgequetschten künstlichen Obertöne, lassen sich ultraleicht provozieren. Vor allem aber ist der stramme Ton zu loben, mit dem sich ausgesprochen saftig und geradezu vokal agieren lässt. Solospiel über den Steg-Pickup ist dank der leichten und druckvollen Tonentfaltung ein großes Vergnügen. Unterstützt wird dasselbe dann auch noch von dem geradezu verstimmungsfrei agierenden Modern Tremolo, das mit seinen traditionellen Bugblechreiten beste Schwingungsübertragung gewährleistet und dank der Klemmmechaniken und des kurzen geraden Saitenzugs auf den Sattel auch bei heftigen Modulationen klaglos sauber in seine Ausgangsstimmung zurückkehrt. Etwas lästig ist nur das holzige Klacken durch Aufsetzen auf die Decke bei deftigem Gebrauch, bedingt durch die aufliegende Montage des Systems.
Resümee
Hat es sich gelohnt? Und ob! Das von Grund auf renovierte StingRay-Modell reiht sich locker ein in die Reihe der modernen Music-Man-High-Performance-Instrumente. Die etwas klobige Ausführung der alten StingRays konnte uns Spieler seinerzeit nicht überzeugen, aber diese perfekt renovierte, absolut stimmig umgestaltete Version ist nicht nur optimal zu handhaben, sie klingt mit den verbauten MM-Custom-Wound-Humbuckern auch einfach großartig. Der tendenziell schlanke, rundlich gestaltete Hals mit Edelstahl-Bundierung spielt sich ganz wunderbar lässig.
Auch längere Spielzeiten sind damit ermüdungsarm zu bewältigen. Als Sahnehäubchen oben drauf gibt es dann noch das verstimmungsarm operierende Modern Tremolo, welches mit Bugblechreitern im Messerkantenprinzip arbeitet und damit eine gute Kombination von Tontransport und Funktion bietet. Music Man könnte mit dieser modernisierten klang- und funktionsstarken StingRay-Version erreichen, was Leo Fender damals verwehrt blieb: Erfolg.
Plus
aktualisiertes Design
Schwingverhalten
gute Pickups
starke Sounds
schlanker rundlicher Hals
stimmfestes Modern Tremolo
perfekte Spieleigenschaften
Verarbeitung
Minus
Modern Tremolo klackert bei Rückkehr auf die Decke
Leos vorletzter Streich
Music Man wandelt bekanntlich in den Spuren Leo Fenders, der in die von seinen früheren Mitarbeitern Tom Walker und Forrest White 1972 in Santa Ana/Kalifornien gründete Firma Tri-Sonix, später in Musitek und endlich 1974 in Music Man umbenannt, zunächst nur als Geldgeber und stiller Teilhaber mit einsteigen konnte. Als Geschäftsführer von Music Man öffentlich auftreten durfte er erst 1975 nach Ablauf einer vertraglich vereinbarten Sperrfrist von zehn Jahren, die dem Verkauf seines eigenen Unternehmens an CBS geschuldet war.
Music Man produzierte anfangs und durchaus erfolgreich nur Verstärker, brachte aber dann Mitte der 70er-Jahre das StingRay-Design in Versionen für Gitarre und Bass an den Markt. An den Entwürfen war Leo mit seiner Beraterfirma CLF stark beteiligt. Der Bass wurde von den Spielern sofort angenommen und ein Riesenerfolg bis heute, aber die zwei Gitarren-Modelle gerieten zum wirtschaftlichen Flop, konnten sich gegen die Dominanz der Fender-Gitarren nicht durchsetzen. 1980 verließ Leo Fender das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen – so die offizielle Version. Die waren offenbar schnell überwunden, denn im selben Jahr noch gründete er zusammen mit den alten Weggefährten George Fullerton und Dale Hyatt seine letzte Firma G & L Musical Instruments an der Fender Avenue in Fullerton. Bis zu seinem Tod 1991 arbeitete er dort immer noch an der Optimierung von Tonabnehmern, Vibrato-Systemen oder Halsverbindungen.
Bereits 1992 wurde er in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen. Bei Music Man übernahm Ernie Ball 1984 die Produktion und setzte neue Akzente mit erfolgreichen Music-Man-Designs wie Axis oder Silhouette, nicht zu vergessen die Signature-Modelle prominenter Musiker wie Luke, Steve Morse oder John Petrucci, aber die hatten mit Leo Fenders Entwürfen so gut wie nichts mehr gemein. (fh)