Insgesamt elf Jahre lang war Doug Aldrich Gitarrist und Hauptkomponist der Hardrock-Band Whitesnake. Im Frühjahr 2014 trennten sich die Wege. Jetzt plötzlich taucht der 52-jährige Amerikaner bei der Allstar-Gruppe The Dead Daisies wieder auf, zusammen mit Ex-MötleyCrüe-Gitarrist/Sänger John Corabi, Bassist Marco Mendoza, der u.a. bei Thin Lizzy spielte, und Schlagzeuger Brian Tichy, bekannt von Acts wie Slash’s Snakepit, Zakk Wyldes Pride & Glory, Billy Idol, Ace Frehley, Foreigner und … Whitesnake! Supergroup?
Im August erschien das dritte Album der gut besetzten Truppe, ein wunderbar geradlinig rockendes Werk namens ,Make Some Noise‘. Im Rahmen der diesjährigen Frankfurter Musikmesse präsentierten sich The Dead Daisies erstmals mit dem bis dato noch unveröffentlichten neuen Material. Wir nutzten die Gelegenheit, uns mit Aldrich über seine neue Band, aber auch über die für viele Fans etwas überraschende Vorgeschichte zu unterhalten.
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Doug, du bist im Mai 2014 bei Whitesnake ausgestiegen? Gab es Streit?
Doug Aldrich: Nein, überhaupt nicht. Ich war sehr stolz, Mitglied von Whitesnake zu sein. Ich liebe diese Band, ich mochte sie immer schon, bereits von dem Tag an, als mir ein Freund zum ersten Mal einige ihrer alten Scheiben vorspielte. Außerdem bin ich großer Fan der Deep-Purple-Besetzung mit David Coverdale. Deswegen war es toll, als David mich bat, bei Whitesnake einzusteigen. Wir hatten eine tolle Zeit miteinander, machten zwei klasse Studio-Scheiben, davor ein Live-Album ,Live … In The Shadows Of The Blues‘ mit den ersten vier Songs, die David und ich gemeinsam geschrieben hatten, anschließend ein paarDVDs.
David und ich hatten auch schon mit den Arbeiten am ,Purple Album‘ begonnen, ich nahm ein paar Demos auf, alles ging seinen Gang. Im Grunde genommen pausierte die Band zu dieser Zeit. Dann bekam ich ein Angebot für die Las-VegasShow „Raiding The Rock Vault“ mit namhaften Musikern wie Howard Leese von Heart oder Robin McAuley von der McAuley Schenker Group, dazu Tracii Guns, Hugh McDonald von Bon Jovi oder Rowan Robertson von Dio. Sie hatten mich vorher schon einmal gefragt, aber damals hatte ich zu viele Whitesnake-Aktivitäten im Kalender.
Diesmal dagegen hatte ich Zeit, zumal es für mich sehr lukrativ war, jeden Abend auf der Bühne zu stehen, ohne dafür jedes Mal reisen zu müssen. Denn ich bin seit einiger Zeit zum zweiten Mal verheiratet, mein Sohn aus erster Ehe lebt bei uns und ich wollte unbedingt mehr Zeit mit meiner Familie verbringen können. Es funktionierte prächtig. Dann bat mich David, mit ihm die ,Purple‘-Scheibe zu machen. Ich sagte: „Ich bin gerne dabei, aber ich kann dir nicht die komplette Zeit über zur Verfügung stehen, sondern immer nur zwei bis drei Tage pro Woche.“
David war damit zunächst einverstanden, also nahmen wir die ersten fünf, sechs Demos auf. Doch dann bemerkte ich, dass er mit dieser Zeiteinteilung nicht zufrieden war; er war jedes Mal irritiert, wenn ich ihm mal absagen musste. Natürlich war er zu 100% auf Whitesnake fokussiert, für mich dagegen war zu diesem Zeitpunkt meine Familie der wichtigste Faktor. Also musste ich eine Entscheidung treffen. Ich war natürlich enttäuscht, als ich Whitesnake verlassen musste, aber ich wollte nicht unehrlich sein und David etwas zusagen, was ich nicht einhalten kann.
Und jetzt bringst du zu Hause die Kinder ins Bett?
Doug Aldrich: Richtig. Eine tolle Sache! Oft sitze ich abends bei meinem Sohn am Bett und er sagt: „Nicht wahr, Papa, dieses Zimmer ist für Frauen verboten, oder?“ Wie soll ich dann aufstehen und für Wochen zu David Coverdale fahren? Außerdem habe ich seit drei Monaten mit meiner neuen Frau eine kleine Tochter namens Ruby. Familie hat für mich absolute Priorität. Wenn man jung ist und Gitarre spielt, will man so viel wie möglich erleben, solange es geht auf Tournee sein. Aber dann bekommt man ein Kind und alles ändert sich. Man will für das Kind da sein, es aufwachsen sehen.
Bild: SPV, Mineur
Bild: SPV, Mineur
Vermisst du denn Whitesnake?
Ja und nein. Seit ich die Band verlassen habe, kann ich ganz unterschiedliche Projekte verfolgen. Ich finde das großartig. David und ich haben einige tolle Songs komponiert, aber ich gehörte halt ausschließlich zu Whitesnake. Jetzt kann ich mich um meine Band Burning Rain kümmern, zwischendurch die Las-Vegas-Show spielen, im letzten Jahr machte ich ein paar Konzerte mit Glenn Hughes und spielte mit meinem Freund Derek Sherinian für ein russisches Ballett namens ,Heart Of Storm‘. Es macht Spaß, an unterschiedlichen Projekten beteiligt zu sein. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich wieder richtig frei.
Wie bist du zu The Dead Daisies gekommen?
Während der Tournee mit Glenn Hughes rief mich Marco Mendoza an. Ich kannte einige der Band-Mitglieder der Dead Daisies: Richie Fortus und Dizzy Reed sind gute Freunde von mir, mit Marco und Brian Tichy hatte ich bei Whitesnake gespielt, und John Corabi kenne ich bereits seit 1979 von der Highschool. Marco rief mich an und erzählte, dass sich Richard verletzt habe und die anstehende Tour nicht spielen könne. Er fragte mich, ob ich einspringen könne. Ich konnte jedoch nicht, weil ich Glenn versprochen hatte, mit ihm nach Japan zu gehen. Es waren zwar nur zwei Shows, aber ich wollte nicht wortbrüchig werden.
Ende des vergangenen Jahres kristallisierte sich dann heraus, dass Richard andere Pläne hatte. Sie fragten ihn, wer ihn ersetzen könne, und Richard schlug mich vor. Ich telefonierte mit David Lowy, ein netter Typ, mit dem ich mich auf Anhieb verstand. Ich mag sein Gitarrenspiel, seinen Sound, diese unschuldige, jugendliche Kick-Ass-Attitüde. Ich dagegen komme aus einer anderen Ecke, bin mehr von Blues und Hardrock beeinflusst. Ich konnte mir vorstellen, dass sich diese beiden Stile ebenso prächtig ergänzen wie das zwischen Lowy und Richard Fortus funktionierte. Den Rest der Band kenne ich ja sowieso. Also verabredeten wir uns, um Songs für ein neues Album zu schreiben und aufzunehmen.
Wie habt ihr komponiert?
Wir trafen uns einfach in einem großen Raum und fingen an, Ideen auszutauschen. Es erinnerte mich an die Zeit, als Keith Richards und Mick Jagger gemeinsam an Songs arbeiteten. Der Manager sagte einfach zu ihnen: „Da ist das Badezimmer, geht rein, schreibt einen Song und kommt nicht eher wieder heraus, bis das Stück fertig ist!“ Ganz ähnlich haben wir es auch bei The Dead Daisies gemacht. Der Großteil der Scheibe entstand in zwei Wochen. Wir arbeiteten eine Woche lang in Nashville – jeder brachte ein paar Ideen mit –, dann noch einmal für eine Woche lang in New York, um anschließend das Material aufzunehmen.
Es gibt auf der neuen Scheibe also auch Stücke von dir?
Ja. Die Vorgabe des Managements lautete: Alle, die ins Songwriting und in die Produktion involviert sind, sollen anschließend auch mit auf Tournee gehen, um die Fans nicht zu irritieren. Deswegen: Alles, was man aktuell von den Dead Daisies hört und sieht, stammt von uns fünfen.
Spielst du bei den Dead Daisies anders als bei Whitesnake?
The Dead Daisies haben etwas mehr Rock- Anteile und weniger Metal als Whitesnake. Außerdem ist diese Band etwas rauer, nicht ganz so poliert. David Lowy und ich haben im Studio einfach nur jeweils eine Spur mit Gitarren aufgenommen, das war’s. Bei Whitesnake gab es ohne Ende Overdubs. David Coverdale liebt den Jimmy-Page-Aspekt, mit übereinandergeschichteten Gitarren und unterschiedlichen Sounds. Mit einer sechs Mann starken Band auf der Bühne ist so etwas ja auch machbar. Für mich war es ungemein erfrischend, bei den Dead Daisies einfach nur meinen Part spielen zu müssen, mehr nicht. Deswegen klingt die Scheibe so roh, denn je mehr Instrumente man aufnimmt, umso stärker werden Ecken und Kanten abgeschliffen. Mir gefällt dieser raue Ansatz, er erinnert mich an Bands wie Thin Lizzy, Allman Brothers, später The Black Crowes. Die neue Scheibe ist in großen Teilen tatsächlich live eingespielt.
Wie würdest du die Musik der Dead Daisies bezeichnen?
Für mich ist das Riff-Rock, der großen Spaß macht. Bei Whitesnake ging es demgegenüber häufig auch um bestimmte Themen oder Melodien.
Und darum, der langen Tradition dieser Band gerecht zu werden, oder?
Ja, das ist natürlich in der Tat ein riesengroßer Unterschied … Bei den Dead Daisies handelt es sich dagegen um eine relativ neue Band, auch wenn sie bereits einen kleinen Background hat, nicht zuletzt ihre großartige letzte Scheibe ,Revolución‘, ein echtes Killer-Album, auf dem Richard Fortus und David Lowy ihren eigenen Stempel hinterlassen haben. Insofern gilt auch diesmal, mich so in die Band einzubringen, dass es zu den bisherigen Songs passt. Das Gute war, dass wir gleich mit dem Songwriting anfingen und erst anschließend die ersten Shows zusammenspielten. Deshalb fühlt es sich für mich wie eine neue Band an, bei der ich das Material spielen kann, das ich vorher mit ihr geschrieben habe. Es fühlt sich alles sehr frisch und neu für mich an.
Letzte Frage: Was bringt das Jahr 2016 noch für dich?
Ich bin zurzeit im Songschreib-Modus und habe massenhaft Material gesammelt, ohne genau zu wissen, wofür ich es konkret verwenden will. Einiges werde ich vorstellen, wenn ich Freunden bei ihren Projekten helfe, außerdem habe ich bereits ein komplettes neues Album für Burning Rain geschrieben, das ich nur noch aufnehmen muss. Der Herbst ist ja sowieso für die Dead Daisies und unsere große Welttournee reserviert. Deswegen versuche ich momentan möglichst viel Zeit mit meiner jungen Familie zu verbringen und wann immer es passt in Las Vegas die Rock-Vault-Show zu spielen.
Danke Doug, und alles Gute für dich und deine Familie!
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