Q: Ein Bekannter von mir hat sich eine merkwürdige „Gretsch“- Gitarre aus den USA mitgebracht. Man sieht auf den ersten Blick, dass hier einiges nicht stimmt. Wisst ihr vielleicht mehr über solche Fakes? (Bernd)
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Bild: G&B-LESER
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A: Das sieht ganz nach einer philippinischen Fälschung aus! In den 1960er-Jahren führten die Amerikaner einen großen Teil des Vietnam-Krieges von Stationen aus, die in den Philippinen angesiedelt waren. Durch die große Popularität des Rock’n‘Roll und die Anwesenheit des US-Militärs wurden Gitarren dort ein wichtiges Business und nicht weit von Subic Bay, einer großen US-Militär-Station, öffneten viele kleine Musikläden, deren Besitzer genau wussten, dass die amerikanischen Soldaten und ihre Familienangehörigen vor allem auf amerikanische Instrumente stehen würden. Und so dauerte es nicht lange, bis recht grobschlächtige, einheimische Kopien der amerikanischen Gitarrenoriginale angeboten wurden, die als Vorlage nur Fotos aus Katalogen kannten.
So eine Gitarre könnte auch die Gretsch deines Bekannten sein – ich habe eine sehr ähnliche, von der ich wusste, dass sie aus den Philippinen stammt, schon einmal selbst in der Hand gehabt. Aus fünf Metern Entfernung und ohne Brille würde diese Gitarre vielleicht als Mitt-Sechziger-Country-Gentleman durchgehen. Wenn man sich jedoch halbwegs auskennt und genauer hinschaut, wird man schnell bemerken, dass aber auch gar nichts an Gretsch erinnert. Schon die Kombination der einzelnen Bauteile passt nicht. Meines Wissens nach hat Gretsch niemals eine Gitarre dieser Farbe im Programm gehabt, die mit Double-Cutaway und Chrom-Hardware ausgestattet war. Der Saitenhalter, die Poti-Knöpfe, die Pickup-Kappen und -Rahmen, die Mechaniken und die Einlage in der Kopfplatte sind ebenfalls in dieser Form nie bei Gretsch aufgetaucht.
Und auf dem Schlagbrett, das noch halbwegs authentisch aussieht, sitzt ein Gretsch-Logo, das ziemlich unsauber wahrscheinlich mit einer Rasierklinge ausgeschnitten wurde. Bei „meinem“ Gretsch-Fake vesteckten sich übrigens unter den Humbucker-Kappen simple Singlecoils, und die undurchsichtig arbeitende Schaltung wurde noch dadurch übertroffen, dass neben dem Master-Volume-Regler am unteren Cutaway weiter hinten neben dem Master-Tone- ein zweiter (!) Master-Volume-Regler vorhanden war. Absicht, Zufall oder Fehler – man weiß es nicht. Klanglich kann diese Fälschung in keinster Weise mit dem Original mithalten – der Sound dieser Pickups ist so weit vom großartigen Filter-Tron-Klang entfernt wie die Philippinen von den USA.
Aber gegenüber dem kriminellen Tun der chinesischen Gitarren-Kopierer von heute wirkt deine philippinische Gretsch-Fälschung doch recht harmlos und fast schon wieder sympathisch, oder?