Zugegeben: Seine Alben mögen immer langatmiger, melancholischer und ruhiger werden. Wie auch sein 2007er Werk ,Kill To Get Crimson‘ – ein 12-Song-Sedativum. Gleichzeitig, und das mag verblüffen, ist Mark Knopfler aber so abenteuerlustig und umtriebig wie selten zuvor: Er fährt Oldtimer-Rennen, interessiert sich für Geschichte und Politik, sammelt edle Vintage-Gitarren, entwickelt neue Signature-Modelle und engagiert sich für diverse Benefiz-Projekte. Und Gitarre spielen, das kann er schließlich immer noch besser als der überwiegende Rest der Welt. Grund genug für Gitarre & Bass, Mark Knopfler weiter ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken…
Wobei der Treffpunkt derselbe ist, wie seit Jahr und Tag: Das Bluebird Café im Londoner Stadtteil Chelsea. Ein Gourmet-Tempel für die betuchte Upper-Class. Mit traditioneller Teatime, Trüffel-Spezialitäten und Champagner-Brunch, aber auch Biokost und erlesenen Zutaten aus aller Welt. Was Mark nicht wirklich interessiert – für ihn ist die Lokalität einfach nur bequem, denn er wohnt „direkt um die Ecke“, wie er grinsend gesteht. Das hindert ihn freilich nicht daran, eine geschlagene halbe Stunde zu spät zu kommen, und für hektische Nervosität bei Management wie Plattenfirma zu sorgen.
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„Ihr wisst doch, wie lange ich morgens für meine Haare brauche“, lacht der bullige Schotte, streichelt sich durchs lichte Grau und betrachtet sich in den Gläsern seiner verspiegelten Sonnenbrille. Ein gestandener Familienvater in Blue-Jeans, T-Shirt und Hemd. Mit offenkundigem Bauchansatz, verquollenem Gesicht und der Reaktionszeit eines Teddybären. Er spricht langsam und bedächtig, legt oft minutenlange Denkpausen ein, und reißt gelegentlich trockene Witze, die er mit einem kehligen Lachen kommentiert.
Kurzum: Ein echter Kauz, aber doch einer, den man einfach mögen muss – weil er so offen, ehrlich und völlig normal rüberkommt. Nicht wie ein Rockstar, der 118 Millionen Alben verkauft hat und seit Ende der 70er als regelrechter Gitarrengott gilt, sondern wie ein netter Onkel, hinter dessen leicht verschlafener Fassade viele tolle Geschichten lauern. Und genau die tischt er auch diesmal auf – bei ca. vier Tassen schwarzem Kaffee. „Mein Altherren-Frühstück: Wenig Kohlenhydrate, viel Koffein.“ Ist klar…
Mark, auf den letzten Alben hast du uns nach Philadelphia, Northumberland, Nashville und ins Shangri-La geführt. Wohin geht die Reise diesmal?
In die Vergangenheit. Also in die späten 50er und frühen 60er. Eine tolle Zeit – und wahnsinnig aufregend. Denn da gab es die Explosion des Rock & Roll und die Erfindung des Teenagers. Es war das erste Mal, dass junge Leute gearbeitet und ihr eigenes Geld verdient haben. Das hat für eine neue Subkultur gesorgt, und den Weg für die Beatles und die Beat-Gruppen geöffnet, die ja eine direkte Reaktion auf den britischen Skiffle Boom waren: der Sound einer neuen Generation, die nach eigenen Ausdrucksformen gesucht hat. Und all das ist in meiner Jugend passiert. [Mark wurde am 12. August 1949 geboren.]
Sprich: Ein Album über die gute alte Zeit?
Ja, das ist es. Es ist ein Album über Großbritannien. Und in diesem Land gibt es so viele interessante historische Sachen, mit denen man sich unbedingt beschäftigen sollte. Denn die Geister der Vergangenheit sind allgegenwärtig.
Die Geister des britischen Empires?
Das spielt da auch mit rein, klar. Und wenn du dich dafür interessierst, solltest du das auch in deinen Songs aufgreifen. Ich interessiere mich aber vor allem für Geschichte, die eine Beziehung zur Gegenwart hat. Ich liebe es, Zusammenhänge zwischen gestern und heute herzustellen.
Weil die aktuellen Konflikte und Kriege allesamt auf historischen Kausalitäten basieren?
Ganz genau. Und das führt zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass sich zwar die Zeiten ver- ändern, die Menschen aber kaum. Schon gar nicht Politiker.
Wie stehst du zu Gordon Brown, immerhin der erste schottische Premierminister aller Zeiten?
Ich finde, dass es Anzeichen für ein neues Parlament gibt, das mehr Respekt vor der öffentlichen Meinung hat – und sich den Diskussionen stellt. Und ich hoffe, dass er so schnell wie möglich für einen Rückzug aus dem Irak sorgt, denn allein das würde vieles ändern. Nur: Wer bin ich, dass ich das groß kommentieren darf?
Wie lebt es sich mit der permanenten Terrorangst in London?
Da habe ich keine Angst. Kein bisschen. Denn das Leben in London wird immer weiter gehen. Die Stadt hat die Pest, mehrere Feuer, Bomben, den zweiten Weltkrieg und die IRA überstanden. Und zwar ohne Probleme. London zuckt nur einmal kurz mit den Schultern, dann geht es weiter. Diese Stadt kann keiner aufhalten.
Du beschreibst auf ,Kill To Get Crimson‘, wie schwer es damals als Jugendlicher oder junger Erwachsener war, sich für eine professionelle Musikerkarriere zu entscheiden. Ein gesellschaftlicher faux pas?
Unbedingt. Zu der Zeit muss das sogar ein richtiger Skandal gewesen sein. Was es ja eigentlich immer war – auch schon Jahrhunderte vorher. Und das für alle Bereiche der Kunst: Fürs Schreiben, Malen, Komponieren, all diese Dinge. Um dich da durchzusetzen, musstest du dich schon regelrecht berufen fühlen. Und das war etwas ganz anderes, als es einfach nur zu machen, weil du halt die Möglichkeit dazu hattest. Es musste eine Leidenschaft dahinter stecken. Und das war und ist bei mir definitiv der Fall. Ich habe ein unbändiges Verlangen, Songs zu schreiben – und zwar mehr als alles andere im Leben.
Wie haben deine Eltern reagiert, als du damals deinen Redakteursjob bei einer großen Tageszeitung geschmissen hast?
Die waren stinksauer. (lacht) Und deswegen habe ich ja auch diesen Song ,Let It All Go‘ geschrieben. Über einen alten Maler und einen jungen Typen, der in seine Fußstapfen treten will. Der alte Maler sagt: „Vergiss es – besorg dir einen vernünftigen Job. Und zwar einen mit Rentenanspruch. Oder tritt einfach der Armee bei – mach was Vernünftiges aus deinem Leben. Aber verschwende es nicht mit der Kunst.“ Doch der Junge lässt sich nicht beirren, und deshalb sagt der Alte irgendwann: „OK, wenn du es denn wirklich willst und dich nichts davon abhalten kann, dann lass halt alles andere sausen.“ So war das auch bei mir – ich wollte Songs schreiben und Geschichten erzählen.
Bist du so ein nostalgischer Mensch oder ist das deine Art der Aufarbeitung?
Ich schätze, es ist eher so, dass jeder Song etwas haben sollte, zu dem ich als Autor eine Beziehung aufbauen kann – einfach, indem da etwas ist, das mit mir zu tun hat. Ich untersuche da etwas, das mit mir zu tun hat, und das auf irgendeine Weise interessant für mich ist. Ich gehe also nicht locker oder oberflächlich damit um, sondern reagiere auf etwas, das mich in irgendeiner Form belastet.
Das hat mit Therapie zu tun, ganz klar. Ich stelle mich Dingen, die irgendwo in meinem Kopf oder meinen Erinnerungen rumspuken, und mache daraus einen Song. Wobei mir das aber nicht immer gelingt. Eine Menge Sachen, die ich schreibe, landen später im Müll. Und ich glaube, ich habe in meinem Leben schon eine ganze Müllhalde mit schlechten Songs gefüllt, die hoffentlich alle verwest sind. (lacht) An diesem Album arbeite ich auch schon eine ganze Weile. Ich musste es nur immer wieder verschieben, weil mir irgendwelche anderen Projekte dazwischen gekommen sind.
Wie ,All That Roadrunning‘ mit Emmylou Harris?
Das war ein Riesen-Spaß! Genau wie die Tour. Wir hatten eine tolle Zeit, und haben sie eigentlich nur unternommen, weil wir es so genossen hatten, die Platte zu machen. Auf der Bühne entwickelte sich das Ganze dann aber zu einem noch viel größeren Spaß als er es ohnehin schon war. Und ich bin sehr zufrieden, dass das Album so erfolgreich ist. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so viele Leute verstehen würden. Aber das scheint tatsächlich der Fall zu sein.
Das heißt, es besteht Hoffnung für einen zweiten Teil?
Gott, ich hoffe es! Es ist so unglaublich einfach, eine Platte mit Emmy zu machen – das pure Vergnügen. Sie ist derart bei der Sache, dass es einen regelrecht mitreißt. Was ich sehr genossen habe.
Wir leben im Zeitalter der großen Reunions, wovon sich nicht einmal Leute ausnehmen können, die immer behauptet haben, das würde ihnen nie passieren – wie etwa Genesis, The Police oder The Who. Wie steht es mit den Dire Straits?
Für mich würde der eigentliche Spaß eines neuerlichen Zusammenkommens darin bestehen, damit einen Beitrag zu einer Benefiz-Geschichte zu leisten. Und das bedarf einer langen, gründlichen Planung. Also bestimmt ein Jahr an reiner Vorbereitung. Das würde ich irgendwann gerne angehen. Aber eben aus keinem anderen Grund, als damit etwas Positives für andere zu leisten.
Weil es dir genauso wenig ums Geld geht, wie The Police oder Genesis?
Ich weiß nicht, was ihre Beweggründe sind. Aber ich hätte definitiv Spaß daran – und das ist der einzige legitime Grund.
Ist dir eigentlich bewusst, dass es genau 30 Jahre her ist, seit du die Straits formiert hast?
(leicht betroffen) Ehrlich? Au Mann, wenn du etwas machst, das dir gefällt, dann vergeht die Zeit wirklich wie im Flug. Und was soll ich sagen: Ich hatte eine tolle Zeit mit der Band, und wir haben wahnsinnig viel erreicht. John (Illsley, der Bassist der Dire Straits) und ich sind auch immer noch beste Freunde. Wir leben sogar Tür an Tür – im Süden von England. Von daher sehen wir uns oft, und ich schätze seine Freundschaft sehr.
Er ist übrigens gerade in meinem Studio und nimmt mit einem Typen aus Irland auf, mit dem er eng befreundet ist, und dessen Karriere er ein bisschen ankurbeln will. Insofern würde ich sagen: Wir hatten immer viel Spaß zusammen. Aber seit etwa zehn Jahren, und im Grunde noch ein bisschen länger, schreibe ich eben mehr und mehr für unterschiedliche Instrumente – ich brauche Streicher, Bläser, Banjos und weiß-der-Teufel-noch-was. Vor allem aber Violinen.
Demnach bist du dem Rock-Band-Kontext schlichtweg entwachsen?
Ja, manchmal brauche ich eine schnörkellose Beat-Gruppe, und manchmal eine Folk-Formation. Manchmal Flöten, Streicher, Blä- ser oder was auch immer. Das hängt davon ab, mit welcher Art von Song ich gerade aufwarte. Ich mag diese Freiheit, ich mag es, mich ein bisschen bewegen zu können. Und ich finde es nervig, ständig all dieses Gepäck mit mir rumzutragen, das bei einem großen Namen einfach dazugehört. Da ist so viel Ballast im Spiel, dass du daran fast erstickst.
Und wenn du dir heute das erste Straits-Album anhörst? Was denkst du dann?
Das kann ich nicht – und tue es auch nicht. Einfach, weil ich mir nie etwas anhöre, nachdem es fertig ist. Aber einer meiner Jungs spielt in einer Band, die sich auf Covers spezialisiert. Und die bringen ,Sultans Of Swing‘. Er ist 19, und die machen das wirklich toll. Man sieht richtig, wie viel Spaß sie dabei haben. Sie treten auch regelmäßig auf. Und da bringen sie ,Sultans‘, ,Sunshine Of Your Love‘ und solche Sachen. Und zwar mit viel Power und Energie. Ich höre mir ihre Version viel lieber an, als meine eigene. (lacht) Und momentan gibt es ja eh viele junge Bands, die ihre Inspiration aus dieser Periode beziehen. Da muss ich das ja nicht auch noch tun (lacht) …
Bist du dir der Coverversionen bewusst, die derzeit kursieren? Etwa von System Of A Down, die ,Sultans Of Swing‘ spielen, oder von den Killers, die ,Romeo And Juliet‘ bringen?
Von der ersten Band wusste ich es nicht. Aber von den Killers habe ich gehört. Und ich finde das lustig. Es ist dasselbe, wie von irgendwelchen Bands aus Finnland zu hören, die sich ebenfalls daran versuchen. Und meistens muss ich dann erfahren, dass meine Jungs große Fans von ihnen sind.
Also halten dich deine Söhne musikalisch jung?
Es ist die Musik, die dich jung hält. Musik ist die effektivste Methode, um jung zu bleiben. Und selbst Musik zu machen und auf Tour zu gehen, ist ein wichtiger Teil davon. Deswegen konzentriere ich mich auch nicht nur aufs Songwriting oder verstecke mich im Studio, sondern ich verbringe gerne einen gewissen Teil meiner Zeit damit, für andere Leute zu spielen.
Das ist etwas, vor dem ich noch nie Angst hatte. Ich habe es immer sehr genossen, da rauszugehen und vor Publikum aufzutreten. Aber auf solche Monster-Tourneen wie bei den Straits lässt du dich heute auch nicht mehr ein.
Weil zweieinhalb Jahre unterwegs dann doch zu viel ist?
Das hängt davon ab, was du willst. Wenn es dir darum geht, dich zu etablieren und deine Karriere zum Laufen zu bringen, ist das der einzige Weg. Wenn es das ist, was du immer wolltest, dann sowieso. Also nimmst du den Ball und rennst los. Aber leider ist es eben auch so, dass du nicht immer in die richtige Richtung läufst. Da ist ein bisschen Ruhe und Besonnenheit manchmal ganz nützlich.
Und was hört Mark Knopfler privat?
In letzter Zeit vor allem Folk-Musik. Denn wenn du spät nach Hause kommst und einfach ein schönes Abendessen genießen willst, dann hast du keine Lust, alle paar Minuten aufzuspringen und die Musik zu ändern. Von daher tendiere ich dazu, Sachen aufzulegen, bei denen man kein Problem in der Küche bekommt. (lacht) Bei denen man sich nicht in den Finger schneidet. Und das waren in letzter Zeit eine Menge Folk-Sachen. Wobei sich das jederzeit ändern kann. Aber momentan ist es englische Folk-Musik. Einfach, weil ich darauf stehe. Und weil sie gut zu Steaks und Wein passt. (lacht)
Demnach ist der Geist von Lonnie Donegan allgegenwärtig?
Ja, Lonnie ist immer dabei. Genau wie diese keltische Sachen, aber auch der Boogie, der Blues, und natürlich Hank (Marvin). Das sind die Geister, die mich ständig begleiten.
Darf man fragen, warum du nicht beim Live-Earth-Festival aufgetreten bist?
Das ist aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht zustande gekommen.
Obwohl du über Jahre an allen großen und wichtigen Benefiz-Veranstaltungen im Pop- und Rock-Bereich teilgenommen hast?
Ja, und das tue ich immer noch. Zum Beispiel für Darfur. Ich bin sehr stolz, dass ich da helfen kann. Auch, wenn ich eigentlich nicht der Typ für große Events bin. Ich gebe lieber ein ganz normales Konzert. Und wenn ich zum Beispiel in der Royal Albert Hall spiele, wo ich schon mal eine Woche am Stück auftrete, dann widme ich jeden Abend einer anderen Benefiz-Aktion, und bleibe im kleineren Rahmen. Denn solche Konzerte ziehe ich den ganz großen Veranstaltungen vor.
Ich habe ein ausgeprägtes Misstrauen gegen alles mit dem Wort „Fest“ – wie „Käsefest“ oder „Gitarren-Fest“. Darauf stehe ich nicht besonders. Selbst, wenn ich die Sachen dahinter sehr wohl mag. Ich meine, ich liebe Gitarren, Käse, Wein und Motorräder. Aber ich möchte eben nicht an einem Motorradfest oder einem Weinfest teilnehmen. Ich bevorzuge etwas Kleines. Ich gehe zum Beispiel lieber zu einer Weinprobe, als zu einem Weinfest. Das ist einfach die Art, wie ich ticke.
Das klingt ein bisschen nach verletztem Stolz. Können solche Großveranstaltungen denn überhaupt etwas bewirken?
(lacht) Trotz allem, was ich gerade gesagt habe, schätze ich doch, dass sie das können. Ich bin als Kind ja selbst auf alle möglichen Festivals gerannt. Ich war zum Beispiel bei sämtlichen Isle Of Wight Festivals und hielt das für eine wichtige gesellschaftliche und kulturelle Sache. Was ja einfach eine Frage des Alters ist. Und ich glaube bis heute, dass große Events sehr wohl einen Unterschied machen können. Es ist nur meine persönliche Entscheidung, dass ich mich daran nicht mehr beteilige.
Dafür hast du eine neue Version von ,Brothers In Arms‘ aufgenommen – und zwar für die britischen Falkland-Veteranen.Unter denen gibt es eine erschreckend hohe Selbstmordrate, die bislang von Militär und Regierung heruntergespielt wurde …
Die Selbstmordrate unter Falkland-Veteranen ist auf einem neuen Hoch. Und kaum jemand weiß, dass es bislang über 750 Fälle gab, in denen sich Soldaten von damals das Leben genommen haben. Und zwar auf beiden Seiten – Argentinien und England. Das ist wirklich eine erschreckend hohe Zahl an Leuten. Mich erinnert dieses Ausmaß an den Ersten Weltkrieg und die Schrecken, die die Menschen in den Stellungsgräben ertragen mussten – mit denen sie auch später nicht klargekommen sind. Und die Geschichte zeigt, dass wir Veteranen noch nie die angemessene Aufmerksamkeit geschenkt haben. Von daher halte ich es für wichtig, das anzusprechen. Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass wir nicht wirklich viel aus der Vergangenheit lernen.
Weil jeder denkt, es wäre dieser kleine Krieg gewesen, bei dem a) nicht viel passiert ist und bei dem es b) ohnehin um nichts ging?
Dabei sind da hunderte von Menschen gestorben. Und die meisten von ihnen haben nachträglich Selbstmord begangen Das ist schon ziemlich schockierend. Außerdem schätze ich, dass es da um mehr ging, als um ein paar Schafe. Eben um Souverä- nität und Staatshoheit. Also wichtige Dinge. Aber das Entscheidende ist doch, dass die Politiker Kriege vom Zaun brechen, und die einfachen Leute, die Hilfskräfte, sie austragen müssen. Und wenn wir Leute irgendwohin schicken, um solche Dinge zu erledigen, dann finde ich es wichtig, dass wir sie entsprechend pflegen, wenn sie körperlich oder geistig verletzt nach Hause kommen. Das gehört sich einfach so.
Deshalb habe ich eine Version von ,Brothers In Arms‘ in den Abbey Road Studios aufgenommen – live in einem Take. Das kann man sich bei i-tunes runterladen, und die Erlöse gehen an die South Atlantic Veterans Association. Die haben herausgefunden, dass es viel bringt, wenn man ehemalige Soldaten noch einmal auf die Falklands schickt. Das ist pure Therapie. Es heilt sie irgendwie – eben indem sie den Kriegsschauplatz noch einmal betreten.
Unlängst hat jemand bei einer Benefiz-Versteigerung 35.000 Pfund bezahlt, um von dir eine halbe Stunde Gitarrenunterricht zu bekommen. Wäre das nicht Grund, sich ganz aufs Unterrichten zu verlegen?
(lacht) Unter sochen Bedingungen schon – natürlich! Da würde ich nur noch Gitarren-Stunden geben. Aber das war eine einmalige Sache für einen guten Zweck, und irgendein Verrückter hat tatsächlich so viel Geld hingelegt. Was natürlich eine noble Geste ist, und der Aktion wirklich hilft. Aber jetzt muss ich tatsächlich den Lehrer spielen. Und warum jemand ausgerechnet bei mir Unterricht nehmen will, kann ich mir nicht erklären. Schließlich bin ich der Alptraum jedes Gitarrenlehrers. Ich bin der Schrecken mit sechs Saiten. (lacht)
Und: Was wirst du in dieser halben Stunde mit dem armen Kerl, der wahrscheinlich ein Riesen-Fan ist, machen?
Ach, die Zeit kriege ich schon irgendwie rum. Es gibt bestimmt ein paar Sachen, die ich Hobby-Spielern und Anfängern beibringen kann. Ich kann ihnen zum Beispiel zeigen, wie man alles ein bisschen besser organisiert, aber eben auch nicht viel mehr.
Und wenn da ein echter Crack auftaucht?
Dann habe ich ein echtes Problem. (lacht) Wahrscheinlich rufe ich dann Eric (Clapton) an …
Wusstest du, dass Bill Wyman eine Bass-Schule eröffnet hat?
Ernsthaft? Das ist eine gute Idee, eine sehr gute sogar. Vielleicht sollte ich mich da anmelden. Denn ich spiele wirklich gerne Bass. Und lustigerweise habe ich das auch auf diesem Album getan. Wovon aber nichts übrig geblieben ist. Ich habe es einfach aus Spaß gemacht – und Guy (Fletcher, Keyboarder) und ich haben richtige Wettkämpfe ausgetragen, um zu sehen, wer besser Bass spielt. Aber dann ist Glenn Worf ins Studio gekommen, hat sich das angehört, laut gelacht, und alles noch einmal eingespielt. Was für eine Blamage. (lacht)
Bill Wyman nimmt 8000 Dollar für das Wochenend-Trainingslager.
Autsch!
Dafür gibt es aber auch ein T-Shirt und ein Foto …
Na, das ist ja wohl das Mindeste! (lacht)
Du brauchst viel Geld für alte Gitarren: Wie macht sich diese allererste Fender Strat, die je gebaut wurde, bei dir?
(süffisant grinsend) Die steht bei mir im Keller – zusammen mit ungefähr 70 anderen Gitarren. Die meisten davon sind Fender-Instrumente, also bestimmt 80 Prozent von ihnen. Einfach, weil ich auf diesen klaren Sound stehe – den guten alten Hank-Marvin-Ton. Und die erste Stratocaster, die ich die „Jurassic Strat“ nenne, ist von 1954. Sie ist also genauso alt wie mein Austin Healey. Und das ist eine großartige Gitarre. Die beste und schönste, die ich habe.
Sie ist übrigens ein Geschenk von einem sehr guten Freund von mir, einem Songwriter namens Paul Connolly. Ein wirklich toller Kerl, und unglaublich generös. Er hat sie mir vor ein paar Jahren einfach so geschenkt, und bereut es mittlerweile wahrscheinlich auch schon wieder. Denn das Teil ist mittlerweile so viel wert, dass man sich davon ein nettes Häuschen in London kaufen könnte. Unfassbar, oder? (lacht)