Wie gut, wenn man eine eigene, reich bestückte Historie hat. Denn darauf lässt sich prima zurückgreifen! Aber nicht nur, um alte Geschichten zu erzählen, sondern auch, um neue zu generieren …
Dass Evergreens alles andere als langweilig sein können, beweist Danelectro mit jeder Neuauflage aufs Neue. Dabei vertraut man weiterhin auf die tradierten Konstruktions-Methoden und -Materialien, und bessert nur da aus, wo der damalige Stand der Technik Mängel aufwies. Manchmal kommt auch heute noch das Baukasten-Prinzip zur Anwendung, für das Danelectro damals bekannt war. Jede Body-Form war samt Pickups mit Gitarren-, Bass- und Bariton-Hals kompatibel, und fast jedes Modell war auch in diesen drei Gattungen erhältlich. Das ist heute bei einer auf Kosten-Optimierung ausgerichteten Serienproduktion nicht mehr so konsequent durchzuführen, aber das hier im Folgenden beschriebene Longhorn-Design gibt es z. B. in seiner neuesten Inkarnation neben der Gitarren- auch in der Bass-Ausführung.
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Konstruktion
Die Danelectro-Konstruktion ist bekannt, und die beiden optisch so unterschiedlichen Instrumente sind hier identisch aufgebaut: Masonite, was nichts anders als Presspappe ist, dient als Decken- und Boden-Material und sitzt auf einem Rahmen aus gesperrtem Pappelholz. Was bedeutet, dass der Großteil des Bodys hohl ist. Natürlich verläuft ein Band aus Vinyl um die Zargen, und am oberen Ende des Griffbretts thront der unvermeidliche Sattel aus Alu. Der hat diesmal bei beiden Gitarren schön tiefe Kerben – was in der älteren und jüngeren Vergangenheit meist nicht der Fall war.
Genauso unvermeidlich wie der Alu-Sattel sind natürlich auch die Lipstick-Pickups, ein absolutes Trademark der Danelectro-Geschichte und längst ein Pickup-Klassiker. Bei beiden Gitarren sind die Lippenstifthülsen unterschiedlich bestückt. Während die Longhorn 59M NOS Lipsticks aufweist, präsentiert die ‘63 Dano die neuen ‘56 Lipsticks. Beides sollen unterschiedliche Repliken der alten Pickups aus den 1950er-Jahren sein. Wobei – so ganz kann ich das nicht glauben, denn die originalen Vintage-Pickups hatten damals zwar einen umwerfend musikalischen, singenden Ton, waren aber hoffnungslos mikrofonisch und wären damit bei den heute herrschenden höheren Lautstärken sehr rückkopplungsanfällig.
Kaum vorstellbar, dass man heute noch moderne Gitarren mit solchen Pickups ausrüstet. Aber – wir werden das später ja noch checken … Mechaniken und Steg sind der Neuzeit angepasst. Verschlossene Kluson-Typen erlauben präzises Stimmen, sechs einzelne Saitenreiter auf dem Metallsteg eine präzise Einstellung der Oktavreinheit. Dano-Puristen werden den alten Holzsteg und dessen speziellen Ton sicherlich vermissen, andere – wie ich – freuen sich, dass die Gitarre nun auch in den oberen Lagen stimmt und insgesamt mehr Sustain und Klangfülle aufweist.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
Praxis
Wer weiß, welche Mensur die Danelectros haben? Die meisten werden instinktiv sicherlich von 628 mm ausgehen, also der Gibson-Mensur, weil sich beide Gitarren wie Butter spielen lassen und optisch eher zu den kleineren ihrer Art gehören. Aber nein, Danelectro verwendet das Gretsch- und PRS-Maß von 25″, also 635 mm. Wobei das früher auch zumindest teilweise anders war. Meine alte Silvertone, 1961 von Danelectro gebaut, hat z. B. eine Zwergenmensur von 596 mm. Die neue Longhorn liegt besonders gut an, weil sie tatsächlich noch kleiner als die schicke ‘63 Dano ist.
Unter den Arm geklemmt, kann man dieses gehörnte Fliegengewicht eigentlich nicht ernst nehmen – aber am Verstärker tritt dann gleich ihre wahre Seele zutage. Und wie! Das Wort Seele habe ich hier nicht zufällig getippt, denn dieser funky Soul-Sound ist einfach großartig! Er kommt mit einem Hauch von Akustik-Snap daher, der durch den größtenteils hohlen Korpus hineingebracht wird, und verliert auch im Crunch-Modus seine Klasse nicht: Vollmundig, leicht rauchig, überhaupt nicht faul und erst recht nicht dünn! Je weiter man nach hinten durchschaltet, umso weniger attraktiv wird das ganze Werk dann jedoch. Klingt die Kombinationsstellung noch schön perlig, etwas fester und immer noch offen, lässt der Steg-Pickup alleine dann jede Wärme und Fülle vermissen. Diesen Sound kann nur der beinharte Rock’n‘Roller mit ein wenig verzeihendem Crunch-Ampsound genießen.
Aber sonst sehe ich den Steg-Pickup eher so, wie viele den Mittel-Pickup einer Fender Strat sehen – als nützliches Beiwerk für die Kombination mit den anderen Pickups der jeweiligen Gitarre. Auch das funktioniert bei der Longhorn gut! Denn dank der Tatsache, dass in der Mittelstellung – wie immer bei Danelectro – beide Pickups seriell hintereinander geschaltet sind, bekommt man auch mit verzerrt eingestelltem Amp einen druckvollen, fetten, aber stets offenen und griffigen Riff-Sound hin. Aber mal im Ernst: Wer mit solch einer Gitarre bei Hard-Rock oder Blues-Rock mitmischen will, muss mutig sein, denn schon alleine wegen der Optik würde er vermutlich geteert, gefedert und auf einer Bahnschiene aus der Stadt herausgetragen werden …
Also – der Star der Longhorn ist der cleane bis crunchige Hals-Pickup-Sound! Der im Übrigen sehr an den Sound meiner alten Silvertone erinnert, die als Vergleich in diesem Test brauchbare Werte liefert. Da machen die ‘59M-Repliken-Pickups einen richtig guten Job. Der Regelweg der konzentrischen, optisch sehr schicken Doppelpotis ist hingegen weniger zu loben, denn erst auf der letzten Teilstrecke bewegt sich der Sound in die gewünschte Richtung. Auch die Belegung der Potis – der oben sitzende „Haken“ regelt den Ton, das unten sitzende Rad das Volume – wäre anders herum praxistauglicher. Da lobe ich mir doch das einfache Konzept der ‘63 Dano mit je einem Master-Regler für Volume und Ton!
Der erste Höreindruck vermeldet, dass die neuen ‘56 Lipsticks der ‘63 Dano einen anderen Sound im Sinn haben als die ‘59M der Longhorn. Sie sind schlichtweg moderner abgestimmt, klingen also eine Spur mittiger und härter, was ihnen zwar etwas Vintage-Charakter raubt, sie aber dafür vielseitiger und durchsetzungsfähiger einsetzbar macht. Neue Zeiten, neue Sitten. Alle drei Sounds sind schlichtweg gut und harmonieren bestens mit unterschiedlichsten Pedalen und Verstärkern, und hier kann auch der Steg-Pickup für sich alleine stehen. Insgesamt gesehen, kommt die ‘63 Dano als die bessere Allrounderin daher, denn alles geht – von cleanen Blues- über crunchige Slide- bis zu verzerrten Rock-Sounds ist die ´63 Dano eine richtig gute E-Gitarre mit spektakulärer Retro-Optik.
Die Spielbarkeit beider Gitarren ist bestens, weil Saitenlage, Sattel- und Bundabrichtungen stimmen. Der moderne Steg, der den Sound entscheidend mitprägt, liefert im Vergleich zum traditionellen Aggregat mit Palisander-Einlage nicht nur die Möglichkeit zur Einstellung der Oktavreinheit, sondern auch einen größeren Saitenabstand, sodass sich die damit ausgerüsteten Danos bequemer spielen lassen.
Resümee
Nach wie vor kann Danelectro mit einigen der coolsten Designs der Gitarrengeschichte punkten – und das auch mit ihren vielen Neuauflagen, die, obwohl mit modernen Zutaten wie guten Mechaniken und einem einstellbaren Steg ausgestattet, nichts von ihrem Vintage-&- Cheapo-Charakter eingebüßt haben. Mit solch einer Gitarre kann man einfach nichts falsch machen, wenn man eben auf „cheesy“ Gitarren steht. Schade nur, dass der hohe Dollarkurs dem Cheapo-Image gerade etwas schadet.
Aber – wenn man das spezielle Dano-Erlebnis haben will, dann sollte auch das kein Hinderungsgrund sein, sich einmal näher damit zu befassen. Dabei gilt es, das Augenmerk auf die jeweilige Pickup-Bestückung zu lenken, denn wer in Richtung Vintage-Dano gehen will, dem werden die in der Longhorn verbauten 59M Lipsticks besser gefallen als die lauteren und druckvolleren ‘56 Lipsticks der ‘63 Dano.