Ein Lagebericht vom Guitar Doc

Vintage Gitarren: Standpunkte, Trends & Tendenzen

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In dieser Kolumne lassen wir in loser Folge Händler und Kenner des Vintage-Marktes über ihre Erfahrungen mit den begehrten alten Instrumenten berichten. Im Vordergrund steht dabei die aktuelle Situation, was Verfügbarkeit, Preisentwicklung, Wertschätzung, aber auch Gefahren beim Erwerb von Vintage-Gitarren Lutz Heidlindemann: angeht.

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(Bild: Franz Holtmann)

Den Anfang macht „Guitar-Doc“ Lutz Heidlindemann aus Berlin-Kreuzberg. Lutz definiert sich selbst als Dienstleister, als Service-Mann, dessen Tätigkeitsfeld von Reparatur, über Einstellungsarbeiten und Restaurationen bis hin zum Instrumentenbau nach Kundenwunsch reicht. Neben dem Werkstattbetrieb war Heidlindemann bis vor ca. sieben Jahren Custom-Shop-Händler für Gibson und Epiphone. Danach konzentrierte er sich auf Entwicklung und Bau der eigenen Instrumentenserie LUK Guitars. 2009 erfolgte die Neuausrichtung und Umstrukturierung des Betriebes in die drei Bereiche „Guitar Doc“ (Reparaturen, Service, Restaurierungen) „LUK Guitars“ (Fertigung eigener Instrumente) und „Guitar Doc Vintage“ (Ankauf, Restaurierung und Verkauf alter & historischer Instrumente, Anfertigung von Expertisen und Fotodokumentationen).

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Im Sommer 2013 reiste Lutz Heidlindemann in die Region um Erlangen, die bekanntlich eine traditionsreiche Geschichte des deutschen Instrumentenbaus beherbergt. Dort entdeckt er den „Schatz von Bubenreuth“ – eine Vielzahl an alten Bodies und Hälsen der Firma Höfner aus den 50er- bis 80er-Jahren. Auf der Basis dieser alten „New-Old-Stock“-Parts entstand das neue Modell „LUK Franklin 68“, welches individuell nach Kundenwünschen gefertigt wird. Seit 2014 ist Heidlindemann Sachverständiger des Bundes für Naturschutz und damit berechtigt, unter anderem CITES-Zertifizierungen für die im Instrumentenbau verwendeten artengeschützten Hölzer vorzunehmen.

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Lutz begutachtet seltene Martin F50 Electric (1962) (Bild: Franz Holtmann)

Interview

Lutz, wie lange machst du das schon mit den Vintage Gitarren?

Guitar Doc: Ich habe immer schon selbst gesammelt, aber den Laden hatte ich bis vor sechs Jahren voll mit Gibson-Custom-Shopund Epiphone-Modellen. Und inzwischen wird mir der größte Teil der Vintage Gitarren direkt in den Laden gebracht. Die Leute wissen über die Ausrichtung des Ladens Bescheid und kommen, weil sie verkaufen wollen oder müssen, was ja manchmal nah beieinander liegt. Zuerst einmal wollen sie wissen: Was ist das Instrument eigentlich wert? Eine andere wichtige Quelle ist ein guter Freund von mir, der in London lebt und beinah manisch Schlaggitarren aus den 30er- bis 60er-Jahren aufkauft. Ich fahre drei bis vier Mal im Jahr zu ihm und kann mir aus diesem Fundus aussuchen was ich möchte. Diese Gitarren arbeite ich sofort komplett auf: Neck-Reset, Bundierungen, Sättel usw.

Hast du so eine Art Checkliste?

Guitar Doc: Mittlerweile bin da einfach auch eine Institution und mir werden ganz oft Instrumente geschickt, damit ich darüber eine Expertise erstelle. Da arbeite ich dann sukzessive vom Headstock aus, Mechaniken, Seriennummern, Sattel, eigentlich das ganze Instrument von Kopf bis Fuß ab, nehme alles auseinander, schau mir die Body-Fräsungen und die Elektrik an, sage original, nicht original, Jahreszahl usw.

Was begegnet dir da in der Regel?

Guitar Doc: An den Instrumenten ist natürlich oft schon mal was gemacht worden. Gerade wenn sie aus den 60er- oder 70er-Jahren sind, wurde doch manchmal schon arg modifiziert. Da muss man dann schon schauen: Wo ist da eigentlich noch ein Wert und wie hoch ist der? Aber es kommt mitunter auch vor, dass Instrumente quasi mint sind, also wenig oder gar nicht gespielt wurden. Aber wenn eine Gitarre ein Overspray hat, oder, noch härter, wenn sie gar refinished ist, dann muss man den Leuten sagen, dass sie 40 bis 50 % vom handelsüblichen Preis abziehen müssen.

Wie ist das bei einem Refin mit der Verifizierung?

Guitar Doc: Ja, da hab ich natürlich meine Erfahrungen. Seit Ende der 90er baue ich ja schon die LUK-Gitarren. Da haben wir auch die Lackierungen selber gemacht und deshalb weiß ich auch wie der Aufbau ist, etwa bei Candy Apple Red, oder wie bei der Telecaster das Blond aufgebaut ist. Da kann man quasi schon bis in die Holzzelle reingucken und sagen, das ist richtig oder da ist was nachgemacht worden. Gerade hab ich eine 65er Strat reinbekommen, da konnte ich dem Vorbesitzer gleich zeigen, dass das nicht der Originallack ist.

Das andere ist aber doch festzustellen, ob darunter noch der originale Body zu finden ist.

Guitar Doc: Da gibt es ja eindeutige Merkmale: Fräsungen, Kanäle, ob das alles zueinander passt, Halsstempel, Dates auf den Potis, was für Kondensatoren drin sind usw.

Wie sieht es mit Fälschungen aus?

Guitar Doc: Ich kenne diese Sorge und wenn ich mir anschaue, was ich im Verhältnis dazu in der Hand gehabt habe, muss ich sagen: die Sorge ist so gut wie unberechtigt! Denn es gibt Merkmale, die einfach schwer zu imitieren sind. Bei Strats wurde Mitte der 60er-Jahre und früher z.B. eine Schablone im Body befestigt, um Fräsungen zu machen. Übrig blieb ein Loch und dieses Loch wurde immer mit einem Rundstab ausgefüllt und dann drüberlackiert. Wenn ich einen Rundstab habe im Quer- oder Radialschnitt, ist es so, dass der Lack immer wieder nachsackt und dieser Punkt zeichnet sich dann immer wieder ab. Das sind so diese kleinen Merkmale, an denen man das auch wirklich festmachen kann. Der handwerkliche Einblick den ich als Gitarrenbauer habe, ist da natürlich von Vorteil.

Wer begehrt denn eigentlich Vintage Gitarren? Man hört in diesem Zusammenhang immer wieder von Investoren, weniger von Musikern und in Anzeigen wird der Begriff „gutes Investment“ oft genannt.

Guitar Doc: Für die hochpreisigen Gitarren gilt das auf jeden Fall. Das sind schon priviligierte Menschen, die einfach den finanziellen Rückhalt haben und sagen: Ich kann mir das leisten, entweder als Spieler oder auch als Anleger.

Wie wird man denn praktisch heute etwa eine 1954er Les Paul Goldtop wieder los? Da wir von einem Batzen Geld reden, sind die wenigen Interessenten natürlich skeptisch und wollen Gewissheit, was die Authentizität angeht.

Guitar Doc: Darum schreib ich ja immer diese Expertisen und wenn es erforderlich ist besorge ich auch CITES-Papiere, denn ich bin ja auch Gutachter im Sinne des Bundes für Naturschutz.

Wie sieht die Situation im Moment aus, gibt es Tendenzen am Markt?

Guitar Doc: Ich glaube, dass sich dieser hochpreisige Sektor einfach gar nicht ändert. Es gibt immer neue Leute die was haben wollen, aber es gibt nicht mehr Instrumente.

Es bemerken also wohl auch junge Musiker, dass eine alte Strat doch noch etwas anderes ist, als das Custom-Shop-Pendent?

Guitar Doc: Ganz genau. Die sagen: wenn ich jetzt schon richtig ins Portemonnaie greife, dann lege ich lieber das Doppelte oder Dreifache hin, aber ich habe das Original.

Oft nähern sich Custom-Shop-Preise ja schon denen der Originale.

Guitar Doc: Aber die Instrumente nicht wirklich. Die Historic Collection von Gibson soll ja jedes Jahr näher dran sein am Original, aber sie kommen nicht ran, weil sie einfach die Hölzer nicht mehr haben. Das muss man auch mal ganz klar aussprechen. Die geben sich viel Mühe und es sind schöne Instrumente dabei herauskommen, sicher, aber mit den alten sind die tatsächlich nicht vergleichbar. Wer da ein Ohr für hat, der kauft auch keine CS- oder Historic-, der kauft die alte.

Wenn er sie kriegen kann und wenn er das Geld hat.

Guitar Doc: Keine Frage. So etwas darf man aber auch nicht übers Knie brechen. Man sollte viele Händler aufsuchen und einen Vertrauensmann haben, der hilft.

Spielt die Geschichte der Gitarre nicht zunehmend eine Rolle?

Guitar Doc: Das hilft, ist aber nicht zwingend notwendig. OK, wenn ich hier eine alte Gretsch habe und die gehörte Alex Hacke von den Einstürzenden Neubauten, dann verkaufe ich die natürlich schneller.

Kommen wieder mehr Instrumente auf den Markt, wenn die Clapton-Generation den Löffel abgibt?

Guitar Doc: Der Markt ist offen und funktioniert sehr gut. Es dreht sich alles wieder ganz normal, nicht wie nach der Immobilienkrise in den USA, wo es einen unglaublichen Verfall gab, da ja viel angeboten wurde. Es gibt eine gute Nachfrage in dem Sektor bis zu € 2000, den wir so als unteres Preissegment bezeichnen, für wirklich abgedrehte Gitarren, ungewöhnliche amerikanische, italienische und auch deutsche Designs aus den 70er-Jahren etwa. Jetzt kommt eine Generation, die diese Massenprodukte nicht mehr haben will. Die sagt: Ich brauche für die Verwirklichung meiner musikalischen Ideen auch ein Instrument, das zu mir passt.

Spielt Berlin als Standort eine Rolle? Gibt es hier so etwas wie eine Konzentration, hast du überhaupt Konkurrenz?

Guitar Doc: Klar, Berlin ist schon ein richtiges Zentrum, da passiert viel und das gibt Arbeit. Mit dem Vintage-Handel hab ich eigentlich keine Konkurrenz. Als Instrumentenbauer natürlich schon, da kommen viele junge Leute, die irgendwo gelernt haben Gitarren zu bauen, und machen kleine Werkstätten auf.

Gibt es noch etwas Aktuelles bei dir?

Guitar Doc: Nach meinem Fund der alten Höfner-Sachen bin ich ja plötzlich für das Thema zu dem Spezialisten in Deutschland geworden. Hätte ich mir auch nie träumen lassen, denn früher hab ich die Dinger ja auch irgendwie nur so aus dem Augenwinkel angeguckt …

Das hat ja erstaunliche Wellen geschlagen.

Guitar Doc: … und das ist ja noch nicht einmal zu Ende. Ich hab jetzt nämlich von einem alten Bildhauer, den ich schon seit über 20 Jahren kenne, Ostindisches Palisander von 1965 kaufen können und zwei Kubikmeter echtes, also mittel- oder südamerikanisches Mahagoni, ebenfalls aus Mitte der 60er dazu. Das haben wir jetzt kombiniert mit den alten Bodies von Höfner und haben nochmal einen Quantensprung in Sachen Sound gemacht. Unglaublich! Was hat der Holzhändler noch gesagt, als er das aufsägte: Das ist ja auch noch kein Plantagenholz, das ist ja noch echtes Holz! Das wirft doch ein ganz anderes Licht auf den Instrumentenbau den es im Moment gibt. Ich hab gerade meine Füße auf so einem alten Baumstamm liegen (lacht genüsslich).

In dem Sinne – gut Holz! Danke für das Gespräch.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Interassentes Interview, entspricht meiner ursprünglichen Meinung über den klanglichen Vorsprung von echten Vintage Gitarren gegenüber Custom Shop Ware. Habe selbst einige alte Schätzchen, aber: Ich habe mir eine Hagström Restroscape H III gekauft (schleichwerbung?) und die klingt wirklich grandios.
    So long rALF

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  2. Muss mal was loswerden!
    Besitzer von alten Gibsons ( LP ) sprechen wohl über das Gewicht von den LP`s,
    beklagen aber den Zustand nicht, weil er dem Sound zusprechend ist.
    Hast du aber eine “The Strat”, lehnen fast alle dieses Gitarre ab, weil sie ein relativ hohes Gewicht hat ( weniger als LP ). Obwohl diese The Strat echte Verbasserungen hat wie: verbesserte Steg-Mechanik, verbesserte Klangregelung mit 5-fach Switch und Pik-up-Phasenschalter, der mehr Soundmöglichkeiten zuläßt.
    Komische Welt!?
    Gruss Peter

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  3. schöner Bericht…meine Erfahrung nach vielen Gitarren die ich bisher hatte….lnimm eine Gitarre in die Hand und spiele drauf….hast du ein gutes Gefühl mit ihr, dann passt sie auch zu dir….und da spielt es mal keine Rolle wer der Hersteller ist. Die Gitarre ist nach meiner Erfahrung nur ein Hilfsmittel für deinen Sound…den eigentlich bestimmt der Spieler wie eine Gitarre klingt…eine 54ér Strat von einem Anfänger gespielt klingt halt entsprechend……lass doch einfach mal jemand anderes auf deiner Gitarre spielen….du wirst dich wundern wie sich der Sound deiner Gitarre verändert 🙂

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