Autor Andy Babiuk über sein Standardwerk

BEATLES GEAR: THE ULTIMATE EDITION

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Experimente mit ,Paperback Writer‘
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Beatles sind nach wie vor eine der interessantesten Bands, wenn es darum geht, nach klassischen Rock- und Pop-Sounds zu forschen. Das hat natürlich damit zu tun, dass John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr einen ganz eigenen und damals revolutionären Stil prägten. Aber das gelang anderen Bands in den 60-er-Aufbruchs-Jahren genauso. Man denke nur an die Rolling Stones, Cream, Byrds und viele andere. Die Beatles nehmen jedoch eine Sonderstellung ein, weil sie es schafften, nicht nur ihre Bühnen/Backline-Instrumentarium kreativ einzusetzen und stetig weiter zu entwickeln, sondern auch das Studio in ihren kreativen Prozess integrierten. Für sie war das Studio nichts anderes als ein weiteres Musikinstrument, dessen ausufernde Möglichkeiten, neue Sounds und auch Arbeitsweisen zu schaffen, nur durch die eigene Kreativität begrenzt wurde. Übrigens durchaus eine Parallele zu Jimi Hendrix, der spätestens beim Album ‚Electric Ladyland‘ ebenfalls die Studiotechnik bis zum Exzess ausreizte, um neue Sounds zu kreieren.

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Vor 14 Jahren schrieb Autor Andy Babiuk die erste Ausgabe von „Beatles Gear“. Babiuk ist ein facettenreicher Typ, der seit vielen Jahren als Musiker, Journalist und Produzent unterwegs ist und zudem auch noch einen interessanten Gitarrenladen besitzt: Andy Babiuk’s Fab Gear. Über all seinem Tun liegt der britisch eingefärbte Geist der 60er-Jahre, nicht zuletzt auch über seinen musikalischen Aktivitäten. So bediente er z.B. mit Brian-Jones-ähnlicher Frisur bei den Chesterfield Kings, einer an der US-Ostküste schwer angesagten Garage-Rock-Band, die ihren Sixties-Brit-Sound zwischen 1979 und 2009 auf einem guten Dutzend Alben verewigt hat, den Höfner- oder Vox-Bass. Es lohnt ein Stöbern in YouTube, denn Sound, Instrumente, Frisuren, Kleidung und Gebaren sind British Sixties pur. Heute spielt Babiuk bei The Empty Hearts mit solch illustren Musikern wie Elliot Easton (The Cars), Clem Burke (Blondie) und Wally Palmar (The Romantics) zusammen. Gast-Keyboarder Ian McLagan (The Faces) ist auch hier nicht der einzige Bezug zum englischen Pop-Rock-Sound der guten, alten Zeit, und auch hier liefert YouTube lebende Beweise.

Für sein Buch „Beatles Gear“ hat Babiuk nach eigenen Angaben bis zu 500 Personen interviewt, sich durch Hunderte von Aufnahmen gehört, Meilen alten Filmmaterials gesichtet und daraus einen Riesenfundus an Informationen, Fotos und anderen Dokumenten aufgebaut, die einen einzigartig detaillierten Blick auf das Equipment der Beatles erlauben. Nach Erscheinen der Erstauflage vor 14 Jahren hatte er Blut geleckt und arbeitete im Folgenden nicht weniger als neun Jahre an „Rolling Stones Gear“, ein genauso bemerkenswertes Buch über „die andere“ große, britische Band der 60er-Jahre, das 2014 erschienen ist. Zwischendurch (2009) veröffentlichte er zu allem Überfluss auch noch „The Story of Paul Bigsby: Father Of The Modern Electric Solidbody Guitar“.
Hier ein kurzes Interview mit Andy Babiuk über „The Beatles Gear – The Ultimate Edition“:

06 AndyBabiuk

Andy, wie kommen alle diese vielen und detaillierten Informationen zustande?
Na, ganz einfach – die Leute kontaktieren mich! Dadurch, dass ich einen Gitarrenladen besitze, ist es ziemlich einfach, mit mir in Kontakt zu kommen. Viele Leute rufen mich an oder schreiben Emails und sagen ‚Hey, ich habe eine Gitarre, die hat mal John Lennon gehört“ oder ähnliches. Und ich wiegele keinen ab, sondern lasse mir immer Fotos von den Instrumenten schicken. In 99% der Fälle erweist sich das zwar als uninteressant, aber es passieren auch solche Dinge wie neulich, als jemand mich über Facebook anschrieb und behauptete, er hätte John Lennons Gretsch 6120. Als ich dann Bilder der Gitarre von ihm bekam und sie mit Fotos aus meinem Archiv verglich – ich habe dort ungefähr 6000 Bilder chronologisch geordnet – war mir klar, dass es sich tatsächlich um die Gretsch handeln musste, die Lennon einst besaß. Als wir dann telefonierten, stellte sich heraus, dass der Besitzer der Cousin John Lennons ist!

Hast du noch eine diese Geschichten auf Lager?
Mehr als eine (lacht). Da rief z. B. ein Typ aus England an und sagte ‚Ich besitze die Gibson J-160E von John Lennon’. Und als ich die Fotos sah, war klar, dass das tatsächlich die Gitarre ist, von der er sprach. Ich rief ihn an und fragte ihn, was er mit der Gitarre vor habe. Er meinte dann, wenn das wirklich Lennons Gitarre ist, dann wolle er sie versteigern lassen. Da musste ich ich ihm dann sagen, dass das problematisch für ihn sein könnte, denn die Gitarre sei als gestohlen gemeldet. Ich habe dann den Kontakt zwischen ihm und Yoko Ono vermittelt, Yoko kaufte die Gitarre und versteigerte sie später für 2,4 Millionen Dollar. Mehr hat bisher noch keine Gitarre bei einer Auktion erzielt. Und viele, viele Geschichten dieser Art sind in den letzten Jahren passiert, nachdem die erste Auflage erschienen war, sodass mir schnell klar war, dass irgendwann eine zweite Auflage reif war. Willst du noch eine hören?

Na klar, go ahead!
Da gab es diese kleine Rickenbacker, die 1964er in Fireglo [Rot-Burst, der Autor], von der jeder dachte, sie sei verbrannt. Ist sie aber nicht! Als ich mal wieder mit Ringo zusammen saß, erzählte er mir, dass John ihm mal eine rote Rickenbacker geschenkt hätte. Und dann erzählte er mir diese Geschichte: Die Beatles arbeiteten an dem ‚White Album’, und Ringo stieg aus der Band aus! Er war total erschöpft und dachte zudem, dass die anderen nicht mehr mit zusammen arbeiteten wollten. So ging er nach Sardinien und machte auf der Yacht von Peter Sellers Urlaub, um Abstand zu gewinnen. Hier entdeckte er das Schnorcheln, und als Folge davon schrieb noch in Sardinien ‚Octopusses Garden’, als er Tintenfische in den Korallen-Riffs vor der sardinischen Küste beobachtet hatte. Als der Rest der Beatles ihn per Telegramm bat, nach London zurück zu kommen, flog er nach etwa einer Woche in Sardinien zurück. Dort wurde ihm ein freundlicher Empfang im Studio bereitet. Man hatte sein Drumset mit Blumen dekoriert, man nahm ihn in den Arm und man freute sich, dass er wieder da war. Und als die anderen Beatles hörten, dass Ringo in Sardinien Songs geschrieben hatte, tauchte Lennon am nächsten Tag mit der roten Rickenbacker auf und sagte ‚Hier – diese Gitarre ist für dich, und schreibe bitte noch ein paar Songs!’ Diese rote Rickenbacker war bis vor kurzem noch in Ringos Besitz und wurde erst kürzlich von ihm für knapp 1 Million Dollar für einen gemeinnützigen Zweck versteigert.

Hast du einige der originalen Beatles-Instrumente in der Hand gehabt?
Ja, einige. Z. B. die J-160E, von der wir eben gesprochen haben. Und sie klingt wirklich genau so, wie man das von den Platten her kennt. Magie!

Waren das besonders gute Instrumente, oder eher normale?
Das ist eine gute Frage. Nach meiner ganzen Forschungsarbeit kann ich sagen, dass diese Instrumente zwar eine gute, aber keine herausragende Qualität hatten. In den Händen der Beatles haben sie ihren Charakter entwickelt, und deren Talent für Songwriting und für den kreativen Umgang mit neuem Equipment hat einfach dafür gesorgt, dass viele dieser Sounds auch heute noch im Ohr sind. Die Beatles haben viele Instrumente, die sie sich angeschafft hatten, im Pop-Kontext als erste eingesetzt. Denn sie waren immer auf der Suche nach neuen Sounds. Siehe ‚I Feel Fine’ – das Feedback. Keiner vor ihnen hatte Feedback eingesetzt. Keiner vor ihnen das Mellotron. Keiner vor ihnen einen Moog Synthesizer. Und das macht sie – neben ihren Qualitäten als Musiker und Songwriter – halt so besonders.

Hast du das Gefühl, dass noch viel mehr Stories um die Beatles unterwegs sind?
Na ja, wir haben die neue Auflage von The Beatles Gear nicht umsonst The Ultimate Edition genannt. Eigentlich gehe ich davon aus, dass jetzt alles erzählt ist, was zu dem Thema erzählt werden konnte. Aber man weiß ja nie…

 

Für uns ist natürlich ein Stöbern auf der Internetseite seines Gitarrenladens erste Nerd-Pflichtaufgabe. „Andy Babiuk’s Fab Gear“ ist ein typischer Boutique-Musikladen, der sich auf die bekannten Namen spezialisiert hat und entsprechende Gitarren, Bässe, Verstärker und Effekte anbietet. Eine mit EMG-Pickups und Floyd-Rose bestückte Siebensaitige ESP oder Ibanez wird man hier also nicht finden, sondern nur die klassischen und klassisch wirkenden Marken – von A für Ampeg bis Z für Zemaitis. Schön, dass mit Duesenberg neben Höfner eine weitere deutsche Marke dort als „klassisch“ eingestuft wird. Außerdem gibt´s eine spezielle Sektion, in der – wen wundert´s – typisches Beatles-Equipment angeboten wird. Wer also auf der Suche nach einem typischen Beatles-Besteck ist, der wird hier sehr schnell fündig, wenn denn auch das entsprechende Kleingeld stimmt. Vom Höfner 500/1 Bass über diverse Rickenbacker- und Gretsch-Gitarren, akustische und elektrische Epiphone-Klassiker, Gibson J-160E oder SG Standards bis hin zur bekannten Fender Rosewood „Roof top“ Telecaster sind alle Saiteninstrumente, die einen historisch korrekten Beatles-Sound und -Look aufweisen, bei Andy zu bekommen – sei es als teure Real-vintage-, aber auch als nicht ganz so teure neuzeitliche Reissue-Versionen. Sogar Rekreationen solch individueller Modelle wie die der Rocky Strat, die George Harrison 1967 vom holländischen Künstler-Duo The Fool hat bemalen lassen, befinden sich in Babiuks Programm. Und der hat sich auch nicht gescheut, im Fender Custom Shop eine „Beatle Spec“-Edition einer 1961 Stratocaster in Auftrag zu geben, die genau der Gitarre entspricht, die Lennon und Harrison in einer bestimmten Beatles-Phase gespielt haben – natürlich in Sonic Blue und mit mint-farbenem Pickguard. „Very ‘Nowhere Man’ Beatle-esque and ultra cool,“ sagt Babiuk auf seiner Website dazu.

Das alles – und noch viel mehr – lässt sich in Babiuks Werk nachlesen und vergleichen. Mit der neuen Auflage ist Babiuk noch einen großen Schritt weiter gegangen. War schon die erste Auflage eine wahre Fundgrube, was Fotos, Original-Zitate und -Interviews angeht, bringt Babiuk in der neuen Auflage mehr als 650 neue und vorher noch unveröffentliche Abbildungen, genauso wie viele neue und bisher noch nie gehörte Geschichten. Nach wie vor berichtet auch die Neuausgabe unglaublich detailliert, welche Gitarren, Drums, Verstärker, Effekte, Keyboards etc. wann, wo und warum eingesetzt wurden – beginnend von der Zeit der Skiffle-Formation The Quarry Men in den 50er-Jahren bis hin zur Auflösung der Beatles in 1970. Es wird schnell klar, dass die Fab Four nach ihren Anfängertagen mit entsprechendem Equipment technisch immer auf dem aktuellen Stand der Dinge gewesen waren – und gleichzeitig das Vermögen besaßen, modernes Equipment kreativ und stets im Dienste des jeweiligen Songs in ihre Musik zu integrieren. Man denke nur an den Sound der 12-saitigen Rickenbacker, die den Beatles-Sound ein gutes Stück nach vorne brachte, ohne jedoch so zu dominieren, wie das z. B. bei den Byrds der Fall gewesen war. Byrds ohne Rickenbacker-Sound war undenkbar – bei den Beatles war dieser Sound jedoch nur eine von vielen Klangfarben, die das Quartett zum Strahlen brachten. Babiuks Buch bringt ganz viel Klarheit in die einzelnen Entwicklungsphasen dieser großen Band.

Die illustratorische Umsetzung von Backbeat Books ist wie immer meisterhaft und großzügig! Toll, dass 26 Instrumente, die Musikgeschichte in den Händen der Fab Four geschrieben haben und sich heute im Besitz der noch lebenden Beatles-Musiker sowie den Angehörigen von George Harrison und John Lennon befinden, ebenfalls abgelichtet wurden. Georges Psychedelic Strat, seine abgeschliffene Epiphone Casino, Johns Bed-in-Gibson, Ringos Roof-top-Ludwig-Drumset, Pauls originale Höfner- und Rickenbacker-Bässe… hervorragend fotografiert und in einem großformatig präsentiert. Weiteren Beatles-Instrumententen, die über die Jahre verloren gegangen, gestohlen oder zerstört worden waren, wurde nach zeitaufwändiger Recherche ebenfalls ein Denkmal gesetzt – mit 43 exakt nachgebauten Repliken! Natürlich genauso prachtvoll in Szene gesetzt wie the real things.

So stellt dieses neue Buch von Babiuk einen weiteren Meilenstein in der Aufzeichnung der Geschichte der Beatles dar. Es dokumentiert aber auch den Zeitgeist der Sixties hautnah! Ein Abtauchen in diese bewegten Zeiten des Um- und Aufbruchs ist beim Durchstöbern dieses Buches nicht zu vermeiden. Und eine gewisse Sentimentalität ebenfalls nicht. Ja, es war eine gute, interessante Zeit damals!

Jeder Vintage-Fan wird Seite für Seite von ‚Beatles Gear – The Ultimate Edition’ inhalieren, und alle Beatles-Tribute-Bands dieser Welt werden Detail für Detail zu erhaschen wissen, um ihre Performance noch mehr an die des Originals anzugleichen. Und wer meint, auf dieses Buch verzichten zu können, bloß weil er die Erstauflage schon besitzt, dem sei gesagt, dass die neue Auflage von ‚Beatles Gear’ nicht weniger als doppelt (!) so viele Seiten aufzuweisen hat und rund ein Pfund wiegt!

TEXT: HEINZ REBELLIUS
FOTOS: BACKBEATBOOKS

 

INTERNET
www.backbeatbooks.com
www.andybabiuksfabgear.com
theemptyhearts.com

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Wird es wieder eine deutsche Ausgabe geben?

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