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Blues Bootcamp: Der Blues und die melodische Molltonleiter

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Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Na, was geht ab bei euch? Ich hoffe, ihr hattet Spaß mit dem Solo und den Konzepten der letzten Episode zum Thema Chromatik. Diesmal kümmern wir uns mal um ein neues Tonleitersystem – Melodisch Moll.

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Hollywood, Los Angeles, im GIT, irgendwann im Frühling 1990. Eine kurze Anweisung von Scott Henderson, nach einer Session über irgendeinen Standard: „Yeah, your Blues playing is pretty good for a long haired Metal guy like you. But you REALLY need to learn the melodic minor scale. Don’t come back until you got that down! Learn it. And then come back“

Der Klang der melodischen Molltonleiter ist ein populärer Grundsound im Jazz und verwandten Stilen und ist ein Kernelement von vielen Jazz/Blues/Fusion-Gitarristen wie Scott Henderson, Robben Ford, John Scofield und vielen anderen. Trotzdem haben viele interessierte Spieler zuerst recht große Probleme, diese Sounds innerlich zu hören und dann einen Platz dafür in den Improvisationen/Solos zu finden. Woran liegt das? Obwohl man die Skala bzw. ihre Modi auch in Musik von Bach bis zu den Beatles findet, sucht man in Folklore bzw. Volksmusiken vergeblich nach ihr. Dies sieht ja bei der Durtonleiter oder der Harmonischen Molltonleiter bekanntlich ganz anders aus.

WAS IST DIE MELODISCHE MOLLTONLEITER?

Die melodische Molltonleiter könnte man auf recht unterschiedliche Art und Weise begreifen:

  • Als eine Durtonleiter mit einer kleinen Terz
  • Als ein Mix aus Moll- und Durtonleiter (die ersten vier Töne aus Moll, die zweiten vier aus Dur)
  • Als eine dorische Tonleiter mit großer Septime
  • Als eine Harmonische Molltonleiter mit großer Sexte

Welche Perspektive du einnimmst, ist dir überlassen. Ich persönlich tendiere zu den Varianten 1 und 3.

In Beispiel 1 findest du die Modi der melodischen Molltonleiter. Das ist diesmal nötig.

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Um die Skala aufs Griffbett zu bekommen, könnte man jetzt unterschiedliche Strategien anwenden: die einfachste dürfte sein, die Fingersätze der Durtonleiter zu modifizieren, indem man die großen Terzen dieser Skala zu kleinen Terzen macht. Ich gehe davon aus, dass diese Tonleiter wahrscheinlich am bekanntesten sein dürfte. In unserem Fall wäre die Ausgangstonleiter dann A-Dur, und die große Terz C# würde zum C verändert werden.

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Experiment: In Beispiel 2 findest du alle Töne von A-Melodisch-Moll auf einem Griffbrett eingetragen. Das ist eine Sichtweise des Griffbretts, die ich noch gar nicht so lange attraktiv finde. Wie findest du sie? Ich persönlich habe mich damals erstmal mit Ausschnitten der Tonleiter beschäftigt, die ich aufgrund von verschiedenen Symmetrien als besonders einprägsam empfunden habe. Du findest diese Ausschnitte in Beispiel 3.

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MELODISCH MOLL IM BLUES

In Beispiel 1 findest du ja die Stufenakkorde der Tonleiter. Dabei fällt auf, dass beim Harmonisieren drei Dominantseptakkorde entstehen. Auf der vierten Stufe, der fünften und wenn man den siebten Stufenakkord umdeutet, auch noch dort. Beim Blues sind die Akkorde und Tonleitern wichtig, die auf der vierten und siebten Stufe entstehen. Diese beiden Tonleitern sind auch für die meisten anderen Situationen in der (Jazz-) Improvisation die wichtigsten.

FUNKTIONALE VS STATISCHE DOM7-AKKORDE

Dom7-Akkorde kann man in zwei Arten unterscheiden. Funktionale Dominantseptakkorde lösen sich auf einen Tonika-Akkord in Dur, Moll und im Blues auf einen Dom7-Akkord auf. Ein G7-Akkord löst sich also in der Regel entweder auf einen C-Dur, einen C-Moll oder im Blues auch schon mal auf einen C7 auf. Tut er dies nicht und irgendein anderer Akkord folgt auf ihn, spricht man von einem nicht-funktionalen oder statischen Dom7-Akkord. Über statische Dom7-Akkorde wird im Jazz und verwandten Styles oft der vierte Modus der Melodischen Molltonleiter gespielt. Über einen D7 also A-MM, oder allgemein gesagt eine Melodisch-Moll-Skala eine Quinte höher oder Quarte tiefer. Diese Tonleiter hat viele Synonyme:

  • Lydisch-b7
  • Lydisch Dominant
  • (Lydian) Overtone
  • Mixo-#11

Über funktionale Dom7-Akkorde benutzt man den siebten Modus von Melodisch-Moll. Also einfach einen Halbton höher denken. Z.B. über E7 wäre das F-MM. Diese Namen sind hierfür im Umlauf:

  • Superlokrisch
  • Jazz Moll
  • Alteriert

Wie sieht das in einem einfachen Blues in A aus? Fangen wir mit den klaren Fällen an:

  • D7 (Takt 5,6 und 10) – löst sich nicht auf G auf – statischer Dom7
  • E7 (Takt 9) – löst sich nicht auf A auf – statischer Dom7
  • E7 (Takt 12) – löst sich auf A7 auf – funktionaler Dom7
  • A7 (Takt 7 und 8) – löst sich nicht auf D auf – statischer Dom 7

Zum A7 in Takt 1 – 4: Obwohl der A7 sich in Takt auf D7 auflöst, fühlt er sich eigentlich, trotz seines Grundsounds eher wie ein statischer Akkord an, weil er ja quasi der Grundton/Grundakkord ist.

Das ist ja gerade das Alleinstellungsmerkmal der Blues-Tonalität, die ja im starken Gegensatz zum klassischen Harmonieempfinden steht. Daher würde ich mindesten die ersten drei Takte als statisch bezeichnen und den vierten Takt als Übergangsakkord zu Takt 5, also funktional. Besonders wenn man auf der Akkordebene Alterationen hinzufügt, wie wir das in zahlreichen Folgen dieser Serie ja schon getan haben.

OKAY – JETZT ABER HER MIT DEN LICKS!

Tja … wie soll ich sagen…? Die Melodische Molltonleiter klingt nicht so gefällig und einfach und auch ein bisschen schräg, und die Fingersätze sind irgendwie sperrig und und und …

Und deshalb gibt es auch erstmal einfach nicht so viele typische Licks wie man es z.B. von der Pentatonik gewohnt ist. Hm… und nun? Ein Jazz-Zitat, ein Jazz-Lick, das Jerry Coker in seinem SEHR empfehlenswerten Buch ‚Elements Of The Jazz Language‘ das Gone-But-Not-Forgotten-Lick nennt (nach dem gleichnamigen Song), ist allerdings so ein Lick. Es ist einerseits einprägsam genug, enthält aber auch die melodischen Elemente von Melodisch Moll. In Beispiel 4 findest du es in A.

Beispiel 5 ist diesmal eine Art Übungssolo zum Einprägen des Klangs von Melodisch Moll. Über jeden Dom7 spiele ich den GBNF-Lick in der jeweils richtigen Tonart:

  • Takt 1-3: GBNF-Lick in E (A-Mixo#11)
  • Takt 4: GBNF-Lick in Bb (A-Alteriert)
  • Takt 5 und 6: GBNF-Lick in A (D-Mixo#11)
  • Takt 7 und 8: GBNF-Lick in (A-Mixo#11)
  • Takt 9: GBNF-Lick in H (E-Mixo#11)
  • Takt 10: GBNF-Lick in A (D-Mixo#11)
  • Takt 11: GBNF-Lick in E (A-Mixo#11)
  • Takt 12: GBNF-Lick in F (E-Alteriert)

So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.

PS: habe ich damals eigentlich Melodic Minor gelernt? Leider nicht schnell genug. Das war blöd.


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)

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