„Ich mag es grundsätzlich simpel: anschliessen, einschalten, fertig.“

DragonForce-Bassistin Alicia Vigil im Interview

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(Bild: Travis Shinn)

Die 1999 in England gegründeten DragonForce sind nicht bloß eine Band, sondern ein Phänomen, das bereits für einen Grammy nominiert wurde und die Gemüter spaltet. Kein Zweifel besteht hingegen an den eindrucksvollen Fähigkeiten der Musiker, die ihre Mischung aus zuckersüßen Melodien (man covert auch gerne Pop- oder Videospielsongs), meist halsbrecherischem Tempo und aberwitzigen Soloeinlagen „Extreme Power Metal“ nennen.

Seit 2020 ist die kalifornische Bassistin Alicia Jean Vigil an Bord, mit der das im Frühling erschienene neunte Studioalbum ‚Warp Speed Warriors‘ aufgenommen wurde. Wir unterhielten uns mit der 28-Jährigen für ihr allererstes Feature in einer Printmagazin.

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Von Emo zu Extreme Power Metal

Alicia, wie bist du zur Musik und zum Bassspielen gekommen?

Ich glaube, ich war drei Jahre alt, als ich ein Kinderkeyboard geschenkt bekam und anfing, Lieder zu lernen. Bald nahm ich Klavierunterricht, und in der Schule kam das Flötenspiel hinzu. Mit etwa zehn Jahren wurde ich im Fernsehen auf Rockmusik aufmerksam – My Chemical Romance, Avenged Sevenfold und andere damals aktuelle Bands. Sie weckten den Wunsch in mir, Gitarre zu spielen, also tat ich genau das. Darüber gelangte ich nach einer Weile zum Bass, der dann nach und nach zu meinem Hauptinstrument wurde.

Du hattest also kein Schlüsselerlebnis, das dich quasi für immer zum Bass bekehrte?

Nein, generell übten Saiteninstrumente einen gewissen Zauber auf mich aus, und die Bands in meinem Umfeld brauchten meistens jemanden für den Bassposten. Deshalb sprang ich zunächst einfach ein, ohne zu ahnen, dass ich dabei bleiben würde. Letzten Endes verliebte ich mich in den Bass, auch weil es mir leichter fiel, meine Stimme darauf zu finden, als mit der Gitarre.

Wer hat dich beim Entwickeln deines eigenen Stils am stärksten beeinflusst?

Duff McKagan von Guns N‘ Roses, Jeph Howard von The Used und Steve Harris von Iron Maiden. Ich achtete beim Musikhören erst bewusst auf den Bass, nachdem ich selbst zu spielen begonnen hatte. Allgemein mag ich Leute, die nicht nur das Rhythmusfundament legen, sondern auch mal Leads spielen.

Du bist deutlich jünger als die anderen DragonForce-Mitglieder, wie hast du den Job als Frédéric Leclercqs Nachfolgerin bekommen?

Ich trat eine Zeitlang häufig mit meiner Band Vigil of War in Los Angeles auf, und ein Fan von uns, der alle Shows besuchte, ist mit DragonForce-Gitarrist Herman Li befreundet. Er brachte meinen Namen zur Sprache, als sie die Bassposition neu besetzen mussten, woraufhin mich Herman über Instagram kontaktierte. Ich durfte vorspielen, kam in die engere Auswahl und wurde schließlich genommen.

(Bild: Travis Shinn)

Musst du dich bei dem, was du spielst, an bestimmte Vorgaben halten, oder darfst du dich frei entfalten?

Die Jungs haben mich vom ersten Tag an ermutigt, meine eigene Persönlichkeit einzubringen, was großartig ist. Ich respektiere Fréd sehr und bin eine bessere Musikerin geworden, indem ich seine Parts lernte, sowohl technisch als auch als Songwriterin. Im Großen und Ganzen halte ich mich an das, was er gespielt hat, doch bei den neuen Sachen hatte ich völlig freie Hand.

Warst du auch aktiv am Songwriting für das neue Album beteiligt?

Unser anderer Gitarrist Sam Totman ist der Hauptkomponist der Band, die restlichen Mitglieder ergänzen seine Songs dann um ihre eigene Note. Er legt die grobe Struktur fest, und wir anderen steuern weitere Riffs oder Fills bei. Ich hatte auch die Gelegenheit, ein kurzes Basssolo einzubauen.

Du meinst in dem Song ‚Burning Heart‘?

Genau. Sam hatte die Idee, also dachte ich mir etwas aus. Das gleich auf meinem ersten Studioalbum mit der Band tun zu dürfen hat mich gefreut.

Wie würdest du deine Herangehensweise ans Komponieren allgemein beschreiben?

Ich tausche mich gerne mit meinen Mitmusikern aus, schreibe also selten ganz alleine. Das war bei Vigil of War anfangs der Fall, heute tragen aber alle ihren Teil zu einem Song bei. Letzten Endes muss man sein Ego hinten anstellen und im Dienst der Mannschaft arbeiten.

Man sieht dich live und in Videos mit Plektrum spielen, beschäftigst du dich auch mit Fingerstyle?

Schon, aber ich habe nur in einer meiner früheren Bands mit den Fingern gespielt. Da ich generell in der härteren Gangart zu Hause bin, halte ich das Plektrum einfach für passender. Außerdem haben alle bisherigen DragonForce-Bassisten mit Plektrum gespielt, was bei Tempi von 200 bpm vielleicht nicht das Dümmste ist.

Bei Vigil of War bist du die Frontfrau. Wie hast du dir das gleichzeitige Singen und Spielen angeeignet?

Das dauerte eine Weile, es ist ja so ähnlich, als würde man sich auf den Kopf klopfen und dabei den Bauch reiben. Ich tat mich schwer damit und versuchte es zum ersten Mal bei der All-Girl-Punkband She Demons, die Jerry Only von den Misfits zusammengestellt hatte. Dort steuerte ich Backing-Vocals bei, bis unsere eigentliche Sängerin eines Tages für vier Konzerte ausfiel. Wir haben den Gesang dann untereinander aufgeteilt, wobei ich erkannte, dass ich es mit etwas Übung vermutlich zu einer Bass spielenden Sängerin bringen konnte. Bei Vigil of War bin ich dann endgültig in die Rolle hineingewachsen.

(Bild: Travis Shinn)

Vigil of War und DragonForce sind mehr oder weniger stark vom Rock und Metal der 1980er beeinflusst. Da du später geboren wurdest: Wie hast du dir diese Ära erschlossen?

Ich hatte Glück, meine Eltern haben einen hervorragenden Musikgeschmack: Punk, New Wave und Classic Rock. Dadurch habe ich auch viel aus den 1970ern mitbekommen, die ‘80er und ‘90er sowieso. Robert Smith von The Cure ist beispielsweise immer noch eines meiner Idole.

Du scheinst nebenbei auch zu modeln und versuchst dich als Schauspielerin. Wie kommt‘s?

Das war Zufall und liegt auch schon recht weit zurück, im Grunde bin ich zu jener Zeit noch ein Kind gewesen. ‚Legion of the Black‘ beispielsweise, ein Film der Band Black Veil Brides, in dem ich eine Rolle übernahm, ist schon über zehn Jahre her. Bevor ich mich so richtig für Musik begeisterte, interessierte ich mich für die Unterhaltungsbranche insgesamt, was gar nicht so ungewöhnlich ist, wenn man in Los Angeles aufwächst. Mag sein, dass mir das heute hilft, wenn wir Videoclips drehen; da kann ich meine schauspielerische Seite hervorkehren.

Lass uns über dein Equipment sprechen, angefangen bei den Bässen.

Hauptsächlich Modelle der Marke Zemaitis. Außerdem zwei Greco-BGWB- und ein A22MF-Viersaiter, die ich seit sieben oder acht Jahren spiele, sowie unter anderem auch einen Gibson Grabber. Dazu verwende ich .045er Saiten; keine anderen Stärken.

Und bei Plektren?

Ich habe eigentlich immer die 0,73 mm dicken, gelben Tortex Standard von Dunlop benutzt, stelle aber gerade fest, dass die spitzeren Picks für mich ein besseres Spielgefühl haben.

Nimmst du Verstärker mit auf Tour, oder reicht dir das, was vor Ort zur Verfügung steht?

Obwohl ich da nicht wählerisch bin, habe ich einen SansAmp im Gepäck. Er ist sehr handlich, was ihn zum Reisen ideal macht, und klingt in allen Situationen klasse. Ich mag es grundsätzlich simpel: anschließen, einschalten, fertig.

Ich schätze, dass du vor DragonForce nicht international unterwegs warst. Wie gehst du mit den Strapazen des Tourens um?

Mit Vigil of War waren wir nur in bestimmten Regionen der Vereinigten Staaten unterwegs, und jetzt rund um die Welt zu gondeln ist ein wahr gewordener Traum; genau das wollte ich schon immer tun. Von daher musste ich mich nicht großartig umgewöhnen. Ich versuche natürlich, auf meine Gesundheit zu achten, obwohl ich eine Schwäche für Süßigkeiten habe und mehr Sport treiben könnte. Ausreichend Schlaf ist auf jeden Fall auch wichtig.

Sind Vigil of War noch aktiv?

Ja, wir werden auch bald neue Musik veröffentlichen, aber die Dynamik innerhalb der Band hat sich ein wenig verändert, weil wir mittlerweile unterschiedliche Prioritäten setzen. Unsere Gitarristin Kiki Wong ist kürzlich bei Smashing Pumpkins eingestiegen, und ich habe logischerweise viel mit DragonForce zu tun. Ich will es aber auch gar nicht anders – das ist ein Traumjob.


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2025)

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