Fast 30 Jahre ist es her, dass der amerikanische Gitarrist Eric Johnson gemeinsam mit dem Initiator Joe Satriani und dessen Freund und Kollegen Steve Vai die erste G3-Tour absolviert hat. In den Folgejahren war Johnson gleich mehrfach dabei, aber erst 2024 gab es wieder dieselbe personelle Konstellation wie im Oktober 1996. Von der Neuauflage, die in Amerika vor restlos ausverkauften Häusern über die Bühne ging, ist jetzt unter dem Titel‚G3 Reunion Live’ eine Doppel-CD erschienen, die wir zum Anlass genommen haben, den 70-jährigen Johnson zu diesem besonderen Konzertformat zu befragen.
Interview
Eric, in gewisser Hinsicht gehörst du zu den Mitbegründern der G3-Idee, oder? Kannst du dich noch an die 1996er Premierentour erinnern?
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Ich weiß noch genau, dass Joe Satriani mich anrief und mir von seiner Idee erzählte. Er fragte: „Was hältst du davon?” Ich antwortete: „Super Sache, Joe, ich bin dabei!” Es war wirklich eine grandiose Tour, die Leute liebten das Konzept von drei anstelle nur eines Gitarristen und ihren drei unterschiedlichen Stilen. Wir spielten in vielen großen Hallen, es war eine wunderbare Erfahrung und ein Riesenspaß.
Weißt du noch, mit welchem Equipment du die allererste G3-Tour bestritten hast?
Das digitale Zeitalter hatte gerade erst begonnen. Natürlich erinnere ich mich daran, denn mein Setup war im Grunde genommen nicht viel anders als heute. Ich spielte damals eine alte Fender Stratocaster, einen Fender-Amp für den cleanen Ton, einen Dumble oder einen Two-Rock für die verzerrten Sounds, und für meine Soli entweder einen 50-Watt- oder 100-Watt-Marshall. Mein heutiges Gear unterscheidet sich davon nur in Nuancen.
Keinerlei Effektgeräte?
Oh doch, damals hatte ich einen Chorus von TC Electronic, ein Dunlop Echoplex, einen Tube Driver und einen Tube Screamer. Auch diese Effekte besitze ich noch immer und spiele sie auch weiterhin. (lacht)
Vier Jahre zuvor hattest du einen Grammy Award für deinen Song ‚Cliffs Of Dover’ bekommen und wurdest von zahlreichen Fachmagazinen für dein ungewöhnliches Spiel gefeiert. Inwieweit hat die G3-Tour deiner Karriere geholfen?
Die erste G3-Tour war eine super Werbung für mich und meine Musik. Etwa ein Jahr vor Beginn der Tournee hatte ich mein Soloalbum ‚Venus Isle’ veröffentlicht und durfte einige Songs der Scheibe vor großem Publikum spielen. Das half mir und dem Album natürlich sehr. Es lief damals ziemlich gut für mich!
Wie war das Verhältnis zu deinen beiden Kollegen Satriani und Vai? Eher freundschaftlich oder mehr ein Wettstreit um die Publikumsgunst? Habt ihr euch gegenseitig inspiriert?
Natürlich habe ich von beiden sehr viel gelernt. Das hat sich übrigens nie geändert und gilt bis heute. Joe und Steve sind zusammen aufgewachsen, die beiden kannten sich also bereits vorher. Ich war sozusagen der Neue, hatte zuvor allerdings auch schon ein paar Mal gemeinsam mit Joe auf der Bühne gestanden. Steve hatte ich während seiner Zeit bei Alcatrazz ein paar Mal getroffen, aber natürlich kannten sich die beiden besser als ich sie kannte.
Die originale G3-Besetzung: Joe Satriani, Steve Vai & Eric Johnson (Bild: Jen Rosenstein / earMusic)
Was waren damals deine spielerischen Vorlieben? Unterscheiden sie sich von deiner heutigen Spielweise?
In der Tat unterscheiden sie sich in Details, denn ich habe nie aufgehört, möglichst viel über Harmonielehre und Akkordstrukturen lernen zu wollen. Ich versuche ständig herauszufinden, wie ich mich kompositorisch verbessern und ich noch mehr Emotionen aus meinem Spiel und meinen Ideen herauskitzeln kann. Es geht dabei allerdings nie um Perfektion, sondern um mehr Tiefgang. Ich möchte einen Grund für mein Musikerdasein finden, dieser Wunsch gilt heutzutage mehr denn je.
Es existiert so unglaublich viel Musik, dass man schnell in die Bedeutungslosigkeit rutscht, wenn man nur Konfektionsware abliefert. Deshalb ist es wichtig, dass man etwas Einzigartiges findet und diese Einzigartigkeit auch allen Widrigkeiten zum Trotz beibehält. Zusammenfassend gesagt: Ich suche nach Ideen, die mein Publikum berühren und inspirieren.
Du giltst als ungewöhnlich eigenständiger Musiker, mit einem ganz eigenen Stil. Kannst du rekonstruieren, wie und wodurch sich dieser Stil entwickelt hat? Worin liegt das Geheimnis deines Sounds?
Eine sehr gute Frage! Ich denke, das Geheimnis eines eigenen Sounds findet man generell im Kopf jedes einzelnen. Als Musiker braucht man eine klare Vorstellung davon, welche Art Musik, welchen Sound man machen möchte. Je konkreter die Idee im Kopf ist, umso leichter kann man sie auf seine Finger übertragen. Ich habe immer schon Saxofon, Geige und Klavier geliebt, diesen reinen, unverfälschten Ton, und hatte den festen Vorsatz, dass ich diese Klarheit auch auf eine Gitarre mit einem Distortion-Sound übertragen möchte.
Um ehrlich zu sein: So etwas kann mitunter ein ziemlich schwerer Kampf werden. Viele Leute sagen, dass ich einen eigenen Sound habe, in Wirklichkeit hat aber jeder seinen eigenen Stil, denn bei jedem setzt sich sein Sound aus unterschiedlichen Zutaten zusammen. Mein spezieller Mix aus unterschiedlichen Einflüssen hat meinen eigenen Stil kreiert: Ich liebe den frühen Bluesrock von Eric Clapton, ich mag B.B. King, aber auch John McLaughlin, vor allem in seiner ‚Birds Of Fire’-Ära, als er einen Eric-Clapton-Ton nur mit mehr Gain hatte.
Ich liebe auch Bill Connors auf ‚Hymn Of The Seventh Galaxy’, der ersten Scheibe von Chick Corea, als Connors seinem Fusion-Stil eine kräftige Portion Blues beimischte. Ich liebe Steel-Gitarristen, die Art wie sie mit den Fingern gleich mehrere Saiten anschlagen. Ihre Technik habe ich auf mein Spiel übertragen und damit einen ungewöhnlichen Sound kreiert.
Natürlich liebe ich ebenso die Power-Akkorde eines Keith Richards, mag aber auch Wes Montgomery und seine Daumentechnik. Was ich damit sagen will: All diese Dinge haben mich immer schon berührt und dazu veranlasst, sie in mein Spiel zu integrieren. Bei anderen Musikern können die Vorbilder ähnlich sein, finden dort aber einen anderen Ausdruck, da jeder Mensch einzigartig ist.
(Bild: Max Crace / earMusic)
Gab es in deinem Leben den einen Moment, in dem du gespürt hast, dass du den Sound in deinem Kopf tatsächlich auf deine Finger übertragen kannst?
Nein, das war ein längerer Prozess. Ich habe immer schon den Sound einer Gitarre geliebt. Gleich die zwei ersten Töne, die ich von Wes Montgomery hörte, haben mich gepackt. Es dauerte nur diese ein oder zwei Noten und es war um mich geschehen. Ein weiterer entscheidender Moment war, als ich zum ersten Mal John Mayall And The Bluesbreakers hörte. Anschließend wollte ich sofort unbedingt herausfinden, wie ich die Saiten berühren, sie abdämpfen und anschlagen muss, um diesen Sound zu erzeugen.
Deshalb ist es für mich eine gute Sache, wenn man andere Musiker kopiert. Man kann unfassbar viel von seinen Vorbildern lernen, trotzdem setzt sich am Ende der eigene Stil durch. Man sollte also nie sagen: Du darfst niemand anderen kopieren! Denn nur durchs Kopieren wird man zu dem Musiker, der man gerne sein möchte.
Es gab eine Phase in meinem Leben, in der ich Eric Clapton Note für Note kopiert habe. Natürlich bekam ich dafür harte Kritik und immer wieder die Frage gestellt, wann ich denn endlich meinen eigenen Stil spiele. Aber für mich war das eine wichtige und sehr inspirierende Phase. Nimm nur einmal Jeff Beck und die Yardbirds, diesen Wahnsinnssound! Jeffs Spiel ist großartig, die Art, wie er die Saiten dehnt, verrät seinen großen Blueseinfluss, verbunden mit einer Prise Soul. Das war immer schon der Sound, der mich gepackt hat, die Songs drumherum waren nur ein Teil der Faszination.
Die 2024er G3-Tour mit dir, Joe Satriani und Steve Vai war das Comeback des originalen 96er Line-Up. Konntest du signifikante Änderungen in eurer Zusammenarbeit erkennen?
Natürlich gibt es immer eine Weiterentwicklung. Joe und Steve haben in der Zwischenzeit viele weitere Songs geschrieben und ihre Spieltechnik verfeinert. Die Bühne mit zwei solchen Könnern zu teilen ist sehr aufregend. Die Venues waren zwar nicht ganz so groß wie in den Neunzigern, möglicherweise hat sich das Interesse für Gitarren etwas verändert, dennoch gab es im Publikum sehr viele ganz junge Besucher.
Zwischen Joe, Steve und mir herrscht immer eine sehr entspannte Atmosphäre, man spürt, dass wir alle Frieden mit diesem kraftraubenden Tourleben geschlossen haben. Ich finde, dass man bei uns dreien mehr Seele, mehr innere Ruhe und Zufriedenheit spürt. Mittlerweile beurteilen wir vieles aus einer gelasseneren Perspektive.
Gilt dies auch für dein Verhältnis zur Gitarre? Hat sich dein Anspruch verändert?
Für mich gilt nach wie vor, dass die Gitarre nicht übermäßig schwer sein sollte. Außerdem mag ich keine allzu breiten Hälse. Früher dachte ich: Je breiter, desto besser. Für lange Zeit besaß ich einige Gitarren mit sehr breiten Necks, da ich den Eindruck hatte, dass sie für meine bevorzugten Akkordstrukturen hilfreich sind.
Irgendwann fand ich jedoch heraus, dass die meisten von ihnen zu breit sind, seither bevorzuge ich mittlere Größen, am besten mit dicken Bünden und möglichst clean klingenden Tonabnehmern, die in der Bridge-Position allerdings etwas härter klingen sollten, um in den Soli die gewünschte Kraft zu entfalten, allerdings immer mit voller Tone-Control.
Aktive Steg-Tonabnehmer kamen für dich nie in Frage?
Doch, ich habe immer mal wieder auch aktive PUs getestet, aber für meinen Geschmack passen passive besser zu mir, die Akkorde klingen mit ihnen runder und reiner.
Welche Tonabnehmer bevorzugst du derzeit?
Ich besitze eine ganze Reihe Pickups, die meinem Vorbild eines originalen 50er Strat-Pickups sehr nahekommen, insofern würde ich sagen: Vor allem Vintage-50s-Pickups, ebenso alte Gibson-Humbucker, und natürlich mag ich auch die PUs, die ich kürzlich mit Fender entwickelt habe. Hinzu kommen einige DiMarzios, die ich in der Bridge-Position spiele.
Wieviel Einfluss hat für dich ein guter Gitarrenton auf dein Songwriting?
Für mich braucht ein guter Song vor allem Melodie und den Versuch, einen emotional anregenden Inhalt zu transportieren. Etwas, zu dem man als Außenstehender einen Zugang findet und das möglicherweise mit dem eigenen Leben zu tun hat. Ich suche nach Dingen, die auch für andere Menschen von Bedeutung sein könnten. Man kann den besten Produzenten, den besten Fotografen, das größte Budget zur Verfügung haben, letztendlich zählen nur Ideen mit Tiefgang und wirklicher Bedeutung. Solche Songs könnte man notfalls sogar mit dem Handy aufnehmen und das Video dazu selbst drehen. Verstehst du, was ich meine?
Nämlich?
Es geht immer darum, einen noch besseren Song als den vorherigen zu schreiben. Seit ich Gitarre spiele, habe ich die größten Songschreiber beobachtet, also James Taylor, Paul Simon, Joni Mitchell, Carole King, Cat Stevens, natürlich die Beatles und Stevie Wonders Scheiben in den Siebzigern. Diese Leute konnten wirklich tolle Songs schreiben!
Denk nur einmal an Jeff Becks Ton, als er mit Rod Stewart gespielt hat: ‚Shape Of Things’ von den Yardbirds ist eine Mördernummer! Manchmal ist es nur ein Lick, ein Sound, ein kurzer Moment, der magisch klingt. Wenn man dann alles Wichtige drumherum baut, hat man einen Killersong. Deshalb wird die Menschheit noch in 200 Jahren Jimi Hendrix hören, seine Gitarre klingt überragend und die Songs halten dieses Niveau. Ich wünschte, ich hätte eine solche Gabe, ich dagegen stolpere herum in der Hoffnung, möglichst gute Songs zu schreiben. Wenn man solche Vorbilder wie ich hat, liegt die Messlatte verdammt hoch. Aber das ist gut so, als Referenzpunkt für einen selbst.
Apropos: Was werden deine Highlights der kommenden Monate sein?
Ich habe vor Beginn der letzten Tour 14 Songs aufgenommen, um die ich mich kümmern werde, wenn ich wieder zuhause bin. Konkret: Ich werde ein neues Album veröffentlichen, das hoffentlich bis zur Tour im März 2025 fertig ist. Und natürlich möchte ich im Herbst 2025 auch wieder nach Deutschland kommen.
Mir gefällt Eric Johnson‘s Songtitel „Cliffs of Dover“ am besten! Ein sehr harmonisch klingendes Instrumental Stück von ihm.
Weshalb aber die Fender Signature Strats mit seinem Namenslogo jedoch preislich leider immer noch so astronomisch hoch sind,erklärt sich mir absolut nicht.
Mir gefällt Eric Johnson‘s Songtitel „Cliffs of Dover“ am besten! Ein sehr harmonisch klingendes Instrumental Stück von ihm.
Weshalb aber die Fender Signature Strats mit seinem Namenslogo jedoch preislich leider immer noch so astronomisch hoch sind,erklärt sich mir absolut nicht.