Im Interview

Frank Itt: Bass- und Dozenten-Instanz

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(Bild: Mineur)

Der deutsche Bassist Frank Itt, bekannt durch seine Videos auf dem BassTheWorld-YouTube-Kanal und seine Tätigkeit bei unter anderem The Touch (feat. Terence Trent D‘Arby), Howard Carpendale, Till Brönner, Jennifer Rush, Errorhead oder Lotto King Karl, ist seit mehr als 20 Jahren auch Dozent an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim. Hier unterrichtet und coacht er junge Musiker und Bands und sorgt damit für einen gut ausgebildeten künstlerischen Nachwuchs.

Im Rahmen des 2024er Guitar Summit haben wir uns mit dem 64-Jährigen verabredet, um mit ihm über seine langjährigen Erfahrungen als Bass-Lehrer zu sprechen und einen Einblick in die generelle Entwicklung von Musikunterricht zu bekommen.

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Frank, du unterrichtest bereits seit 2003 an der Popakademie, bist dort also Mann der ersten Stunde. Wie haben sich in dieser Zeit der Anspruch deiner Studenten, die Vorkenntnisse, ihre Perspektiven und Visionen verändert?

Das, was meine Studenten lernen möchten, hat sich im Großen und Ganzen nur wenig verändert. Die generellen Anforderungen im Bassbereich sind ja auch weitestgehend gleichgeblieben. Natürlich hat man mittlerweile das Tapping und die ganz fixen Sachen, aber wir haben schon damals in weiser Voraussicht beispielsweise den Synthie-Bass mit ins Curriculum genommen. Das rührt noch aus meiner Zeit bei The Touch in den Achtzigern, als wir bei zwei, drei Nummern einen Moog Prodigy auf der Bühne hatten.

Unsere Vorahnung hat sich tatsächlich bewahrheitet, deshalb gibt es jetzt ein Semester mit reinem Synthie-Bass-Unterricht. Die technische Einführung kommt von mir, also Fragen wie: Was sind Oszillatoren, was sind LFOs, usw.? Die spielerische Seite hat mein Kollege, der Karat-Bassist Daniel Bätge, übernommen. Genauso richtig war auch unsere Entscheidung, Unterricht am Kontrabass mit reinzunehmen, den mein Kollege Christoph Sauer übernimmt. Beides, Kontra- und Synthie-Bass, gehört zu einer breit aufgestellten Ausbildung dazu, natürlich ohne einen Studenten zum Kontrabass zu zwingen, wenn bei ihm nicht bereits eine Affinität vorhanden ist.

Wie sieht es mit den Vorkenntnissen deiner Studenten aus, wenn sie an der Popakademie den Unterricht beginnen?

Ich kann nicht meckern. Der neue Jahrgang, der im Sommer seine Aufnahmeprüfung absolviert und im Herbst das Studium begonnen hat, gehört zu den besten, die ich je hatte. Wir haben im Bereich Bass sieben neue Studenten, vier für einen Bachelor- und drei für den Masterabschluss, und es fällt auf, dass die Studenten sehr viel mehr Skills auf dem Synthie-Bass haben und auch schon eigene Synthies besitzen, da muss man also nicht mehr in der Ursuppe herumrühren.

Außerdem sind viele Studenten breiter aufgestellt, zwei der neuen sind auch erstklassige Gitarristen und gute Backing-Vokalisten. Das liegt natürlich auch daran, dass in einer Band jeder zusätzliche Musiker Geld kostet und organisatorisch schwieriger einzubinden ist. Je mehr Fähigkeiten in Personalunion vorhanden sind, umso besser sind die Chancen auf einen Job. Dieses Bewusstsein ist heutzutage deutlich stärker ausgeprägt als früher.

Heißt das, die junge Generation ist professioneller ausgerichtet als in früheren Jahren?

Vor allem effektiver und stringenter, das „Lass uns mal in den Proberaum gehen und ein bisschen rumdaddeln” gibt es deutlich weniger. Das bemerke ich auch in meinen Bandcoachings. Fast jeder hat In-Ear und einen Clicktrack auf dem Ohr, da wird sich also viel enger an vorgegebene Arrangements gehalten.

Womit erklärt sich dieses Phänomen? Hat das mit Homerecording zu tun, bei dem jeder alles zuhause vorbereiten kann und somit weniger gejammt wird?

Ich habe mir dazu ehrlich gesagt noch nie Gedanken gemacht, aber das klingt plausibel.

Mit den heutigen technischen Möglichkeiten – Pro Tools, Ableton, Drum-Plug-ins, etc. – kann jeder fast alles allein zuhause arrangieren und aufnehmen, ohne die Notwendigkeit, mit anderen künstlerisch kommunizieren zu müssen.

Das ist sicherlich richtig, zumal man dies auch an den konkret durchstrukturierten Kompositionen hört. Es ist zwar abhängig vom jeweiligen Genre, aber man beobachtet immer öfter reine Vier-Akkorde-Schemata, die komplett durchlaufen und nur durch Arrangement-Tricks interessant gehalten werden. Die Strophe ist genauso wie der Refrain und wie der C-Teil, es laufen immer die vier gleichen Akkorde durch. Das ist eine völlig andere Denkweise als früher.

Dieses Phänomen passt möglicherweise zu einer Untersuchung, dass die Songstrukturen heutzutage nachweislich simpler sind als in den Sechzigern und Siebzigern.

Viel simpler sogar! Das liegt unter anderem auch daran, dass fast immer eine Maschine mitläuft und man häufig ein Vierer-Schema hat, wenn man seine DAW anschaltet, also 4/4tel-Takt, Tempo 120, das ist bei allen fast DAWs Standardmäßig eingestellt. Warum wohl?

Ja, warum eigentlich?

Weil die meisten Popsongs zwischen 90 und 140 bpm laufen.

Es gab ja mal das Gerücht, dass die Pink-Floyd-Songs bewusst an die menschliche Herzfrequenz angepasst werden, um einen organischen Wohlfühleffekt zu generieren.

Das habe ich auch gehört. Und ich verstehe es sogar: Wenn man sich entspannt – je nachdem wie sportlich man ist – hat man einen Ruhepuls zwischen 59 und 80. Wenn man sich also die neuen Songs von David Gilmour anhört, erkennt man, dass sie bewusst Zeit und Raum lassen, fast schon anachronistisch. Ansonsten haben sich die Hörgewohnheiten natürlich signifikant verändert, durch Spotify, YouTube, durch TikTok, durch diese 30-Sekunden-Spots, in denen alles gesagt sein muss.

Diese 30-Sekunden-Grenze, ab wann Songs auf Spotify überhaupt erst erfasst bzw. gezählt werden, hat erkennbar auch Auswirkungen aufs Songwriting. Lange Intros sind out, alles muss sofort da sein, damit die Leute nicht weiterskippen.

Richtig, diese Denkweise ist heutzutage eine völlig andere als vor 50 oder 60 Jahren, als man sich in irgendeinem Raum traf und vornahm: „Lasst uns mal irgendetwas machen!” Gilmour hat mal gesagt: „I was just noodling around”, so etwas kommt heute sehr selten vor.

Bedauerst du das? Oder kannst du dieser Entwicklung auch etwas Positives abgewinnen?

Jede Generation hat die Musik, die sie will und die sie verdient. Das klingt jetzt böser, als ich es meine. Aber als 20-Jähriger bist du heutzutage nur noch im Vollgasmodus unterwegs, Auszeiten kennen viele junge Menschen gar nicht mehr. Wir haben an der Popakademie Studenten, die nur für die Clicks leben. Jeder glaubt, dass er permanent Content braucht, womit man sich natürlich dauerhaft unter Druck setzt.

Und aus dieser Drucksituation heraus kann man sich gar nicht mehr erlauben, herumzudaddeln. Es gibt allerdings auch die andere Seite: Wir hatten einige Prog-Rock-Bands, die bekanntesten sind The Intersphere, die ich teilweise gecoacht habe und die sich Zeit für ihre Arbeit nehmen. Bei denen wird noch anders, freier gearbeitet.

Die Weiterentwicklung von Bässen, das Etablieren von Sechssaitern, die neueren Tunings, usw., hat all das Auswirkungen auf die Erwartungshaltung deiner Popakademie-Studenten?

Ja, allerdings immer abhängig davon, woher die Studenten musikalisch kommen. Wir hatten zum Beispiel Unprocessed, eine Flinkefinger-Progrock-Band, mit Siebensaitern und Drop-C-Tunings, bei denen ich mich gefragt habe, wohin denn der Bass noch gehen soll. Dadurch sind auf dem Bass Soundstrukturen entstanden, die vorher noch gar nicht da waren.

Wenn man früher den Sound verzerren wollte, hat man etwas wie den Big Muff oder so eingesetzt, das bedeutet: Kein Attack, nur noch Zerrton, was ja keinen gestört hat, da in dieser Frequenz sowieso kein anderes Instrument zu finden war. Die Gitarren waren eine ganze Oktave drüber, die linke Hand des Keyboards mit Fender Rhodes über einen Fender Twin war super dünn, komplett ohne Tiefbass.

Heute sind Songs eine andere Baustelle, heute muss der Bass zusehen, wie er Frequenzen abdeckt, die nicht bereits von der Gitarre oder den Keyboards abgedeckt werden. Nun spielen aber viele Gitarristen Achtsaiter-Modelle, die bis zum tiefen Fis runtergehen und brüllend verzerrt sind. Was macht man als Bassist dann? Nimmt man sich einen Fünfsaiter und versucht, noch etwas tiefer zu gehen? Hört leider keine Sau mehr! Also zerrt man ihn und macht ihn oben herum ganz spitz, damit man wenigstens die Ansätze hören kann. Solche Probleme gab es bis zu den Neunzigern noch nicht.

Hat das nur Auswirkungen auf den Sound, oder auch auf die Spielweise?

Natürlich auch auf die Spielweise. Deswegen unterrichte ich in den zwei ersten Semestern fast nur Sounds und Spielweisen. Beispielsweise: Wie kriege ich mit einer kompletten Flat-Einstellung des Basses trotzdem einen guten Metal-Sound, einen halbwegs guten Jazz-Sound und einen brauchbaren Rock- und Pop-Sound hin? Und zwar allein nur mit den Fingern. Damit hat man zwar noch nicht alle Probleme gelöst, aber wenigstens schon mal die Grundvoraussetzungen für den gewünschten Sound. Erst dann folgen EQ-Einstellungen und die Pedalboards, aber nicht umgekehrt. Man bekommt nie einen guten Metal-Sound, wenn man nicht weiß, wie man ihn spielen muss.

Wie ist die Haltung deiner Studenten zu traditionellen Amps und Plug-ins? Setzt du selbst Plug-ins ein?

Nein, ich selbst nicht, ich nehme zumeist analog auf, da ich Latenzen hasse. Ich erinnere mich noch an das alte Yamaha-Digitalpult 02R, das sieben Millisekunden Versatz hatte. Ich bin schier wahnsinnig geworden, deshalb hatte ich eine Analogkonsole, die latenzfrei arbeitet, um meine Sachen einzuspielen. Mittlerweile ist die Technik weitergegangen, es gibt Kemper & Quad Cortex, das sind ja keine Spielzeuge mehr, sondern echte Waffen. In den richtigen Händen sind sie absolut empfehlenswert.

Viele meiner Studenten haben ein Quad Cortex oder HX Stomp, wenn man die gut programmiert, ist das völlig in Ordnung. Was aber viele Studenten erst später erfahren: So geil es mit In-Ear-Monitoring auch sein mag, wenn das Signal via Ethernet vom FOH kommt, kann das mörderische Latenzen hervorrufen. Es sei denn, man hat beispielsweise das supergünstige Behringer-X32-Pult mit einem der schnellsten Wandler der Welt und den geringsten Latenzen.

Haben die neue Technik und die Vorlieben der Studenten Einfluss auf deinen eigenen Bass-Sound und deinen Spielstil?

Nein, eher gegenteilig: Ich möchte einen fast linearen Bass-Sound, der nicht färben darf, weshalb man bei mir auch nie einen Precision sehen wird, da man dafür die entsprechende Amp-Simulation braucht, damit der Preci geil klingt. Ich habe zuhause noch eine 2x15er-Regent-Box aus der DDR, dazu einen Amp mit Röhrenvorstufe, was da rauskommt ist mir völlig schleierhaft, hat nichts mit Linearität zu tun, passt aber perfekt zu einem Preci. Ansonsten möchte ich alles so linear wie möglich, denn ich bevorzuge den Ton aus den Händen. Die wenigen Effekte, die ich besitze, emulieren nichts, der Sound muss aus den Fingern kommen.

Wie sieht dein aktuelles Equipment aus?

Bei Howard Carpendale kommen mein 95er Yamaha BBNE1, ein 2004er Yamaha TRB5 II Fretless und ein Ortega Lizard, Baujahr 2013 zum Einsatz, in Kombination mit einem Sansamp Bass Driver DI, einem Boss OC-2 und einem Korg Pitchblack Tuner.

Für die meisten anderen Auftritte habe ich zwei Yamaha BBG5S mit Pickups von Basstec und bei Bedarf einen Yamaha JP1 6-String, den ich mir vor Jahren als Fretless umbauen lassen habe und der noch einen zusätzlichen Pickup von Delano bekommen hat. Dazu einen GRBass-AT210-Bass-Combo mit 2×10″-Speakern und Horn und eingebautem GRBass ONE800. Gelegentlich spiele ich noch mit einem Markbass Little Mark 2 und einer alten Yamaha-BBT410S-Bassbox.

Yamaha BBNE1, Baujahr 1995, mit Basstec-Pickups und Bass-Lab-Preamp
Yamaha TRB 5 II Fretless, Baujahr 2004
Ortega Lizard, Baujahr 2013
Tech 21 SansAmp Bass Driver DI, Boss OC-2 Octaver & Korg Pitchblack Tuner

 

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2025)

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