(Bild: Dieter Stork)
Electro-Harmonix hat sich ein altes Pedal noch einmal vorgeknüpft. Genau genommen handelt es sich hier in der Ursprungsvariante gar nicht um ein Pedal, sondern um eine Art erweiterten Klinkenstecker, bei dem der Booster direkt in die Gitarre gesteckt wurde. Was es nun mit dem Nachfolger auf sich hat und was genau die „Spruce Goose“ ist, klären wir hier im Test.
Der LPB-3-Booster existierte bereits in diversen Versionen. Nach der Steckervariante gab es das Gerät in diversen Pedalformaten. Dabei handelte es sich jedoch immer um einen ziemlich simplen Booster, der nur in der Lautstärke regelbar war. Neben der Neuauflage dieses Klassikers stellt EHX mit dem Spruce Goose Overdrive einen Verzerrer im Bluesbreaker-Stil vor.
(Bild: Dieter Stork)
Hier stehen also satte Zerrsounds mit viel Wärme und britischem Charakter auf der Menükarte. Beide Testgeräte kommen in einem Aluminiumgehäuse im vom Hersteller bekannten Nano-Format und machen einen – wie von EHX gewohnt – hochwertigen Eindruck. Die Potis drehen satt, die Buchsen packen kräftig zu, und auch „unter der Haube“ gibt es keinen Grund zur Klage.
Während der LPB1-Booster mit einem normalen Hard-Switch (Klack!) ausgestattet ist, wurde dem Spruce Goose Overdrive ein Soft-Switch (klick) spendiert, der zudem eine „Momentary“-Funktion bietet. Hält man den Schalter gedrückt, deaktiviert sich der Effekt sofort beim Loslassen des Schalters (funktioniert auch umgekehrt, wenn das Pedal aktiv ist).
ALLZWECKZERRER
Die Bezeichnung „Linear Power Booster“ ist ein wenig irreführend. 33 dB Gain sind in Bezug auf „Power“ natürlich eine treffende Beschreibung – linear klingt dieser Booster jedoch ganz und gar nicht. Trotz der immensen Reserven lässt sich der LPB-3 dank des Input-Gain-Potis und des EQs ziemlich fein justieren.
Mit allen Reglern in der Mittelstellung ist schon ein deutlich hörbarer Lautstärkesprung wahrnehmbar, was die Eingangsstufe meines Verstärkers mit reichlich Kompression quittiert. Mit dem Input-Gain-Poti passe ich den Sound so an, dass dem Pedal viel Dynamik bleibt und nach Möglichkeit wenig Verzerrung im Booster selbst entsteht.
Die parametrischen Mitten erweisen sich erwartungsgemäß als überaus effizient: Über eine breite Range kann ich bestimmen, wie stark das Pedal die Mitten in einem mit dem Mid-Frequency-Poti gewählten Bereich anhebt oder absenkt, was bei Bedarf schon zu einer ziemlich verbogenen EQ-Kurve führen kann.
Im Zusammenspiel mit den Bass- und Treble-Potis kann der Sound von ganz dezent bis fundamental verformt werden. Im Grunde ist der LPB-3-Booster ein wahres Schweizer Taschenmesser auf dem Pedalboard: Vom dezent mitlaufenden „Always on“-Pedal bis hin zu richtig extremen Zerrsounds (mein Verstärker wird hier wirklich ans Äußerste getrieben) mit starker EQ-Färbung ist im Grunde alles möglich.
Im Test habe ich zum Beispiel einen Grundsound mit einer Gitarre mit einem recht kräftigen Seymour Duncan-TB-4-Humbucker am Steg eingestellt und dann eine Super-Strat mit einem schwächeren DiMarzio-Steg Pickup mit dem gleichen Setup gespielt.
Um nun die etwas schwammigeren Bässe zu zügeln, konnte ich mit dem Bass-Poti den Sound deutlich strammer ziehen und dafür im Hochmittenbereich für etwas mehr Aggressivität sorgen. Mit dieser Methode sind letztendlich beide Gitarren ohne große Anpassungen problemlos mit einem Setting spielbar.
Ein anderes Szenario, in dem sich der LPB-3 Booster als sehr kompetent erweist, ist die Rolle eines Overdrive-Pedals. Meinen Testverstärker habe ich so eingestellt, dass der Amp an sich schon einen saftigen Crunch-Sound produziert. Am Booster habe ich nun nicht nur den Pre-Gainbzw. den Boost-Regler weit aufgedreht, sondern auch noch zusätzlich in den 33 dB-Modus geschaltet.
Der Ausgangspegel ist nun so stark, dass der Amp völlig mühelos in einen vollfetten Overdrive-Sound übergeht, der allemal mit einem richtigen Zerr-Kanal mithalten kann. Für noch etwas mehr Biss in den Mitten und Höhen schalte ich in den High-Q-Mode, was für eine steilflankigere EQ-Kurve in den Mitten sorgt und den Sound noch etwas fokussierter werden lässt.
Vor allem für die Durchsetzungskraft in einem dichten Bandmix – beispielsweise für ein Solo – ist dieses Feature natürlich Gold wert. Noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Es lohnt sich durchaus, ein wenig mit dem Verhältnis des Boost- und des Pre-Gain-Reglers zu experimentieren.
Je nachdem, an welcher Stelle die Verzerrung erzeugt wird (also in der Eingangsstufe des Pedals oder durch Übersteuerung des Verstärkers), ändert sich das Voicing des LPB-3-Boosters hörbar. Während das Pedal bei etwas niedrigeren Pre-Gain-Settings spritzig und dynamisch klingt, wird der Sound beim Aufdrehen des Reglers etwas dunkler und komprimierter, was natürlich ebenfalls seinen Reiz hat. Der Stromversorgung des Gerätes sollte etwas Aufmerksamkeit geschenkt werden: mit 120mA ist der LPB-3 ganz klar auf der durstigen Seite.
NICHT NUR GEMÜTLICH
Auf den ersten Blick scheint es sich beim Spruce Goose Overdrive um eine recht simple Sache zu handeln: „Vol“, „Gain“, „Treble“ und „Bass“ bilden ein intuitiv bedienbares Layout. Lediglich der „Lift“ Schalter ist nicht wirklich selbsterklärend – mehr dazu später. Laut EHX ist dieses Pedal Mike Matthews‘ Interpretation des klassischen Marshall-Bluesbreaker-Sounds.
Also eher weiche und gemütliche Klänge statt fieser Distortion-Sounds? Jein. Für den Anfang lasse ich den Lift-Switch in der unteren Position und bekomme tatsächlich einen durchaus dynamischen Overdrive-Ton, der mir vor allem mit Singlecoils oder einem PAF-Style-Humbucker gut gefällt.
In Kombination mit einem kräftigeren Pickup und/oder einer etwas tiefer gestimmten Gitarre wird der Sound für meinen Geschmack etwas zu undefiniert in den Bässen und Tiefmitten. Hier kommen einerseits der Bassregler und andererseits der Lift-Schalter ins Spiel: Während sich die Bässe schön kontrolliert ausdünnen lassen, sorgt der Lift-Schalter in der Mittelstellung für einen deutlichen Anstieg der Verzerrung und des Attacks.
Der Sound hat hier zwar nicht mehr viel mit einem klassischen Bluesbreaker-Style-Overdrive zu tun, gefällt mir aber dennoch ausgesprochen gut. Tatsächlich funktionieren nahezu alle meine Testgitarren in diesem Modus außerordentlich gut, was nicht zuletzt an dem effizient arbeitenden Zweiband-EQ liegt.
Schaltet man den Lift-Schalter noch eine Position höher, wird abermals ein Anstieg der Verzerrung und der Kompression hörbar. Hier verdichtet sich der Ton dann so sehr, dass ich den Haupteinsatzbereich eher im Bereich von tragfähigen Leadsounds und weniger für ein krachendes Rhythmusbrett sehe.
Dieser Modus hat mir im Test vor allem im Zusammenspiel mit etwas dynamischeren Tonabnehmern wie beispielsweise DiMarzios PAF Pro gefallen. Der Zweiband-EQ arbeitet in allen drei Modi schön effizient und lässt beim Zurückdrehen beider Regler einen breit angelegten Mid-Boost zu, der mit viel britischer Wärme und einem gewissen Knurren im tiefen Mittenspektrum einen schönen, unpolierten Charakter an den Tag legt.
ALTERNATIVEN
(Bild: Dieter Stork)
Electro-Harmonix hat zwei tolle Pedale abgeliefert – trotzdem schläft die Konkurrenz nicht. Beim LPB3-Booster sieht es mit einer Alternative allerdings gar nicht so einfach aus. Das JHS Haunting Mids wäre eine Option, wobei hier weder die Lautstärkereserven noch die Vielseitigkeit des LPB-3 erreicht werden.
Das Empress ParaEQ wäre ebenfalls zu nennen – hier muss jedoch reichlich tief in die Tasche gegriffen werden. Beim Spruce Goose sieht es mit Alternativen schon ganz anders aus. Geht es um klassische Bluesbreaker-Sounds, wäre da zunächst Marshalls Reissue des gleichnamigen Klassikers aus den 90ern.
Hier ist man zwar nicht so vielseitig aufgestellt wie beim EHX-Pedal – wer aber genau diesen Sound will, bekommt eine durchaus bezahlbare Option. Wer auf der Suche nach einem klassisch klingenden, aber dennoch sehr vielseitigen Overdrive ist, dem sei das Wampler Pantheon ans Herz gelegt. Hier bietet ein Dreiband-EQ und ein zusätzlicher Voicing-Schalter noch mehr Flexibilität.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Electro-Harmonix macht das, was die Marke am besten kann: gleichermaßen vielseitige und charakterstarke Pedale zu einem wirklich attraktiven Preis anbieten. Da wäre zunächst der Kraftriegel für das Pedalboard: Der LPB-3-Booster bringt jeden noch so cleanen Verstärker so in Bedrängnis, dass satte Zerrsounds unvermeidlich sind.
Richtig gut hat mir das Pedal vor einem leicht verzerrten Amp gefallen. Je nach verwendeter Gitarre lässt sich der Sound dank der parametrischen Mitten in jede nur erdenkliche Richtung verbiegen. Vor allem mit einer auf Drop C gestimmten Gitarre und etwas gescoopten Tiefmitten hat mir das LPB-3-Pedal ausgesprochen gut gefallen.
Aber auch das Spruce Goose Overdrive weiß zu überzeugen. Wäre ich gezwungen, mir ein sehr vielseitiges Overdrive für einen möglichst geringen Preis auszusuchen, wäre dieses Pedal auf jeden Fall in der engsten Auswahl.
PLUS
● Klangqualität
● vielseitiges Konzept (LPB-3)
● Buffer-Option (LPB-3)
● breites Overdrive-Spektrum (Spruce Goose)
● Silent-Switch (Spruce Goose)
● Verarbeitung
● Preis-Leistungs-Verhältnis
(erschienen in Gitarre & Bass 12/2024)