„Klar, für viele Dinge ist der Zug mit Ende 40 abgefahren, aber fürs Gitarrenspiel natürlich überhaupt nicht.“
Till & Tone: Chefrock – mit Micky Beisenherz und Peter Keller
von Till Hoheneder, Artikel aus dem Archiv
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An einem wunderschönen Tag im Mai machte ich mich für diese Kolumne auf den Weg nach Hamburg, um zwei alte Freunde für ein paar wohlverdiente Zeilen in Gitarre & Bass zu präsentieren: Micky Beisenherz – Autor, Journalist, Moderator (#beisenherz, Kölner Treff) & Podcaster (Fußball MML, Apokalypse & Filterkaffee) – und Peter Keller (Produzent, Songwriter, musikalischer Direktor und Gitarrist der Peter Maffay Band). Oder wie Peter es bescheiden, wie er nun mal ist, formulieren würde: „Stützgitarre rechts außen, Maffay Band!“
Beide, sowohl Micky als auch Peter, sind sehr erfolgreich und falls sich einer jetzt schon ungeduldig fragt, warum ich die beiden in einer Kolumne verbinde, der bekommt auch eine Antwort: Ganz einfach! Peter Keller ist Mickys Gitarrenlehrer! Der vielbeschäftigte Herr Beisenherz, berühmt berüchtigt für seine Abneigung, ein Telefon zum Telefonieren zu benutzen und somit schwerer zu erreichen als Kim Jong-un, sitzt trotz vollem Terminkalender einmal in der Woche in Peter Kellers Chefrock Studios in Hamburg und übt Gitarre. Er geht sogar ans Telefon, wenn Peter anruft. Verdammte Günstlingswirtschaft!
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Wenn ich diesbezüglich meine kleine Eifersucht zur Seite schiebe, dann bleibt die Verwunderung, dass mein alter Freund es offensichtlich richtig ernst meint mit dem Gitarrelernen – denn auf meine Frage an Peter, ob der eitle Journalisten-Dandy Micky die Gitarre nur zu Poser-Gründen benutzen will, antwortete der gute Keller: „Nein, der ist mit absolutem Eifer dabei, das ist echte Leidenschaft. Null Show, sondern Herz und fokussierte Begeisterung – ehrlich!“
RENTNER AN DER KLAMPFE!
Bevor hier wegen der Stichelei gegen Micky ein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe Micky von ganzem Herzen und diese kleinen Nickeligkeiten gehören auf beiden Seiten zum festen Repertoire unserer langen Freundschaft. Unvergessen, wie Micky mich einmal angesichts meines fehlenden Enthusiasmus für „neue Musik“ anpflaumte: „Weil du verbitterter Musik-Grinch alles an Musik ablehnst, wo nicht mindestens zwei greise Rentner mit Gichtpfoten an der Klampfe stehen!“ Und jetzt will Micky, dessen Haarfarbe ihn zumindest optisch nicht mehr ins Fresh-Prince-Lager verortet, selbst Gitarre spielen? Warum? Wieso ist ausgerechnet Keller sein Lehrer? Fragen über Fragen, ich bin gespannt, ob ich neugierig bin!
Auf der Fahrt erinnere ich mich selig an die erhebenden Musikmomente, die ich mit Micky und seiner Familie erlebt habe: Der Auftritt meiner Band in der edelweißen Raffaello-Küche seiner Mutter zum 90. Geburtstag seiner Oma Lore ist nicht nur legendär wegen dem Spaß, den alle hatten – sondern auch, weil bei ‚Honky Tonk Women‘ irgendwann die beiden großen, sündhaft teuren Salz & Pfefferstreuer aus Porzellan vom Regal ge-bass-t wurden und neben unserem Drummer zerschellten. Und Mickys Papa beteuert bis heute, dass das Lustigste, was er je im TV gesehen hat, der erste Auftritt von Till & Obel mit unserer legendären ‚We are the world‘-Parodie bei Jürgen von der Lippe gewesen ist.
Endlich auf dem Parkplatz der Chefrock Studios angekommen, empfängt mich ein gutgelaunter Keller mit dem Satz: Fahrstuhl oder Treppe? Ich nehme die Treppe, weil ich nicht geschnallt habe, dass er die widerlich hohe Stahltreppe hinter sich meint. Also überwinde ich meine Höhenangst und folge Peter Keller die steilen Stufen zu den Chefrock Studios hinauf. Peter habe ich kennengelernt, als ich meinen Freund Atze Schröder als Autor zu einer ‚Wetten, dass..?‘– Aufzeichnung in Karlsruhe begleitet habe. Peter Maffay und Band waren auch da und an der Bar des Hotels habe ich schnell mit Herrn Keller über Gitarren und Gear gefachsimpelt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, was nicht schwer ist, denn Peter Keller ist nicht nur ein exzellenter Produzent (A-ha, Maffay, Truck Stop u.v.m.), Künstler und Musiker, sondern auch ein feiner Mensch mit einem großen Rock’n‘Roll-Herz! Bescheiden, höflich und ein guter Musiker – es ist kaum auszuhalten mit dem sympathischen Kerl. Nachdem ersten Durchgang durch die beeindruckenden Chefrock Studios stieß Micky endlich zu uns und wir beginnen gleich mit dem Interview.
INTERVIEW MICKY BEISENHERZ
Micky, du und Gitarrenunterricht – wann hast du dich dazu entschieden?
Wann? Hm, das ist eine lange Geschichte des Scheiterns.
Länger als unsere Freundschaft? Ich kenne dich ja jetzt schon 20 Jahre …
Viel länger sogar schon. Also in der Phase, in der wir uns kennenlernten, unternahm ich gerade den zweiten verzweifelten Anlauf, mir selber das Gitarrenspiel beizubringen. Und zwar ganz ernsthaft mit Peter Burschs Gitarrenbuch! Rein autodidaktisch, mit diversen Ausdrucken von Akkorden und mit Songs. Das war auch das erste Mal, dass ich festgestellt habe, dass einige Bands doch sehr sich wiederholende Rezepte für Songs haben.
War der Versuch denn erfolgreich?
Das war sogar einigermaßen erfolgreich, zumindest insofern, dass ich so rudimentär ein paar Akkorde hintereinander spielen konnte und das dann ansatzweise so klang, wie die Songs, die ich ganz gut fand. Aber das hielt nicht lange vor und mein Interesse schlief wieder ein. Bis ich dann irgendwann so ungefähr 2019 dachte: „jetzt musst du das noch einmal mit einem richtigen Gitarrenlehrer hier in Hamburg machen.“ Der Lehrer war auch ein netter Kerl, ein absoluter Virtuose.
Oha. Ging das gut?
Jein! Der Typ war echt nett, aber er war wirklich überhaupt nicht in der Lage, einem das Gitarrenspiel so beizubringen, dass das kleine Flämmchen der Begeisterung zu einer großen Fackel wird – sondern er hat es also durch sofortiges Theoretisieren, ohne dass ich auch nur einen einzigen Akkord gespielt habe, alles sehr schnell wieder zunichte gemacht. Dann kam Corona und das wars mit Anlauf Nr. 3! Den vierten Anlauf gab es dann, als ich auf dem Flur des WDR Peter Keller getroffen habe. Er sprach mich an und fragte mich, ob ich immer noch Lust hätte, Gitarrenunterricht zu nehmen.
Und dann?
Daraufhin meinte er, er könnte mir Gitarre spielen beibringen. Und das Angebot habe ich natürlich gerne angenommen.
Was ist es, was dich an der Gitarre so fasziniert?
Naja, also die Art von Musik, die ich selbst gerne höre, die ist ja nun mitunter sehr gitarrenlastig und teilweise sogar eher sehr folkig. Der Gedanke war immer schon da, dass ich das noch mal hinkriegen möchte, weil die Gitarre einfach ein so tolles Instrument ist. Klar, für viele Dinge ist der Zug mit Ende 40 abgefahren, aber fürs Gitarrenspiel natürlich überhaupt nicht.
E-Gitarre oder Akustikgitarre, was fasziniert dich mehr?
Das kann ich so gar nicht sagen, obwohl – ich finde die Akustikgitarre mittlerweile schon interessanter. Das liegt aber wohl auch daran, dass ich mich nicht in Zukunft mit einer E-Gitarre auf der Bühne sehe… das ist nicht mein primäres Ziel.
Was ist denn dein Ziel?
Ich möchte mich bei jeder Gelegenheit einfach irgendwo hinsetzen und wenn mir danach ist, meine Gitarre nehmen und alles spielen, worauf ich Lust habe. Im besten Falle vielleicht mit Frau und Tochter in derselben Wohnung… und die sagen „Das klingt aber schön“ wenn ich spiele.
Hast du Lieblingsgitarristen?
Als ersten muss ich wohl Mark Knopfler nennen, das kam durch meinen älteren Bruder und seine Dire-Straits-Alben. Knopfler, Clapton, oder auch Slash – weil das die Musik ist, mit der ich groß geworden bin. Stichwort Guns N’ Roses: das Video von November Rain lief ja unermüdlich bei MTV. Slash mit der Les Paul, das fand man schon generell ganz gut – halt die klassische Rockhero-Pose. Ganz andere Baustelle, aber wer mir auch sehr gut gefällt ist Bon Iver, weil das noch mal eine ganz andere Art von Neo-Indie-Folk war.
Aktuelle Gitarristen?
Ja, Aaron und Bryce Dessner von The National mag ich sehr, es gefällt mir sehr, was sie spielen und vor allem, wie es klingt. Das ist mir wichtig. Ich tue mich da schon ein bisschen schwer mit solchen Besten-Listen. John Frusciante zum Beispiel von den Chili Peppers ist bestimmt ein sensationeller Gitarrist, aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich verzückt vorm Radio gesessen habe, weil mich sein Gitarrenspiel so wahnsinnig beeindruckt hat.
Was war die letzte Gitarre, die du erstanden hast?
Eine Vidar Custom Gitarre. Vidar Guitars, das ist die Firma meines Tourbegleiters Thore Frerichs. Der baut die Gitarren mit Herz und seinen Händen, die sind wirklich wunderschön. Peter hat sie auch schon getestet und hat sie approved, alles bestens! Ein wunderbares Instrument, das mir viel Spaß macht und gut klingt! Musst du mal checken!
Werde ich machen – danke für deine Zeit, Micky. Ich freue mich auf unseren ersten Lagefeuerabend mit Twin-Guitars!
AMP-TRAUMA!
Micky musste leider schon nach einer Stunde weiter, um seine Sendung #beisenherz für n-tv aufzuzeichnen. Also habe ich mir erstmal von Peter Keller die wunderbaren Chefrock Studios ausführlich zeigen lassen. Dabei kam es zu einem tragischen Zwischenfall: Im großen Aufnahmeraum stand ein Set-Up, dass mir den Atem raubte! Meine Augen erblickten zwei Amp-Legenden, fertig mikrofoniert und ready to rumble:
Ein 64er Vox AC30 und ein 69er Marshall Bluesbreaker 4×10-Combo in „offset configuration“. Lechz, sabber, hechel! Ich zog vor Geilheit schon ein Bein nach und bekam sofort Gelüste. Aber leider nahm die Band FRAUPAUL gerade Vocals im Nebenraum auf – also fiel mein Amptest verständlicherweise ins Wasser! Noch heute zieht sich vor Enttäuschung mein Skrotum zusammen. Seufz! Also beschloss ich, den guten Peter zu interviewen.
Peter kommt aus Peter Weihes legendärem Popkurs, aus dem z.B. auch Stars und Künstler wie Peter Fox, Johannes Oerding und Jörg Sander hervorgegangen sind. Vor 20 Jahren bekam Herr Keller dann die Chance, als Gitarrist bei der Peter Maffay Band anzuheuern. In den 20 Jahren hat er Songs für seinen Arbeitgeber geschrieben, Maffay-Alben produziert und ist zum inoffiziellen musikalischen Direktor der Band geworden. Wenn das keine famose Karriere ist, was dann?!
INTERVIEW PETER KELLER
Peter, wann fing alles an?
Ich weiß noch, dass ich als kleiner Steppke – ich glaube, ich war vier oder fünf – bei einem Bekannten meiner Eltern vor einer schwarzen Gibson Les Paul stand und sie einfach wunderschön fand. Ich war völlig fasziniert von dem Instrument. Dann, ein paar Jahre später, habe ich in der Hitparade gesehen, wie Costa Cordalis seine Ovation hinter dem Kopf gespielt hat – da war es endgültig um mich geschehen!
Du bist einer der Auserwählten gewesen, die bei Professor Peter Weihe studiert haben …
Yep. Kontaktstudiengang für Popularmusik in Hamburg an der Hochschule für Kunst und Musik, kurz Popkurs genannt. Da habe ich mich damals beworben. Also die Geschichte ist die: Ich habe immer schon viel gespielt und war auch als Gitarrist nicht ganz so schlecht … aber ich hatte von Theorie null Ahnung. Und deswegen habe ich mich da beworben und bin auch angenommen worden.
Wie lief das ab?
Es gab ein großes Vorspiel. Peter Weihe, Udo Dahmen – alle saßen da. Man musste was vorspielen und dann haben die Herren sich ihre Teilnehmergruppe zusammengestellt. Einer, der singen kann und Gitarre spielen kann, Schlagzeuger, Bassistin, Geige, Performance Künstler, was auch immer! Ich war damals auch Sänger meiner Band Keller und bin auch nicht als reiner Gitarrist genommen worden, sondern eher so als Sängergitarrist. Das war eine unfassbar spannende Zeit. Nach dem Kurs habe ich dann versucht, mein eigenes Ding nach vorne zu bringen. Mehr oder minder erfolgreich.
Wie bist du zu Peter Maffay gekommen?
Ich hatte einen Raum gemietet in einem Tonstudio. Ein Freund von mir war auch Mieter und hat damals für Peter Maffay getextet, für das Album Laut & Leise. Irgendwann steckte er mir, dass Maffay einen neuen Gitarristen sucht, weil er den Sound der Band verändern will – von wegen „frischer Wind und so!“ Und dann habe ich ´n Demo gekriegt von Peter, ganz simpel mit Rhythmusmaschine, Akustikgitarre und Gesang. Ich hab mir das mit Logic parat gemacht und ein paar Gitarrenspuren dazu gespielt. Und das fand der Herr Maffay wohl so gut, dass er angerufen hat und mich zu den Proben der Band nach Mallorca eingeladen hat. Das war wie, als wenn du als Oberligakicker auf einmal Probetraining bei Bayern München hast.
Ich saß gerade mal dreißig Sekunden mit Peter zusammen, als er trocken wie Löschpapier meinte: „Pass mal auf, Pietro. Wir spielen jetzt die Nummer vom Demotape. Geh mal rüber zu den Jungs und erklär ihnen, wie sie die Nummer spielen sollen!“ Ich dachte, ich spinne. Glücklicherweise hatte ich damals an der Hamburg School of Music lange Bandtraining unterrichtet, also bin ich äußerlich cool, aber innerlich schon etwas aufgeregt in den Proberaum gegangen und habe einfach losgelegt: Bertram, mach doch mal so … aber die Jungs waren ganz chillig und ultraprofessionell.
Wie war das, auf einmal mit Legenden wie Bertram Engel, Ken Taylor – und natürlich auch Peter selbst – Musik zu machen?
Ich war völlig, völlig begeistert. Ich bin wegen meiner Mutter mit Peters Musik aufgewachsen und fand die immer klasse – und die Band natürlich auch, das sind so exzellente Musiker! Das erste offizielle Konzert mit Peter, was ich dann gespielt habe, war hier in Hamburg in den Docks. Der Laden unfassbar voll, Security, meine Mama und mein Stiefvater waren da – also erst im Publikum, dann Backstage. Da habe ich das erste Mal gedacht: „Das ist jetzt mal ‘ne andere Nummer hier!“
Was muss man mitbringen, um bei so einem großen Act zu bestehen?
Du musst sofort abliefern. Wenn du die Songs nicht draufhast, wenn du als Neuer dazukommst und es nicht sofort bringst, dann bist du sofort angezählt. Da hat keiner Zeit und keiner Geduld, auf dich zu warten. Sich mal verspielen, ist kein Problem.
Es gab mal in meinen Anfängen eine Situation, da haben wir geprobt und ich war mir mit irgendeinem Part nicht ganz sicher. Und dann hat Peter abgebrochen: „Pietro, du kannst mal daneben greifen – aber spiel es mit Herz! Ich will, dass du ordentlich zulangst!“ Und das habe ich mir bis heute zu Herzen genommen.