Letztes Mal haben wir die Grundlagen zum effektiven Lernen genauer besprochen, und kommen nun zum Kernstück des Übens, dem Übungsplan.
Viele haben sicher schon gehört, dass man täglich üben muss, um wirkliche Erfolge zu erzielen. Der Nachteil: Selbst bei größter Anstrengung schafft es niemand, jeden Tag zu üben. Hat man einmal einen Tag ausgelassen, fühlt man sich schuldig, versucht es am nächsten Tag nachzuholen, was vielleicht nicht gelingt, weil die Zeit nicht reicht. So bekommt man immer mehr das Gefühl, dass man nie richtig üben kann und deshalb nie ein richtig guter Gitarrist, Bassist etc. wird.
Ich möchte hier eine Methode vorstellen, die diesem Teufelskreis ein für allemal ein Ende setzt und gleichzeitig der zuverlässigste und effektivste Weg ist, sein Übungsziel sicher zu erreichen.
5-TAGE-PARTY-ÜBUNGSPLAN
Und so funktioniert‘s:
• Die gute Nachricht ist, dass man nur an 5 von 7 Tagen üben muss! Das Wort „Party“ in diesem Übungssystem bezieht sich darauf, dass man nur 5 Tage in einer Woche übt und somit 2 Tage – im übertriebenen Sinne – für eine Party zur Verfügung hat. Damit ist gemeint, dass man 2 Tage für Unvorhergesehenes zur Verfügung hat und dass man sich an den Tagen, an denen man nicht übt, nicht schuldig fühlt. Für das Gehirn ist es sogar besser, auch mal eine Pause zu haben, um mehr Zeit für die Informationsverarbeitung zu haben.
Wichtig ist, dass die beiden freien Tage nicht im Voraus verplant werden! Denn wenn du z.B. festlegst, dass du Samstag und Sonntag frei hast und dann an einem anderen Tag etwas dazwischen kommt (was sehr oft der Fall sein wird), dann bleiben dir nur noch 4 Tage, was zu wenig ist.
• Man sollte sich gut überlegen, wie viel Zeit tatsächlich zur Verfügung steht. Ein 5-Stunden-Plan, den man nie einhalten kann, führt nur zu Frustration, während man mit einer regelmäßigen Übungsstunde sehr viel erreichen kann.
• In den Übungsplan solltest du alle Einzelthemen, die Zeit, die du für jedes Thema brauchst, und das genaue Tempo (unbedingt langsam wählen und mit Metronom üben!) eintragen. Plane außerdem nach jedem Thema eine Pause von 5 bis 10 Minuten ein, mindestens aber nach 30 Minuten. Die Pause sollte eine echte Entspannung für das Gehirn (und auch für die Hände) sein, also kein Handysurfen o.ä., denn das strengt zusätzlich an.
• Zerlege dir dabei komplexere Übungen in kleine Einzelstücke. Schwierigere Teile solltest du intensiver und langsamer üben.
• Immer wenn du eine Übung fertig hast, machst du ein Kreuz im Plan. Nach einer Woche sollten bei jedem Thema mindestens 5 Kreuze stehen. Natürlich kannst du dabei auch mal nur einen Teil deines Gesamt-Programmes spielen. Vergiss dabei aber nicht, dass tägliche Aufwärmübungen immer dabei sein sollten.
• Übe konzentriert! Das spart sehr viel Zeit. Hier gibt es eine etwas verrückte Methode, um die Konzentration zu steigern: Stelle dir beim Üben zwei Radios mit verschiedenen Programmen hin, nicht zu leise, und versuche, nur deine eigenen Töne zu hören. Zu Beginn springt die Aufmerksamkeit hin und her, aber nach einigen Tagen kannst du dich so stark abgrenzen, dass du die Radios gar nicht mehr wahrnimmst.
• Finde heraus, welche Übungen für dich am besten geeignet sind, um dein Ziel zu erreichen. • Finde die für dich beste Tageszeit heraus.
• Wird das Übungskontingent erhöht, z.B. von 1 Stunde auf 2 Stunden, dauert es etwa einen Monat, bis man sich daran gewöhnt hat.
• Plane einmal im Monat einen „Make-Friends-Day“ ein. Nimm dir ein Thema vor, das dir noch fremd ist, das du nicht so gerne magst oder von dem du glaubst, dass es dir nicht liegt. Versuche, dich zumindest für kurze Zeit damit zu beschäftigen und „anzufreunden“.
• Beim Einhalten des Übungsplans gibt es das Phänomen, dass man sich an manchen Tagen beim Üben gut und an anderen Tagen schlecht fühlt. Manchmal hat man sogar das Gefühl, dass es keinen Sinn macht. An diesen Tagen werden die Verbindungen im Gehirn, von denen ich Anfangs gesprochen habe, gefestigt. Es entsteht eine Superverbindung, über die das Gelernte dann „wie von selbst“ funktioniert. Deshalb sind diese Übungstage enorm wichtig!
• Wenn du ein Anfänger bist, wird dir der Plan vielleicht kompliziert vorkommen. Da du noch nicht so viele verschiedene Stücke üben musst, trage einfach die Stücke ein, die du üben möchtest. Du kannst auch einige schwierige Teile dieser Stücke separat eintragen, die du dann intensiver übst.
• Erstelle dir bei einem langen Übungsplan zusätzlich einen verkürzten Plan, in dem du alle Übungen nur mit 2/3 der Zeit einträgst. So kannst du im Notfall trotzdem alles üben, wenn die Zeit mal knapp ist.
AUFWÄRMEN, DEHNEN, ENTSPANNUNGSÜBUNGEN
Wie im Leistungssport üblich, sollten sich auch Musiker vor dem Spielen entspannen, um Verletzungen und gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. Finger, Arme und Nacken oder je nach Instrument andere wichtige Körperteile sollten durch gezielte Übungen aufgewärmt, gedehnt, entspannt und auf das Musizieren vorbereitet werden.
Ebenso wichtig sind regelmäßige Pausen alle 45 bis 60 Minuten während des Übens oder Probens. Anstelle von zu langem aktivem Üben können auch „passive“ Techniken wie das Anhören von Aufnahmen, das Lesen einer Partitur oder das stille Durchgehen einer Übung im Kopf zum Erfolg führen. Auf diese Weise haben die Muskeln mehr Zeit, sich zu entspannen und trotzdem Fortschritte zu machen.
Denn man geht heute davon aus, dass „schon das bloße Denken eines Klangerlebnisses im Gehirn jene neuronalen Verbindungen bahnt, die man später beim Spielen brauchen wird.“ (Wolfram Goertz)
VISUALISIEREN DES ZIELS
Das Visualisieren eines gewünschten Ziels ist eine gängige Praxis vieler erfolgreicher Menschen. Man setzt sich entspannt auf einen Stuhl und stellt sich den gewünschten Zustand intensiv vor. Dabei darf man ruhig „groß denken“. Es sollte auch detailliert sein:
Wo genau sieht man sich als Musiker? Als Solist im Konzertsaal? Im Studio? Im Jazzclub? Gefühle wirken als Verstärker: Alle Sinne können eingesetzt werden: Sehen, Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken … Wie sieht die Bühne/der Club/die Konzerthalle aus, in der du spielst? Wie klingt die Musik, wie laut ist sie? Wie applaudiert das Publikum? Wie fühlt es sich an, dort zu spielen? Wie riecht es?
Das Gehirn kann nicht zwischen Vorstellung und Realität unterscheiden, es verarbeitet jeden realen Sinneseindruck in der gleichen Region wie das, was man sich vorstellt. Stellt man sich etwas immer wieder vor, so hält es das für den Normalzustand. Stellt man jedoch fest, dass das Bild nicht der Realität entspricht, versucht das Unterbewusstsein, die Realität zu verändern, nicht die Vorstellung!
MENTALTRAINING
Mentaltraining ähnelt dem Visualisieren, nur dass es darum geht, sich mental auf eine konkrete Situation vorzubereiten, z.B. auf einen bevorstehenden Auftritt mit deiner Band.
Vor dem Auftritt kann man alles in Gedanken durchspielen und eventuelle Fehler im Voraus korrigieren oder sich überlegen, wie man auf verschiedene Situationen und Umstände reagieren wird. Zum Beispiel, wie die Lichtverhältnisse in dem Club sein werden, in dem man spielt, ob man sich auf der Bühne gut hört und wenn nicht, was man während des Konzertes tun kann. Wie groß die Bühne ist, welche Showmöglichkeiten sie bietet usw.
Je mehr Dinge man im Vorfeld klären kann, desto weniger Eventualitäten hat man hinterher und desto besser kann man ein tolles Konzert spielen.
Ein paar Beispiele, wie der Plan aussehen könnte, sowie eine Leervorlage findest du hier zum Download.
Ich wünsche dir viel Erfolg!
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)