Gründer und kreativer Kopf von Dingwall Guitars im Interview

Sheldon Dingwall: Leidenschaft für Perfektion

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Sheldon Dingwall, Gründer und kreativer Kopf von Dingwall Guitars, hat eine bemerkenswerte Reise vom professionellen Skateboarder zum Schöpfer revolutionärer Bässe hinter sich. In diesem Interview spricht Dingwall über die Leidenschaft, die ihn antreibt, die künstlerischen und technischen Herausforderungen des Bassbaus und seine unermüdliche Suche nach Perfektion.

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INTERVIEW

Sheldon, nicht jeder weiß, dass du zu Beginn deiner Karriere auch professioneller Skateboarder warst. Was hat dich dazu bewogen, eine Karriere in der Musikinstrumentenbranche anzustreben und nicht in eine andere Richtung zu gehen?

Meinen Weg zu finden, war im Wesentlichen ein Ausschlussverfahren. Ich habe einige Berufe ausprobiert, bevor ich mich für den Gitarrenbau entschied. Nachdem ich anfing, Gitarren zu entwerfen und zu bauen, wurde daraus eine Art Besessenheit. Die vielen Arbeitsstunden, die ich damit verbrachte, haben mich nicht erschöpft, sondern mir Energie gegeben. Es fiel mir leicht, mir neue Modelle und Herstellungsverfahren auszudenken. Bis heute finde ich den Bau von Bässen unglaublich interessant, abwechslungsreich und herausfordernd.

Welche Musik magst du persönlich?

Meine Vorlieben sind vielfältig, aber ich mag Musik mit einem guten Groove. Um ehrlich zu sein, höre ich nicht viel Musik, weil ich sie auch so ständig im Kopf habe. Wenn ich Songs höre, dann eher, um sie zu analysieren und daraus zu lernen. Ich bewundere Menschen, die Musik einfach nur zum Vergnügen hören.

Beeinflussen deine musikalischen Vorlieben das Design und die Eigenschaften der Bässe, die ihr baut? Oder waren deine Modelle immer auf die Bedürfnisse anderer Musiker zugeschnitten?

Ich denke, dass mein Musikgeschmack meine Designs bis zu einem gewissen Grad beeinflusst hat, aber ich lasse mich von vielen verschiedenen Bereichen inspirieren: Architektur, Autos, Motorräder, Surf- und Skatekultur. Meistens versuche ich mich darauf zu konzentrieren, dass das Instrument lebendig, resonant, ausgewogen und leicht zu spielen ist. Ich denke, das sind universelle Qualitäten, die sich durch alle Genres ziehen.

Um deine zweite Frage zu beantworten: Das Design von Gitarren und Bässen ist schwierig auszubalancieren. Wenn man zu viel von seinen persönlichen Vorlieben einfließen lässt, wird das Instrument zu eigenwillig. Geht man zu sehr auf den Geschmack der Kunden ein, bleibt die Innovation auf der Strecke. Es hat Jahre gedauert, unsere Designs zu verfeinern, um ein Gleichgewicht zwischen Innovation und kommerzieller Attraktivität zu finden.

Ich weiß, dass du einen hohen Qualitätsanspruch hast und nie daran interessiert warst, aus Prinzip auch billige Instrumente anzubieten. Es muss also viel Arbeit gewesen sein, die Combustion-Serie und die gesamte Hybrid-Produktion (China/ Kanada) zum Leben zu erwecken und auf dieses Qualitätsniveau zu bringen. Wie hoch war der Schulungsaufwand für die chinesischen Mitarbeiter:innen und wie muss man sich das chinesische Werk vorstellen?

Es war viel Arbeit und ist auch heute noch viel Arbeit. Die Ausbildung und das Streben nach Verbesserung hören nie auf. Um eine hohe Qualität in der Produktion zu erreichen, muss man extrem wachsam sein. Es spielt keine Rolle, wo sich die Fabrik befindet, eine gleichbleibende Qualität ist sehr schwer zu erreichen. Vor Covid besuchte ich die Fabrik vier bis sechs Mal im Jahr, um an Prozessverbesserungen usw. zu arbeiten.

Die Fabrik, die wir in China nutzen, hat viele Grünflächen, die die Arbeiter in den Pausen nutzen können. Es ist eine schöne, saubere Fabrik mit vielen Hightech-Maschinen und Spezialanfertigungen. Die Stimmung ist gut und es werden dort Auftragsarbeiten für verschiedene Qualitätsmarken ausgeführt.

Dingwall setzen bei all ihren Pickup-Designs auf Splitcoils.

PICKUPS

Soweit ich weiß, sind die meisten Dingwall-Tonabnehmer Splitcoils. Welche Eigenschaften magst du an diesem PU-Design, die man mit Singlecoils oder Humbuckern nicht erreichen kann?

Ich habe Splitcoils schon immer bevorzugt. Sie sind nebengeräuscharm, haben mehr Soundmöglichkeiten als Singlecoils und klingen klarer und harmonischer als Humbucker. Wir haben mit Single-Coil- und Humbucker-Designs experimentiert, aber bis jetzt hat nichts die Split-Coils übertroffen.

Experimentierst du immer noch viel mit Pickups oder hast du das Gefühl, dass du für jeden Klangaspekt, das perfekte Setup hast?

Wir experimentieren immer noch und suchen nach neuen und besseren Sounds. Wir hören auf, ein bestimmtes Design zu entwickeln, wenn wir das Gefühl haben, dass wir das Maximum erreicht haben. Dann wenden wir uns dem nächsten Bereich zu, den wir für verbesserungswürdig halten.

HÖLZER

Wie gehst du bei der Auswahl der Hölzer für eure Modelle vor, und hast du schon weniger bekannte Hölzer entdeckt, die dich mit ihren klanglichen Qualitäten überrascht haben?

Die Hölzer müssen die folgenden Kriterien erfüllen, um für uns in Frage zu kommen:

  • Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit
  • Aussehen und Haptik
  • Hohes Verhältnis von Steifigkeit zu Gewicht
  • Geringe Dämpfung, gute Resonanzeigenschaften
  • Kombinierbarkeit mit verschiedenen Finishes
  • Farbe

Unter Berücksichtigung all dieser Punkte ist die Liste der geeigneten Hölzer tatsächlich sehr kurz. Die größte Überraschung der letzten Zeit war für mich persönlich geröstete Esche. Ich habe in den 90erJahren einen Hals aus Esche gebaut und ihn gehasst. Er klang dumpf und sah aus wie der Stiel einer Axt. Seit kurzem verwenden wir geröstete nordische Esche, und das ist genau das Gegenteil. Das Holz ist leicht und resonant und hat eine schöne Farbe. Ich liebe es!

Ihr bietet seit einigen Jahren Wenge-Hälse für deine Custom-Shop-Modelle an. Wie würdest du den Klang und das Spielgefühl deiner Wengehälse im Vergleich zu Ahorn beschreiben?

In meinen Ohren haben Wengehälse eine Wärme, die Ahornhälsen fehlt, und gleichzeitig eine Betonung in den Höhen, die sie lebendig klingen lässt. Wir füllen die Poren auf, damit sich der Hals smooth aber immer noch „holzig“ anfühlt. Ahorn ist immer noch das beliebteste und am einfachsten zu bearbeitende Holz, aber Wenge ist eine gute Wahl für jemanden, der einen dunklen Hals haben möchte.

Seit einigen Jahren werden Wenge-Hälse für den Custom Shop angeboten.

JOHN-TAYLOR-MODELL

Der John-Taylor-Bass ist das erste Dingwall-Modell mit einem Nyatoh-Korpus. Wie nah ist es an Mahagoni und warum wird nicht Khaya wie beim D-Roc verwendet?

Nyatoh war eines der Hölzer, die von der Fabrik vorgeschlagen wurden, weil es besser verfügbar und haltbarer als Khaya ist. Wir haben einige Muster aus beiden Hölzern anfertigen lassen, und John hat sich für Nyatoh entschieden. Es ist deutlich leichter und resonanter als Khaya.

Dingwall John Taylor Signature

Erzähl uns mehr über den Rupert-Neve-Designs-Preamp im John-Taylor-Modell. Was macht ihn einzigartig und wie unterscheidet er sich von den Glockenklang- und Darkglass-EQs, die ihr sonst anbietet? Wird er derzeit exklusiv für Dingwall-Bässe und dieses spezielle Modell verwendet?

Der RND-Preamp klingt sehr organisch und musikalisch. Es gibt einen Grund, warum die Produkte von Rupert Neve in der Studiowelt so hoch angesehen sind. Jede Komponente des RND-Vorverstärkers wurde sorgfältig ausgewählt, um den Klang unserer Bässe zu verbessern.

Der Glockenklang-Preamp ist klar und präzise. Der von Darkglass ist kräftig und aggressiv. Und der RND ist organisch und klingt irgendwie magisch. Es ist der erste Vorverstärker für elektrische Bässe, den sie entwickelt haben, exklusiv für Dingwall. Er gehört zur Standardausstattung des John-Taylor-Modells und ist auch als Option für die Custom-Shop-Modelle erhältlich.

Dingwall Custom Shop
Dingwall Custom Shop

Anders als der normale Combustion hat das John-Taylor-Modell die einteilige Brücke, die wir schon beim D-Roc 5 gesehen haben. Gibt es Pläne, dieses Design auch bei den Hybrid-gefertigten Modellen zu verwenden, und gibt es einen klanglichen Unterschied zum Einzelreiter-Stegdesign der anderen Modelle?

Mit der Zeit werden wir alle unsere Modelle mit Ausnahme der Z-Serie und der Prima-Artist-Modelle auf die einteilige ‚Minimalist‘- Bridge umstellen, was tatsächlich eine komplexe Aufgabe ist. Die aktuellen Hipshot/Dingwall-Einzelreiter funktionieren und klingen ebenfalls großartig, so dass wir ohne Druck die Umstellung auf die ‚Minimalist‘- Bridge bei einem Modell nach dem anderen vornehmen werden.

DIE ZUKUNFT VON DINGWALL

Nachhaltigkeit wird auch in der Gitarrenindustrie immer wichtiger. Spielt dieses Thema eine Rolle bei der Art und Weise, wie ihr Instrumente baut und wie siehst du die Auswirkungen auf die Gitarren-/ Bassindustrie im Allgemeinen?

Ja, Nachhaltigkeit ist sehr wichtig und hat mehr Facetten als man denkt. Es gibt natürlich die ökologische Nachhaltigkeit, aber auch die Nachhaltigkeit des Marktes und der Arbeitskräfte. Wir arbeiten hart daran, unsere natürlichen Ressourcen so effizient, sauber und umweltfreundlich wie möglich wie möglich zu nutzen. Wir tun unser Bestes, um so viele neue Musiker wie möglich zum Bassspielen zu bewegen. Außerdem versuchen wir, jungen Menschen überdurchschnittliche Löhne zu zahlen, damit sie den Gitarrenbau zu ihrem Beruf machen können. Ein Nebeneffekt der Konzentration auf Qualität ist, dass die Instrumente eine längere Lebensdauer haben, was sie automatisch umweltfreundlicher macht, da sie nicht so schnell ersetzt werden müssen. Wir entwerfen und bauen unsere Bässe so, dass sie Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte halten.

Sheldon Dingwall vor dem Mannheimer Wasserturm beim Guitar Summit 2023

Wie entwickelt ihr euch nach all den Jahren in der Branche weiter? Gibt es bestimmte Bereiche, die du derzeit erforschst?

Ich lerne gerne dazu und bin immer noch vom Design und der Herstellung von Bassgitarren besessen. Mit dem Wachstum des Unternehmens hat sich auch meine Rolle verändert. Ich gebe mehrere Stunden Coaching pro Woche, um das Geschäft und die Mitarbeiter zu unterstützen. Ich besuche Gitarrenfabriken auf der ganzen Welt. Wenn ich mit dem Auto oder dem Fahrrad unterwegs bin, höre ich mir Hörbücher über Business oder Motivation an. Kurioserweise lerne ich auch viel, wenn ich Workshops und Seminare gebe. Die Vorbereitung auf diese Veranstaltungen zwingt mich, die Logik hinter meinen intuitiven Entscheidungen zu verstehen. Intuition mag zufällig erscheinen, aber sie ist das Ergebnis einer massiven Informationsverarbeitung im Unterbewusstsein.

Ich erinnere mich an einige gelungene T-Style-Gitarren, die du vor langer Zeit gebaut hast, und auch an die Argumente, die du damals gegen gefächerte Bünde bei Gitarren hattest. Besteht die Möglichkeit, dass es eines Tages Dingwall-Gitarren geben wird? Und denkst du heute anders über Fanned Frets bei Gitarren?

Danke, ich habe diese Gitarren geliebt. Sie wurden 2009 oder 2010 entworfen. Damals war Multiscale in der Gitarrenwelt noch nicht akzeptiert und wir gingen davon aus, dass Gitarristen eher eine Gitarre akzeptieren würden, die traditionell aussieht und klingt. Wir haben bereits Multiscale-Gitarren auf dem Reißbrett entworfen. Allerdings müssen wir erstmal alle Bassbestellungen abarbeiten, bevor wir unseren Fokus auf Gitarren richten können.

Danke für das Gespräch!


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

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