Superlearning

Effektives Üben – Teil 1

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Das richtige Üben ist für alle Entwicklungsstufen beim Erlernen eines Instruments wichtig, für den Anfänger genauso wie für den Fortgeschrittenen und den Profimusiker. Das Wissen darüber, wie unser Gehirn funktioniert, wie man mit diesem Wissen und den daraus abgeleiteten Methoden das tägliche Üben organisiert, wie man einen Übungsplan so zusammenstellt, dass man möglichst schnell und effektiv die gewünschten Ziele erreicht, ist daher die Grundlage für den Erfolg eines jeden Musikers. All diese Methoden möchte ich ausführlich besprechen und dir wichtige Tipps mit auf deinen musikalischen Weg geben.

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Ein Anfänger wird wahrscheinlich noch nicht jedes Detail umsetzen können, aber die wichtigsten Prinzipien dieses Konzepts kann er sich sofort aneignen. Ein Fortgeschrittener oder Profi wird spezielle Tricks und sogar Techniken aus dem Spitzensport finden, um seinen Übungs- und Spielhorizont zu erweitern.

WIE DAS GEHIRN BEIM LERNEN FUNKTIONIERT

Wenn man etwas Neues lernt, wird im Gehirn eine neue Nervenverbindung, eine so genannte Synapse, gebildet. Diesen Vorgang kann man sich wie das Gehen durch hohen, frischen Schnee vorstellen: Am Anfang ist es noch sehr schwierig, jeder Schritt kostet viel Kraft (Abb. 1). Wenn man aber den gleichen Weg mehrmals gegangen ist, wird er immer ausgetretener, und es geht von Mal zu Mal leichter (Abb. 2). So wie der Weg immer fester wird, so verfestigt sich auch die Verknüpfung im Gehirn mit jeder Wiederholung. Deshalb ist Wiederholung die Grundlage allen erfolgreichen Lernens.

LERNPROZESS UND REAKTION

Wenn beim Lernprozess neue Nervenbahnen im Gehirn, aber auch in anderen Teilen des Körpers aktiviert werden, kostet dies, wie bereits erwähnt, viel Energie. Dies kann ganz am Anfang beim Erlernen eines Musikinstrumentes der Fall sein, aber auch, wenn man sich als bereits fortgeschrittener Musiker einem neuen Thema zuwendet, wie z. B. neuen Akkordformen oder einer neuen Skala für die Improvisation. In jedem Fall hat man das Gefühl, einen Zug nach oben ziehen zu müssen.

Der psychologische Effekt ist, dass man das Gefühl hat, nirgendwo hinzukommen. Dieser Zustand hält eine Weile an, bis er von einem natürlichen Ruhezustand, einem „Plateau“, abgelöst wird. In dieser Zeit glauben wir, die Welt erobern zu können und große Fortschritte zu machen. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil der Fall: Der Fortschritt wurde in der vorhergehenden Periode des „Aufstiegs“ gemacht! Die Ruhephase dauert so lange, bis wir uns wieder unserer Schwächen bewusst werden oder neues Material einüben. Dann beginnt der Prozess wieder von vorne. Je besser wir als Musiker werden, desto länger dauern die einzelnen Prozessphasen.

SUPERLEARNING

Für den Lernprozess selbst gibt es effektive Methoden für einen schnellen Lernerfolg, die auch als Superlearning bezeichnet werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Arten des Gedächtnisses, dem physischen Gedächtnis und dem Datengedächtnis.

1. physisches Gedächtnis

Darunter versteht man alles, was die Motorik betrifft, also für uns Musiker den „sportlichen“ Teil des Übens, die Bewegungsabläufe. Und hier unterscheidet man wieder zwischen dem Kurzzeitgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis. Für beide gibt es ganz konkrete Vorgehensweisen, mit denen man sehr effektiv Fortschritte erzielen kann.

Kurzzeitgedächtnis

• Um eine neue Technik zu lernen, sollte man sie 20 – 100 mal fehlerfrei wiederholen. Das kann eine Tonleiter, ein Lick, ein kleiner Teil eines Musikstücks usw. sein. Generell sollte man Songs, Soli etc. in kleine Teile zerlegen und jeden Teil einzeln üben, vor allem die schwierigeren.

• Das Tempo sollte immer angepasst und langsam genug sein, um alles richtig zu spielen. Dazu ist es sinnvoll, ein Metronom zu benutzen und sich das Tempo für jeden Teil aufzuschreiben. Da sich gerade die Tempi oft von Tag zu Tag unterschiedlich anfühlen, ist es wichtig, hier die Kontrolle zu behalten.

• Zu langsam kann man nicht üben, Zeitlupe ist ideal, um das Gehirn zu programmieren!

• Das Gehirn funktioniert beim Üben wie eine Kamera, es nimmt alles genau auf, auch die Fehler! Deshalb ist es wichtig, immer richtig zu üben.

• Die ersten fünf Wiederholungen einer neuen Bewegung sind die wichtigsten.

• Auch wenn es sich z.B. um eine Technikübung handelt, sollte sie so musikalisch wie möglich gespielt werden. Alle Einzelheiten werden „mitprogrammiert“.

• Übe alles am Instrument und nicht auf dem Notenblatt.

• Um wertvolle Zeit zu sparen, sollte man immer mindestens zwei Dinge gleichzeitig üben, beispielsweise eine Technik und eine Tonleiter.

Langzeitgedächtnis

Um die Übungen im Langzeitgedächtnis zu verankern, müssen die oben beschriebenen Abläufe 21 Mal innerhalb von 30 Tagen wiederholt werden. Die Regeln bleiben gleich: Immer richtig und langsam.

2. Datengedächtnis

Dies ist die zweite Art des Gedächtnisses, in dem die Daten, also die eigentlichen Inhalte eines Themas verarbeitet und gespeichert werden.

METHODEN ZUR STEIGERUNG DER EFFEKTIVITÄT:

• Zeitlimit: Das Gedächtnis arbeitet besser, wenn ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben wird, gefolgt von einer Pause. Dadurch wird die Konzentration deutlich erhöht. Am besten nimmt man sich eine Stoppuhr (oder einen Timer auf dem Handy) und setzt sich ein Zeitlimit. Sobald das Schlusssignal ertönt, muss die Übung beendet werden. Die gesetzte Zeit darf auf keinen Fall überschritten werden! Sonst „glaubt“ uns unser Unterbewusstsein beim nächsten Mal nicht, dass wir rechtzeitig aufhören, und die Konzentration lässt wieder nach

• Gedanken aufschreiben: Wer kennt das nicht: Kaum hat man mit dem Üben begonnen, fällt einem plötzlich ein: „Ich muss noch dringend eine E-Mail beantworten“ oder „Ich wollte vor dem Wochenende noch schnell einkaufen gehen“ usw. Um die Übungsstunde nicht ständig unterbrechen zu müssen, legt man sich am besten einen Zettel und einen Stift bereit und notiert alle Gedanken und Ideen, die einem während der Übung kommen.

Diese Liste kann man dann nach dem Üben in Ruhe abarbeiten. Wichtig dabei: Den Zettel nicht verlieren! Denn dann sind die Gedanken aus dem Kopf und damit gelöscht.

• Entspannt üben: Die Merkfähigkeit ist besser, wenn Geist und Körper entspannt sind. Hier kann man Methoden wie Meditation oder autogenes Training etc. anwenden.

• Vor dem Schlafen üben: Die Merkfähigkeit ist auch besser, wenn man vor dem Schlafen lernt. Der Lernprozess setzt sich unbewusst auch während des Schlafes fort.

• Nie nach dem Essen lernen.

MOTIVATIONSTIPP

Wenn du etwas Bestimmtes lernen möchtest, z.B. eine neue Technik oder einen neuen Stil, und du merkst, dass du es einfach nicht schaffst, es von Tag zu Tag aufzuschieben, dann versuche mal Folgendes: Mach es nur für 5 Minuten. Das durchbricht die mentale Barriere.

So viel zu den Grundlagen und wichtigen Aspekten des Lernprozesses. Beim nächsten Mal werden wir uns genauer mit der Zusammenstellung der einzelnen Übungseinheiten beschäftigen.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2024)

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