(Bild: Paolo Terlizzi)
Matteo Mancuso, geboren 1996, war ein Wunderkind auf der Gitarre und spielte bereits in jungen Jahren mit den größten sizilianischen Musikern. Bereits 2009, im Alter von 12 Jahren, trat er beim Castelbuono Jazz Festival in Sizilien auf. Als versierter Gitarrist – von der klassischen bis zur elektrischen Gitarre – hat er einen sehr persönlichen und einzigartigen Ansatz ohne Plektren entwickelt, der es ihm ermöglicht, eine sehr originelle musikalische Sprache zu verwenden.
Sein YouTube-Kanal wird von einem breiten internationalen Publikum verfolgt und von Dweezil Zappa, Stef Burns, Joe Bonamassa, Steve Vai, Al Di Meola und vielen anderen gelobt.
Du verwendest eine ganz besondere Technik in deiner rechten Hand. Kannst du erklären, wie du die Technik entwickelt hast und wer dich dazu inspiriert hat?
Ich habe diese Technik entwickelt, weil ich meinen Vater immer beobachtete, wenn er zuhause klassische Gitarre spielte. Damals dachte ich, dass man jede Art von Gitarre so spielt. Ich benutze hauptsächlich zwei Positionen für meine rechte Hand, eine ist die „Rest Stroke“-Technik, ähnlich der von Bassisten, und die andere ist die „Free Stroke“-Technik, die eher der klassischen Gitarre ähnelt.
Wie sieht deine wöchentliche Übungsroutine aus? Gibt es bestimmte Übungen, die immer dabei sein müssen?
Ich habe eigentlich keine spezielle Übungsroutine. Meistens greife ich zur Gitarre und spiele das, was mir gerade einfällt. Natürlich versuche ich, jeden Tag zu spielen. Mindestens vier Stunden, wenn ich Zeit habe, dabei improvisiere ich viel. Immer wenn ich auf etwas stoße, das ich nicht richtig kann, konzentriere ich mich darauf. Ich glaube auch, dass das Auswendiglernen von Liedern viel zu meiner Entwicklung beigetragen hat. Manchmal macht es einfach mehr Spaß, ein neues Lied zu lernen, als die ganze Zeit Soli zu spielen.
Du hast einen sehr charakteristischen Sound, der schwer zu imitieren ist. Kannst du beschreiben, wie du deinen idealen Gitarrenton erzeugst und welche Rolle die Wahl deines Equipments dabei spielt?
Ein großer Teil meines Sounds kommt natürlich von meiner Fingertechnik. Ich habe normalerweise einen dunkleren Ton im Vergleich zum Plektrum und einen leichteren Anschlag mit der rechten Hand, so dass es weniger „Saitengeräusche“ gibt im Vergleich zum Plektrumanschlag. Einige meiner Soundeinflüsse sind Leute wie Eric Johnson, Bonamassa und Holdsworth. Sie sind perfekte Beispiele für Zerr-Sounds, die ich wirklich liebe, voller Mitten, aggressiv und gleichzeitig elegant.
Auf der Bühne benutze ich immer digitales Amp-Modeling, ich gehe direkt zur PA und habe zwei Wedges vor mir, weil ich in Stereo spiele. Ich glaube, dass es bei dem Stand, den wir mit der Digitaltechnik erreicht haben, nichts gibt, was man nicht mit diesen Geräten nachbilden kann, und als wirklich fauler Mensch wird ein Pedalboard, das alles kann, immer meine erste Wahl sein!
Welches Teil von deinem Equipment ist unersetzlich?
Definitiv meine Fingernägel! Ohne Nägel wäre mein Sound zu matschig und dunkel und ich hätte nicht den Attack, den ich mag. Ich habe einmal versucht, ohne zu spielen, aber es war wirklich fast unmöglich, einige meiner Lines zu spielen. Der Vorteil eines Plektrums ist, dass man einfach ein neues nehmen kann, wenn es kaputt geht oder man es verliert, was mit Nägeln leider nicht geht! Zum Glück breche ich mir nie einen Nagel ab, weil ich Acryl-Gel benutze, und das ein sehr starkes Material ist, aber ein ganzes Konzert ohne meine Nägel zu spielen, wäre mein Albtraum!
Dein Spiel verbindet Elemente aus Jazz, Funk und Fusion. Wie haben diese verschiedenen Genres dein Gitarrenspiel beeinflusst?
Es war ein langsamer Prozess, ich habe wie viele andere Gitarristen mit Rock angefangen: Deep Purple, Led Zeppelin, Hendrix und AC/DC waren meine ersten Einflüsse. Dann habe ich durch meinen Vater viel Jazz und Instrumentalmusik entdeckt, Leute wie Wes Montgomery, Django, Joe Pass, Benson und Metheny, um nur einige zu nennen. Ich war sehr neugierig und wollte immer mehr über das Instrument und Improvisation lernen, so dass ich nicht wirklich darauf achtete, welchen Stil ich hörte. Denn ich wollte einfach in der Lage sein, alles auf der Gitarre nachzuspielen. Ich mag am liebsten Spieler, die zwischen den Stilen wechseln können. Leute wie Scott Henderson, Gambale, Holdsworth oder Scofield sind einige meiner größten Einflüsse.
(Bild: Paolo Terlizzi)
Wie sieht dein typischer Prozess beim Schreiben neuer Songs aus? Fängst du mit einer Melodie, einem Riff oder einer Akkordfolge an?
Es kommt auf den Song an. Manche Songs beginnen mit einem Riff, andere mit einer Melodie, aber sie müssen nicht jedes Mal den gleichen Prozess durchlaufen, sonst wird es nach einer Weile langweilig. Meistens fange ich mit ein paar Sounds an, die mich inspirieren, manchmal wechsle ich die Gitarren oder experimentiere mit offenen Stimmungen, so dass ich mich nicht auf das Muskel-Gedächtnis verlassen kann und mich mehr auf mein Gehör konzentriere.
Wie stellst du sicher, dass deine Improvisationen nicht nur technisch anspruchsvoll, sondern auch emotional ausdrucksstark sind?
Kurze Antwort: Man muss viel üben! Die meisten Leute denken beim Üben nur an die Technik, aber für mich bedeutet Üben auch, dass man seine Emotionen besser ausdrücken kann. Um das zu erreichen, muss man viel Zeit mit seinem Instrument verbringen und immer genau hinhören, statt sich nur auf die Finger zu verlassen. Ich weiß, dass das banal klingt, aber wenn man das oft macht, stärkt man die Verbindung zwischen Ohren und Fingern, und das ist das Wichtigste, vor allem, wenn es um den emotionalen Ausdruck geht.
Gibt es Momente, in denen du bewusst die Technik zugunsten des musikalischen Ausdrucks zurückstellst?
Nein, mehr Technik kann den musikalischen Ausdruck verbessern. Natürlich muss man Geschmack haben und wissen, wann es angebracht ist, viele Noten zu spielen und wann nicht. Aber auch wenn man nur wenige Noten spielt, muss man seine Technik unter Kontrolle haben. Technik bedeutet nicht nur Geschwindigkeit oder komplizierte Passagen zu spielen, sondern auch die Fähigkeit, einen Ton auf die bestmögliche Art und Weise zu erzeugen. Jeff Beck ist dafür ein gutes Beispiel.
Welche theoretischen Konzepte oder Skalen sind für dich besonders wichtig, wenn du improvisierst?
Für mich ist es super wichtig, Intervalle und deren Klang zu erlernen. Die Visualisierung des Griffbretts ist eines der schwierigsten Dinge, die man auf der Gitarre lernen kann, weil es viel Muskelgedächtnis und Disziplin erfordert. Mir hat es geholfen, die Durtonleiter über das gesamte Griffbrett und die Intervallmuster (Terzen, Quarten, usw.) zu verinnerlichen. Ich bin kein großer Fan davon eine Skala nur in einer Lage zu spielen.
Gibt es neue musikalische Richtungen oder Projekte, die du in naher Zukunft ausprobieren möchtest? Wie siehst du die Entwicklung deiner Karriere in den nächsten Jahren?
Ich würde gerne meine Klangpalette erweitern, indem ich mehr mit meinen Pedalboards und Gitarren experimentiere. Mit einem Trio ist es wirklich schwierig, eine breite Palette an Sounds zu haben, deshalb ist es wichtig, das Beste aus seinem Equipment herauszuholen. Ich denke auch darüber nach, eines Tages einen Keyboarder dazu zu nehmen, denn einige meiner neuesten Kompositionen würden mit einem Quartett besser klingen, aber das ist nur eine Idee. Natürlich möchte ich noch produktiver werden, was meine Kompositionen angeht. Außerdem ist es mein Ziel, mit dem Trio mehr Live-Videos zu produzieren als klassische Musik-Videos. Ich habe immer das Gefühl, dass es live mehr Energie und Spontaneität gibt als im Studio.
Matteo Mancuso spielt auf dem Guitar Summit, der vom 27.-29.September im Rosengarten in Mannheim stattfindet.
Tickets: www.guitarsummit.de/tickets
Ja, Matteo, da bist Du auf dem Weg der Erkenntnis:
Musik beschränkt sich nicht nur auf Gitarrenklänge…
In Ergänzung mit Piano-Sounds erschließen sich viel reichhaltigere
Kompositionen, von den Keyboard-Einflüssen ganz zu schweigen.